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Globaler Trend | Die Umverteilung der Hausarbeit

SCHWERPUNKT

»Perlen« aus Ecuador, der Ukraine oder Polen stellen keine Ansprüche. Um rund acht Euro die Stunde putzen und bügeln sie sich durch Österreichs Haushalte.

Flor ist eine wirkliche Perle. Die putzt nicht nur billig, sondern auch mit Liebe. Jetzt hat sie sogar die Zweitschlüssel zur Wohnung. Da kann sie abends kommen, wenn sie bei ihrer Leihfirma fertig ist und ich bei einer Sitzung bin. Es ist ein gutes Gefühl, dann müde nach Hause kommen und rein ins frischgemachte Bett.« (Zitat einer österreichischen Akademikerin.) Internationale Studien der letzten Jahre sprechen von einer »Feminisierung der Migration«. Mittlerweile emigrieren weltweit mehr Frauen als Männer. Drei Tätigkeitsfelder charakterisieren die »feminisierte« internationale Wanderbewegung: Die Gastronomie, die Unterhaltungsindustrie - wozu auch die Prostitution gehört - und die Arbeit in privaten Haushalten, die mittlerweile der größte Sektor ist. Frauen aus Osteuropa, Lateinamerika, Asien und Afrika ziehen in die westlichen Industriestaaten, um dort Arbeiten zu verrichten, die seit Jahrhunderten als weiblich gelten.

»Sie sind Teil eines globalen Trends, in dem sich feudale Vergangenheit und emanzipatorische Gegenwart vermischen«.

Cooking, Caring und Cleaning sind die »Chancen«, die sich den wandernden Frauen bieten. Nicht wenige davon sind Akademikerinnen oder haben zumindest Matura. »Sie sind Teil eines globalen Trends, in dem sich auf seltsame Weise feudale Vergangenheit und emanzipatorische Gegenwart vermischen«, kommentiert die deutsche Sozialwissenschafterin Helma Lutz. Sie forscht an der Universität Münster zum Thema »Hausarbeiterinnen im Zeitalter der Globalisierung« (www.uni-muenster.de/fgei) und stellt fest, dass Modernität durchaus archaisch geprägt sein kann. Eine Hypothese, die sich am äußerst »modernisierungsresistenten Arbeitsplatz Haushalt« deutlich bewahrheitet. Denn die Arbeit in privaten Haushalten ist, so die Sozialwissenschafterin, »nicht nur Arbeit, sondern eine besondere vergeschlechtlichte Aktivität, die emotional hochgradig mit Bedeutungen und Interpretationen darüber verbunden ist, wer wir als Männer und Frauen sind und wer wir sein wollen.«

Nach Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung beschäftigen fast vier Millionen deutsche Haushalte bezahlte Hilfskräfte - vor allem illegal. Die Statistik Österreich schätzt die illegal erbrachten haushaltsbezogenen Dienstleistungen auf rund 396 Millionen Euro im Jahr 2001. »Geht man von einem Stundenlohn von acht Euro aus und nimmt man eine durchschnittliche Jahresarbeitszeit von 273 Stunden an, errechnet sich eine Beschäftigtenanzahl von bis zu 180.000 Personen«, listet das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit auf und stellt eine Fußnote bei: »In Österreich sind in privaten Haushalten derzeit etwa 3500 unselbständige Arbeitskräfte offiziell gemeldet. Dazu kommen cirka 7000 geringfügig Beschäftigte.«

Handlungsbedarf ist also gegeben. Mit dem Dienstleistungsscheck, der seit Jahresbeginn in ausgewählten Trafiken und Postämtern erhältlich ist (siehe www.oegb.at/frauen) wurde ein Modell vorgelegt, das dem Anspruch der Regierung »ein wichtiges beschäftigungs- und sozialpolitisches Instrument« zu sein, kaum gerecht wird. Das Bekenntnis lautet: »Zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf sieht das Regierungsprogramm die Förderung des ›Unternehmens Haushalt‹ vor.« (BMWA vom 29. März 2005, siehe die Homepage). Die Bundesarbeitskammer begrüßt grundsätzlich »das Ziel, die unangemeldete Beschäftigung in Privathaushalten einzudämmen und den dort Beschäftigten zu einem legalen Arbeitsverhältnis mit dem damit verbundenen sozialrechtlichen Schutz zu verhelfen.« Mit dem Dienstleistungsscheck würden die betroffenen Arbeitnehmerinnen allerdings von wichtigen arbeitsrechtlichen Standards ausgeschlossen. Sie müssen höhere Beiträge in die Sozialversicherung leisten als andere Dienstnehmer, werden aber bei der Krankenversicherung schlechter gestellt. (Siehe A&W Feber 2006, Seite 30.)

