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Domestizierung von Sauriern Drei Vorschläge, wie globale Konzerne gezähmt werden könnten

HINTERGRUND

Transnationale Konzerne sind zur zentralen Gefahr für die Demokratie geworden: Sie können sich beinahe jeden Rechtsanwalt oder Kommunikationsberater leisten, Wissenschaftler kaufen, Öffentlichkeit und Politik durch PR und Lobbying maßgeblich beeinflussen.

Zu Lobbys zusammengespannt sind sie am mächtigsten: Globale Wirtschaftsabkommen wie das TRIPS oder das GATS gehen ausschließlich auf Konzern-Initiativen zurück.

Die Rede von der »konzerngetriebenen« Globalisierung ist kein Mythos, sondern beschämende Realität. Es wäre daher hoch an der Zeit, Konzerne zu entmachten, zu zähmen und zu bändigen. Die Politik muss wieder die Wirtschaft im Interesse der Mehrheit der Menschen und des Gemeinwohls gestalten, Märkte und Konzerne brauchen klare Spielregeln und Grenzen. Voraussetzung für die Wiederherstellung des Primats der Politik ist ein breites Bewusstsein in der Bevölkerung, um öffentlichen Druck zu erzeugen. Dann können Ideen und Maßnahmen wie die folgenden umgesetzt werden:

  1. Standortschutzabkommen
  2. Globale Fusionskontrolle
  3. Shareholder Value brechen

1. Standortschutzabkommen

Privatwirtschaftliche Investitionen im Ausland sind per se weder gut noch schlecht. Sie können für menschliche Entwicklung fruchtbar gemacht werden oder ökonomisch, sozial, ökologisch und kulturell destruktiv sein. Worauf es ankommt, ist, wie sie reguliert werden. Während die Befürworter der gegenwärtigen Form der Globalisierung auf ein Investitionsschutzabkommen setzen, das Deregulierung zum Ziel hat, treten die Globalisierungskritiker/-innen für ein »Standortschutzabkommen« ein, das die Regulierung von Investitionen beabsichtigt. Im Folgenden sollen die beiden Ansätze vorgestellt werden:

a) Das neoliberale Investitionsschutzabkommen

Im Nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA (zwischen den USA, Kanada und Mexiko) wurde 1994 erstmals ein multilateraler Investorenschutz vereinbart. Nach dem Vorbild dieser sehr strengen und konzernfreundlichen Regelung wollten die Industrieländer ein Investitionsschutzabkommen innerhalb der Welthandelsorganisation WTO durchsetzen. Diese Initiative scheiterte jedoch 1996 auf der 1. WTO-Ministerkonferenz in Singapur am Widerstand der Entwicklungsländer. Daraufhin verlagerten die Industrieländer das Investitionsschutzabkommen in ihren »eigenen« Club, die OECD. Selbst dort stolperte jedoch das Multilaterale Abkommen über Investitionen, kurz MAI, über das Veto Frankreichs, mitverursacht durch die heftigen Proteste der globalisierungskritischen Bewegung. Derzeit sind Investitionsschutzabkommen auf zwei Ebenen im Entstehen: Zum einen bilateral, zumeist zwischen den USA oder der EU und Schwellen- oder Entwicklungsländern; zum anderen starten die Industrieländer einen neuen Anlauf innerhalb der WTO. Österreichs Wirtschaftsminister Martin Bartenstein ist ein glühender Fan eines multilateralen Investitionsschutzabkommens. In neoliberaler Ausgestaltung hätte es folgende Eckpunkte:

  • Das MAI gibt Konzernen ausschließlich Rechte und Staaten ausschließlich Pflichten. Konzerne erhalten zum Beispiel umfassenden Schutz vor Enteignung und - in der radikalsten Version - ein Klagerecht gegenüber Staaten (»investor-to-state«-Mechanismus)1); diese Position wird von den USA, Taiwan und der Wirtschaftskammer Österreich vertreten. Das Problem: Von 100 Wirtschaftseinheiten sind - gemessen an Umsatz und BIP - bereits 51 multinationale Konzerne und nur noch 49 Staaten. Wal-Mart ist größer als Schweden, ExxonMobil größer als Saudi-Arabien, General Motors größer als Polen. In Anbetracht dieser Verhältnisse wäre es unvernünftig, die Macht der Global Players gegenüber Staaten weiter auszubauen. Wohin das direkte Klagerecht für Konzerne führt, sieht man im nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA.

