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Arbeit& Wirtschaft | Interview mit Richard Leutner, Leitender Sekretär des ÖGB

SCHWERPUNKT KOMBILOHN

Lohnsubvention für Mc-Jobs?

Arbeit&Wirtschaft: Die Regierung hat in ihrem Beschäftigungsförderungsgesetz den so genannten Kombilohn vorgesehen. Bevor wir ins Detail gehen: Kannst du bitte noch einmal kurz zusammenfassen, was man eigentlich darunter versteht?
Richard Leutner: Der Kombilohn ist, wie der Name schon sagt, eine Kombination von Arbeitseinkommen und AMS-Bezug.

Kommt dieses Lohnmodell für alle arbeitslosen ArbeitnehmerInnen in Frage?
Nein, die Zielgruppe sind Jugendliche und Ältere, die länger als ein Jahr arbeitslos sind. Das Kombilohnmodell ist für Jobs gedacht, die nicht besetzt werden können, weil sie so wenig einbringen, dass die Menschen, die sie annehmen würden, nicht davon leben können oder weil die Differenz zum Arbeitslosenbezug so gering ist, dass der Anreiz fehlt, die Stelle anzunehmen.

Das hört sich nach Lohnsubventionen für Mc-Jobs an? Wieviel darf man eigentlich mit dem Kombilohnmodell verdienen?
Die Höchstentgeltgrenze liegt bei tausend Euro brutto. Dabei enthalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zwischen 5 und 50 Prozent Zuschüsse, je nach der Verdiensthöhe, und Arbeitgeber 15 Prozent des Bruttolohnes. Damit sollen die Lohnnebenkosten von 40 Prozent auf 25 Prozent reduziert werden.

Wieviele Jobs fallen eigentlich in diese Kategorie?
Laut AMS gibt es ein Potential von bis zu 5000 solchen offenen Stellen, vor allem im Handel, bei Bürotätigkeiten oder bei unternehmensbezogenen Diensten.

Wie steht der ÖGB zum Kombilohnmodell?
Der ÖGB lehnt dieses Modell ab, da es unserer Ansicht nach nicht förderungswürdig ist, Niedriglohnarbeitsplätze zu fördern. Der ÖGB hat lange Zeit für einen Bruttolohn von tausend Euro pro Monat gekämpft, der fast in allen Kollektivverträgen in Österreich durchgesetzt werden konnte. Bei Jobs, bei denen weniger als tausend Euro brutto verdient wird, handelt es sich fast ausschließlich um Teilzeitjobs, mit denen normalerweise kein Einkommen erzielt wird, das zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausreicht. Teilzeitbeschäftigte haben in der Praxis geringere Aufstiegschancen und ihre Arbeitszeiten sind gerade im Niedriglohnbereich oft familienfeindlich. Außerdem ist zu bedenken, dass normalerweise für eine Vollzeitbeschäftigung mehr als tausend Euro brutto vorgesehen sind. Aus Unternehmersicht wäre es also sinnvoll, einen Vollzeitjob in zwei Halbtagsbeschäftigungen aufzuteilen, um die jeweils 15-prozentige Förderung des Kombilohns in Anspruch nehmen zu können. Der vorliegende Gesetzesentwurf schafft somit einen Anreiz, Vollzeitarbeitsplätze in Teilzeitarbeitsplätze umzuwandeln, um von der Lohnnebenkostenersparnis zu profitieren.

Es geht doch ein Trend zur Teilzeitbeschäftigung. Kann sich der ÖGB dem wirklich entgegenstellen?
Ich bin der Meinung, dass man einen Trend nicht noch zusätzlich fördern muss. Außerdem entspricht es nicht den Tatsachen, dass Arbeitgeber, die Teilzeitarbeit anbieten, Probleme bei der Besetzung dieser freien Stellen hätten. Warum soll man da auch noch fördern?

Wie sehen die internationalen Erfahrungen mit dem Kombilohnmodell aus?
Ich möchte nur kurz auf die Erfahrungen unserer deutschen Nachbarn mit diesem Modell verweisen. Die Quintessenz daraus lautet: Die Förderungen wurden von den Unternehmen lukriert, aber de facto wurden keine neuen Beschäftigungsverhältnisse geschaffen.

Die Regierung will den Kombilohn ja nur für begrenzte Zeit einführen. Sind damit deiner Meinung nach die Nachteile ebenfalls begrenzt?
Nein, ganz im Gegenteil. Der Gesetzesentwurf soll mit 1. Jänner 2006 in Kraft treten und bis 31. Dezember gelten. Es stellt sich aber die Frage: Was passiert dann? Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden somit mit Jahresende 2006 vor dem Problem stehen, dass sie entweder ohne weitere zusätzliche Leistungen im schlecht bezahlten Job verbleiben oder das Arbeitsverhältnis auflösen. Kündigen sie das Arbeitsverhältnis selbst, steht ihnen aber die Sperre des Arbeitslosengeldes bevor. Beides sind problematische Szenarien.

Die Regierung sagt: Der Kombilohn ist ein Vorteil für Arbeitnehmer, weil Sie Jobs ohne Einkommensverluste annehmen können und für Arbeitgeber, weil sie Lohnkosten sparen.
Das ist kurzfristig gedacht! Kurzfristig mag das ja stimmen - langfristige Vorteile sehe ich nur für die Arbeitgeber. Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kann sich diese Form der Arbeit aber als Bumerang herausstellen. Sie finden zwar (zumindest vorübergehend) eine Beschäftigung, qualifizieren sich aber langfristig nicht weiter und müssen auf Billig- oder Teilzeitarbeitsplätzen ohne Zukunftsperspektive bleiben. Nur eine bessere Qualifikation schafft auf Dauer einen guten neuen Arbeitsplatz.

Welche Ideen hat der ÖGB zur Schaffung von Arbeitsplätzen?
Wir fordern konjunkturbelebende Maßnahmen, wie Investitionen in die Infrastruktur und steuerliche Entlastungen für kleine und mittlere Einkommensbezieher, weil das zu einem Wirtschaftswachstum und damit zu neuen Arbeitsplätzen führen würde.

Was heißt das konkret?
Konkret verlangt der ÖGB nach wie vor eine Milliarde Euro zusätzlich für dringend notwendige Infrastrukturmaßnahmen und zusätzlich eine Milliarde Euro Lohnsteuersenkung zur Stärkung kleiner und mittlerer Einkommen, einschließlich einer Verdoppelung der Negativsteuer von 110 auf 220 Euro. Im Bereich Verkehr fordern wir die Anhebung des Kilometergeldes nicht auf 0,38, sondern auf 0,42 Euro, eine Anhebung der Pendlerpauschale um weitere zehn Prozent und die Anpassung des Verkehrskostenabsetzbetrages an die Preissteigerungen. Weiters fordern wir einen Heizkostenzuschuss für einkommensschwache Bevölkerungsgruppen.

(Mit Richard Leutner sprach Doris Hecht-Aichholzer.)

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