Flexibilität und Mobilität gefordert

Das Problem geht aber noch tiefer. Es geht um das »Unternehmen Haushalt«, das durch »Förderungsbestrebungen« der oben zitierten Art die Hausarbeit dort belässt, wo sie seit voremanzipatorischen Zeiten hinzugehören hat: in weibliche Hände. Alternative Modelle zur Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen scheitern am großen Einkommensunterschied, die durch geschlechtsspezifische Berufswahl fortgesetzt wird. Auch die Arbeitsmarktstrukturen bieten Männern in höheren und mittleren Berufen bessere Karrierechancen. Dazu kommen zahlreiche strukturelle Ursachen, an denen die Umverteilung zwischen den Geschlechtern scheitert. Zunehmend wird von ArbeitnehmerInnen Flexibilität und Mobilität gefordert, die sich nicht mit der Betreuung von Kindern, Alten und Pflegebedürftigen verbinden lässt.

Trotz aller Rhetorik und tatsächlich erfolgten Bemühungen gibt es die Gleichverteilung von Haus-, Pflege- und Versorgungsarbeit nicht. Die deutsche Sozialwissenschafterin Marianne Friese geht davon aus, dass »die Reaktion auf diese nicht stattgefundene Gleichverteilung der Reproduktionsarbeit ein neues Geschlechterarrangement darstellt, bei dem der weibliche Part des Arrangements in weiblichen Händen bleibt«. Nicht in den eigenen, sondern in denen einer - ethnisch und sozial - anderen Frau. Mit dem Dossier »Deutschlands neue Dienstmädchen«, das am 19. August 2004 in der Hamburger Wochenzeitung »Die Zeit« erschien, wurde die öffentliche Diskussion um das »Phänomen Putzfrau« neuerlich belebt. Die Tätigkeit des Saubermachens privater Haushalte hat durchaus öffentlichen Charakter. Helma Lutz: »Es geht um den Zusammenhang zwischen internationalem Arbeitsmarkt, dem Arbeitplatz Privathaushalt, um Illegalität und transnationale Migration.«

Die Umverteilung von Hausarbeit auf eine andere Frau ist weitgehend akzeptiert, kommentiert Helma Lutz in ihrem Aufsatz »Der Privathaushalt als Weltmarkt für weibliche Arbeitskräfte«, »weil sie in der Logik des Doing-Gender verbleibt, keine Irritation hervorruft und gängige Identitätsmuster nicht in Frage stellt.« Ein neuer Weltmarkt »Hausarbeit« ist entstanden, bei dem Arme wieder Reichen dienen. Die Philippinen exportieren Arbeitskräfte wie andere Länder Kaffee oder Kakao. 70 Prozent der Auswanderer sind Frauen. In Singapur, Taiwan, Saudi-Arabien, Kuwait und Hongkong haben die Behörden mit Entwicklungsländern wie den Philippinen eine Art Freihandelsabkommen. Es lautet: Ihr schickt uns Dienstmädchen, wir geben ihnen Geld und Arbeitserlaubnis. Seitdem ist die Hausarbeit dem Kapital gleichgestellt. Sie zieht frei und legal von Land zu Land …

Ungeschützter Markt

Aus dem Pflege- und Versorgungsbedarf der westlichen Industriestaaten hat sich ein ungeschützter Arbeitsmarkt entwickelt, der sich von anderen durch seinen Charakter und die Entlohnung unterscheidet. Die irreguläre Beschäftigung ist ein wesentliches Merkmal des Haushaltssektors. In ihrem Buch »die weibliche Seite der Globalisierung« stellen die Wissenschafterinnen Barbara Ehrenreich und Arlie Russel Hochschild in allen OECD-Ländern eine vergleichbare Entwicklung fest. Besonders gut ausgebildete Frauen würden die Länder der »Dritten Welt« verlassen, um sich in OECD-Ländern als Haushaltsarbeiterinnen zu verdingen. So würden ambitionierte und unabhängige Frauen der Welt zusammengebracht. »Es führt sie allerdings nicht so zusammen, wie sich dies die Feministinnen in den reichen Ländern der Welt einmal vorgestellt hatten - als Schwestern und Verbündete für gemeinsame Ziele kämpfend. Stattdessen kommen sie als Herrin und Dienstmädchen zusammen, als Arbeitgeberin und Arbeitnehmerin, von einander getrennt durch Privilegien und Chancen.«