Beispiel 1: Kanada erließ ein Gesetz, das den Transport und Vertrieb eines hochgiftigen Benzinzusatzstoffes verbot. Der US-amerikanische Investor Ethyl fühlte sich enteignet und klagte. In der Diversion erhielt er zehn Millionen US-Dollar Schmerzensgeld, und Kanada zog das Umweltschutzgesetz zurück.

In einem anderen Fall wollte die kanadische Regierung dem Tabakkonzern Philipp Morris die irreführenden Markennamen »light« und »mild« auf den Packungen untersagen. Ebenfalls eine Enteignung, urteilte das Nafta-Tribunal, denn »light« und »mild« seien geschützte Markennamen.

Dritter Fall: In Mexiko untersagte ein Bundesstaat aufgrund einer Umweltverträglichkeitsprüfung den Bau einer Sondermüllanlage, nachdem der Investor schon die Erlaubnis bei der Zentralregierung eingeholt hatte. Der Investor fühlte sich enteignet, klagte und bekam Recht. Von den ersten sechs Fällen gewannen die klagenden Konzerne vier und erhielten insgesamt 516 Millionen US-Dollar »Schadenersatz« - aus Steuergeldern.

  • In der WTO müssen ausländische und inländische Unternehmen gleich behandelt werden. Das Problem: Der freie Wettbewerb zwischen globalen Konzernen und lokalen Kleinbetrieben ist ungleich. Es steht von vornherein fest, wer gewinnt und wer verliert. Deshalb haben alle großen Industrienationen in der Aufbauphase ihre heimischen Industrien geschützt - mit Subventionen und Zöllen. Genau das soll den Entwicklungsländern via MAI verboten werden.

Der an der Universität Cambridge lehrende Ökonom Ha-Joon Chang bezeichnet dieses Verhalten als »Umstoßen der Leiter«, die sie selbst benützt haben, um über die Mauer der Armut zu kommen.2)

Das WTO-Prinzip der »Nichtdiskriminierung« gilt übrigens nur gegenüber ausländischen Unternehmen (in der Regel Großkonzerne); inländische Unternehmen (in der Regel Kleinbetriebe) dürfen in der WTO sehr wohl schlechter gestellt werden - was im Zuge des Anlockens von Investoren oder in Sonderwirtschaftszonen regelmäßig passiert: Gratis-Grundstück, Autobahn-Anschluss, Steuer-Urlaub, Subvention. Diskriminierung ist in der WTO erlaubt, aber nur der Kleinen.

  • Staaten dürfen Investoren nicht mehr regulieren, auch wenn es für die Entwicklung förderlich wäre. So genannte »performance requirements« (Anforderungen an die Investoren) wären im MAI pauschal verboten worden. Schon in den laufenden GATS-Verhandlungen (Dienstleistungsabkommen der WTO) attackiert die EU zahlreiche sinnvolle Regulierungen ausländischer Investoren. Zum Beispiel verlangt El Salvador, dass mindestens 50% der Gewinne vor Ort reinvestiert werden. Kamerun verlangt von ausländischen Investoren, dass sie pro 10.000 investierte Dollar einen Arbeitsplatz schaffen. Thailand lässt keine Banken ins Land, die in Steueroasen lizensiert sind. Chile reguliert den Kapitalverkehr, um von Finanzkrisen verschont zu bleiben; und verlangt, dass 85% der Beschäftigten aus Chile stammen müssen. Alles sinnvolle Gesetze, oder? Dennoch verlangt die EU die Eliminierung dieser »handelshemmenden« Regulierungen.

Ein erster »Investorenschutz« ist in der WTO bereits in Kraft: Indien verlangte von investierenden Autokonzernen, dass die Wertschöpfung mehrheitlich in Indien stattfinden muss. Das wurde durch ein WTO-Gerichtsurteil verboten. Indien darf jetzt von globalen Konzernen als verlängerte Werkbank benützt werden, ohne dass Entwicklung gefördert wird.

b) Das Standortschutzabkommen von Attac

Ziel ist die Regulierung von Investitionen, um sie für eine ökonomisch, sozial und ökologisch verträgliche Entwicklung fruchtbar zu machen. Es könnte folgende Eckpunkte umfassen:

  • Ausländische Investoren zahlen gleich viele Steuern wie heimische Klein- und Mittelbetriebe. Steuerdumping wird verboten, ebenso Subventionen an ausländische Investoren.
  • Technologietransfer an lokale Partnerunternehmen muss in irgendeiner Form stattfinden, z. B. durch Joint Ventures.
  • Die Wertschöpfung muss mehrheitlich im Gastland erfolgen, zum Beispiel durch den Bezug von Vorprodukten aus der lokalen Wirtschaft.
  • Die überwiegende Mehrheit der Schlüsselkräfte soll aus dem Gastland kommen.
  • Existenzsichernde Löhne, zum Beispiel das Doppelte des gesetzlichen Mindestlohnes, wenn dieser nicht zum Leben reicht, müssen bezahlt werden.
  • Volle soziale Absicherung und gute Arbeitsbedingungen, Einhaltung von ILO-Normen, nicht nur der Kernarbeitsnormen, müssen gewährleistet sein.
  • Förderung von Frauen muss gewährleistet sein.
  • Einhaltung derselben Umweltstandards wie im Mutterland muss gewährleistet sein.
  • Möglichkeit des Vetos gegen ökologisch destruktive Investitionen zum Beispiel im Rohstoffsektor durch die betroffene (indigene) Bevölkerung ist abgesichert.
  • Re-Investition eines Teils der Gewinne vor Ort ist verpflichtend.

Wasser predigen, Wein trinken

Besonders revolutionär sind diese Forderungen nicht. Alle heutigen Industrieländer, egal ob Großbritannien, die USA, Frankreich, Deutschland, Japan, Korea oder Taiwan, haben ausländische Direktinvestitionen reguliert.

Die USA diskriminierten zum Beispiel ausländische Banken, Versicherungen und Reedereien. Bankdirektoren mussten US-Bürger sein, ausländische Aktionäre hatten geringere Stimmrechte. In manchen Bundesstaaten mussten ausländische Firmen sogar höhere Steuern zahlen als einheimische und genossen überdies keinerlei Rechtsschutz.

In New York waren ausländische Banken durch ein Niederlassungsverbot lange Zeit ausgesperrt. Das sind nur ein paar Beispiele, um zu zeigen, dass die heutigen Wasserprediger (»Nichtdiskriminierung«) selbst reichlich Wein tranken.

Wie »schmerzhaft« wären denn strenge Regeln für globale Konzerne? Nicht sehr, denn die Produktionskosten für multinationale Konzerne in Billiglohnländern sind so gering, dass Investitionen selbst bei einer Verdopplung oder Verdreifachung rentabel wären.

Ein Beispiel: Eine Barbie-Puppe kostet in der EU 8 Euro. Die gesamten Produktionskosten in China betragen laut »Schwarzbuch Markenfirmen« 35 Cent (inklusive Lohnkosten und Gewinn für die Fabrik). Würden diese sich verdoppeln, würde die Barbie-Puppe statt 8 Euro 8,35 Euro kosten, nicht einmal um 5% mehr.

Nicht zuletzt aus diesem Grund sagt selbst die deregulierungsfreundliche Weltbank, dass die Regulierung/Nichtregulierung von Investitionen keinen nennenswerten Einfluss auf die Investitionsentscheidung ausübt.