»Meiner Putzfrau gegenüber war ich am Anfang ziemlich unterwürfig«, berichtet die studierte Ethnologin Martha1). aus Salzburg, die früher in Lateinamerika und Afrika völkerkundliche Studien unternommen hatte und nunmehr als akademische Hilfskraft im Sozialbereich tätig ist. Derzeit absolviert sie ihr zweites Studium, in der Hoffnung irgendwann eine Arbeit zu finden, bei der sie weder unterfordert noch unterbezahlt ist. Zeit hat sie keine, dafür schlechtes Gewissen gegenüber Rosa1), der »Frau, die mir beim Aufräumen hilft«. Diese bekommt acht Euro die Stunde, Martha S. verdient nur wenig mehr.

Private Gefühle

Zunehmend outen Kommentatoren ihre privatesten Gefühle gegenüber ihren Putzfrauen. Männer umgehen das Dilemma eher, indem sie auf Distanz gehen. »Warum eigentlich beschäftigen so viele Frauen eine Putzfrau?«, fragt sich Michael Allmeier in seinem Beitrag »Herrin im Haus: Warum wir so freundlich zu unserer Putzfrau sind.« (Die Zeit, 18. 03. 2004). Die Arbeit sei weder sonderlich anspruchsvoll noch allzu beschwerlich. »Trotzdem gibt mancher mehr dafür aus, als er selbst in der Stunde verdient.« Dies ist zwar bei einem Stundenlohn von rund acht Euro doch eher selten der Fall. Aber die »Perlen« sollen möglichst unauffällig in Erscheinung treten. Es scheint angenehm, dass eine Putzfrau »möglichst wenig mit uns gemein hat. Sprachbarrieren sind willkommen. Altersunterschiede auch. Anders gelagerte Interessen setzt man voraus. Wir wollen keine Studentin, die in sich hineinlacht, während sie unsere gesammelten Buchclubklassiker abstaubt. Wir wollen eine Putzfrau, die von unserem Leben möglichst wenig mitbekommt und darüber mit niemanden, der uns kennen könnte, spricht.« Auch eine Lösung.

Manche Männer suchen die Putzfrau ihres Lebens am Heiratsmarkt. Der Gänserndorfer Peter P.1) etwa fuhr zu dem Zweck »hinunter auf die Dominikanische Republik«, wie es sein Nachbar auch getan hatte. Zu Beginn war es »eine Super-Ehe. Alles pico bello, die unsrigen sind sich zum Putzen ja zu schade«, gibt er bei der Scheidungsverhandlung zwei Jahre später zu Protokoll. Dann habe »sie« Kontakt mit den Frauen einer Beratungsstelle bekommen, die ihr den Kopf verdreht hätten. Ab diesem Zeitpunkt hättte es keine sorgfältig gebügelte Bettwäsche, kein spezielles Diätessen mehr gegeben.

Und das, obwohl Herr P. Diabetiker ist. Die Ehe wird aufgrund der unheilbaren Zerrüttung und Unvereinbarkeit der Charaktere aufgelöst. Die geschiedene Frau P. fährt mit dem Bus zu ihrer Schwester, ihrerseits verheiratet mit einem Österreicher, der seinen Urlaub »unten« verbracht hatte. Peter P. braust grußlos mit dem Auto davon. Ein Ausnahmefall, vielleicht. Wer sich nach getaner Erwerbsarbeit in das von fremder Hand frisch gemachte Bett legen kann, ist privilegiert. Und wenn das Privileg der österreichischen Arbeitgeberin der lateinamerikanischen Putzfrau auch nur ist, ihrerseits frei für ihren Arbeitgeber zu sein.

Flor wiederum überweist monatlich 200 Euro nach Hause in Ecuador: Als kleinen Zuschuss an ihre Mutter, die den Enkel hütet.

Gabriele Müller

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