Die entscheidenden Faktoren sind andere, wie Marktgröße, Infrastruktur oder ökonomische Stabilität. Die Wirtschaftskammer behauptet hingegen, dass Investitionen ausblieben, wenn Regulierung drohe; was empirisch nicht nur nicht belegbar, sondern im vorgeschlagenen Fall auch unlogisch ist: Wenn durch ein globales Abkommen überall gleich reguliert wird, wohin sollen Investoren dann ausweichen?

Das Standortschutzabkommen würde wie ein Kartell aller Standorte wirken. Nur »nice guys« erhielten eine Eintrittskarte in den Weltmarkt. Wer Hungerlöhne bezahlen, die Umwelt zerstören, Menschenrechte verletzen oder Steueroasen benützen will, hat keine Chance.

Der Wettbewerb zwischen den Unternehmen würde sich wieder auf Qualität und Preis fokussieren und nicht auf gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen: Es wäre das Ende von Lohn-, Sozial-, Steuer- und Umweltdumping.

Fazit: Ein globales Investitionsabkommen im Sinne des Standortschutzes wäre ein globalisierungspolitisches Meisterstück.

Investoren wären nach wie vor willkommen, nur müssten sie sich im Interesse der Allgemeinheit verhalten, und das nicht freiwillig (à la »Corporate Social Responsibility«), sondern verbindlich.

Investitionen würden Entwicklung auslösen und nicht ausbeuterischen Enklavencharakter haben wie in Sonderwirtschaftszonen. Das Standortschutzabkommen wäre eine stabile Leiter über die Mauer der Armut.

2. Domestizierung von Sauriern

Ein grundlegender Konstruktionsfehler des Weltmarktes besteht darin, dass man Konzernen zwar erlaubt, grenzüberschreitend zu operieren, auf der anderen Seite aber keine Spielregeln für diese neue globale »Spielwiese« (playing field) festgelegt hat. Das ist so, als würde man ein Fußballspiel anpfeifen, ohne sich vorher über die Regeln verständigt zu haben. Wird beim Fußball ein Foul nicht geahndet, macht das Spiel keinen Sinn. Am Weltmarkt dürfen hingegen in Seelenruhe Oligopole, Duopole (z. B. Suez/Veolia) oder Monopole (z. B. Microsoft) entstehen, ohne dass es ein Instrumentarium zu ihrer Verhinderung gäbe. Derzeit ist weder ein Weltkartellamt noch eine globale Fusionskontrolle in Sicht.

Bei Fortdauern des Trends werden globale Konzerne die gesamte Grundversorgung kontrollieren, von der Trinkwasserversorgung bis zum Krankenhaus und zur Altersrente.

Zusätzlich fällt folgender Widerspruch auf: Während - natürliche - öffentliche Monopole mit dem Argument zerschlagen werden, dass Wettbewerb mehr Effizienz bringe, feiern die Privaten eine Elefantenhochzeit nach der anderen, weil die Zusammenschlüsse angeblich Synergien brächten.

In der Grundversorgung und bei der Infrastruktur - Telekom, Post, Strom-, Gas- und Trinkwasserversorgung, Schienenverkehr und Rundfunk - bilden sich zusehends private Oligopole.

Bei Fortdauern des Trends werden globale Konzerne die gesamte Grundversorgung kontrollieren, von der Trinkwasserversorgung bis zum Krankenhaus und zur Altersrente.

Aber auch Schlüsselressourcen und Zukunftstechnologien bündeln sich zunehmend in den Händen einer Hand voll transnationaler Konzerne, zum Beispiel Energieträger und zentrale Informationen über das Leben.

Daher eine - zugegebenermaßen radikale - Idee: Ab einer bestimmten Größe, gemessen am Marktanteil, gehen multinationale Konzerne in das Eigentum der Allgemeinheit über. Konzerne, die diese Grenze überschreiten, werden von der UNO verwaltet und haben nicht mehr die Profitmaximierung zugunsten Privater zum Ziel, sondern Allgemeininteressen.

Im Fall von Pharmakonzernen könnte die Forschung zu Mitteln gegen Haarausfall und Potenzproblemen auf Malaria und andere »Arme-Leute-Epidemien« umgestellt werden; im Fall von Autofirmen, die Herstellung von höchstens 3-Liter-Autos oder besser die Umrüstung auf Öffi-Technologie; im Falle Microsofts die Ablöse von Windows durch das stabilere Linux. Das Internet ist der logische Kandidat für ein globales öffentliches Infrastruktur-Monopol. Und Erdöl sollte ebenfalls nicht von Privaten kontrolliert werden.

Zu diesem Szenario wird es vermutlich nie kommen, weil die Multis alles daransetzen werden, die kritische Grenze nicht zu überschreiten. Genau das wäre aber das vorrangige Ziel: eine effektive und unaufwändige Fusionskontrolle. Multis hätten einen massiven Anreiz, vor einer klaren Wachstumsgrenze Halt zu machen. Wettbewerb und der Fortbestand kleinerer Unternehmen wären garantiert.

Sollte es dennoch in Einzelfällen zur Grenzüberschreitung kommen, brauchen wir keine Angst vor neuen Herausforderungen zu haben: Ob ein rasch wechselnder Aufsichtsrat das Management von globalen Konzernen noch rascher auswechselt oder ob die UNO Betriebswirte anstellt, um globale Kolosse zu steuern, ist in punkto Nachhaltigkeit und Langfristigkeit für das Unternehmen sicher keine Verschlechterung. Warum sollen Betriebswirte nicht auch für die UNO und die Menschheit arbeiten, anstatt immer nur für Aktienbesitzer? Um die Manager für den Dienst an der Allgemeinheit zu gewinnen, könnte zusätzlich ein Global Responsibility Award für besonders gemeinnützige Unternehmen verliehen werden - anstelle der gegenwärtigen Sanktion durch den Börsenkurs.

3. Shareholder Value brechen

Womit wir beim dritten Vorschlag wären, der sich mit den Anreizstrukturen in der Führung von Großunternehmen beschäftigt. Derzeit ist das oberste Ziel globaler Aktiengesellschaften das Hypen des Börsenkurses. Damit das Management von Großkonzernen dieses zentrale Ziel der Eigentümer mit der größtmöglichen Skrupellosigkeit verfolgt, wurden in den Neunzigerjahren immer größere Gehaltsbestandteile an die Entwicklung des Aktienkurses gekoppelt. Laut Economist machten so genannte Aktienoptionen 2002 bereits 58% des Gehalts von US-Spitzenmanagern aus. Die Zahl der Stock-Options-Begünstigten hat sich in den Neunzigerjahren von einer auf zehn Millionen verzehnfacht. Schon 16,5% der Aktien von US-Großunternehmen gehören in Form von Optionen den Spitzenmanagern (Business Week). Der Mechanismus ist einfach: Die Manager sorgen für steigende Börsenkurse oder sie fliegen: Die Entlassungsrate von CEOs mit einer unbefriedigenden Performance stieg von 1995 bis 2000 um 114%.3)

Der ineffektive und destruktive Anreiz-Mechanismus »Stock-Options« muss durch einen anderen ersetzt werden.

Dafür sind die Manager, solange sie im Amt sind, beim Nehmen nicht zimperlich: Zwischen 1992 und 2001 räumten die jeweils fünf ranghöchsten Manager der 1.500 größten US-Firmen zusammen 67 Milliarden US-Dollar in Form von Stock options ab.4) Spitzenoptionär ist Philip Anschutz von Qwest, er kassierte im Mai 1999 stolze 1,9 Milliarden US-Dollar. Ihm folgen Gary Winning von Global Crossing mit 735 Millionen US-Dollar und Larry Ellison von Oracle mit 706 Millionen US-Dollar.

Was nach der großen Ausschüttung passiert, steht auf einem anderen Blatt: Der Kurs von Oracle sackte um 50% ab. Das war kein Einzelfall: Die 208 Spitzenmanager der 25 größten US-Konzerne, die zwischen Jänner 2001 und Juli 2002 Gläubigerschutz beantragten, wurden - davor - mit insgesamt 3,3 Milliarden Dollar entlohnt.5)

Und die Manager jener 1035 Unternehmen, deren Aktienkurs nach dem Platzen der Wall-Street-Blase um mindestens 75% in den Keller rasselte, marschierten mit einem Lohn von insgesamt 66 Milliarden US-Dollar nach Hause.6) Senator Carl Levin aus Michigan brachte es auf den Punkt: »An beinahe jeder Unternehmenskatastrophe, die in den letzten Jahren über uns hereingebrochen ist, waren Aktienoptionen mit Schuld.«

Fazit

Stock-Options sind weder ein Instrument für die Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Verbesserung des Betriebsklimas noch eines für die langfristige Unternehmensgesundheit. Aber Letzteres liegt schon längst nicht mehr im Interesse der Eigentümer/Investoren: Die durchschnittliche Aktie wird heutzutage keine zwölf Monate mehr gehalten. Der Aktienhandel (Sekundärmarkt) hat dem Halten (Primärmarkt) total den Rang abgelaufen, bedingt durch politische »Kapitalmarktoffensiven«, die das Wohl der Börsen mit dem Wohl der Gesamtwirtschaft und gesellschaft verwechseln.

Schlussfolgerungen

Welche Schlussfolgerungen lassen sich daraus ziehen? Wenn die Anreizmechanismen die falschen Ergebnisse zeitigen - miserables Betriebsklima, Massenkündigungen, Bilanzfälschungen, Entstehung von Börsenblasen, Destabilisierung der Finanzmärkte - dann lautet die logische Konsequenz: Der ineffektive und destruktive Anreiz-Mechanismus »Stock-Options« muss durch einen anderen ersetzt werden.

Zum Beispiel so: Stock-Options werden gesetzlich verboten wie die Fuchsjagd. Stattdessen wird eine unabhängige Behörde eingerichtet, die die Mitarbeiter/-innen-Zufriedenheit von Aktiengesellschaften erhebt und diese regelmäßig veröffentlicht. In diesem Gremium arbeiten Psychologen/-innen, Soziologen/-innen, Mediziner/-innen, Organisationsentwickler/-innen, Gewerkschafter/-innen und Konsumentenvertreter/-innen interdisziplinär zusammen, die Kriterien und Methoden der Erhebung werden ebenso dem öffentlichen Diskurs unterworfen wie die Ergebnisse.

Und die Hälfte des Gehaltes von Top-Managern wird an das Ergebnis dieser Befragung gekoppelt. Die bestverdienenden Manager sind dann nicht mehr die brutalsten Rationalisierer und Rausschmeißer, sondern diejenigen, die das beste Betriebsklima herstellen. Der Anreiz, Bilanzen zu fälschen, Menschen in Tausenderpaketen zu entlassen, obwohl das Unternehmen Gewinne schreibt, oder Fusionsfantasien zu nähren, wäre dahin. Wenn schon Anreize, dann die richtigen.

1) In der WTO gilt der »state-to-state«-Mechanismus, d. h. nur Staaten können klagen. Geschädigte Konzerne müssen ihre Regierung bemühen, eine Klage gegen den Mitgliedstaat, der gegen den Freihandel verstößt, einzureichen.
2) Ha-Joon Chang: »Kicking away the ladder - Development Strategy in Historical Perspective«, Anthem Press 2002.
3) Studie der Booz Allen Hamilton der 2500 größten AGs weltweit, Der Standard, 6. Juli 2002.
4) www.citizenworks.org
5) »The Barons of Bankruptcy« in Financial Times, 31. Juli 2002.
6) Mark Gimein, »The Greedy Bunch« in Fortune, 2. September 2002.

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