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Die Zukunft der AUVA

HINTERGRUND

Die Arbeitsunfälle sinken. 2005 bilanziert die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) erstmals nicht positiv. Teile der Wirtschaft verlangen daher Ausgliederungen oder Privatisierungen. Wie steht es um die Zukunft der AUVA? Das »ZBR-Zukunftskonzept zum AUVA 4-Säulen-System« weist einen Ausweg.

Seit Jahren wird bei der sozialen Krankenversicherung die Ersetzung der gesetzlichen Pflichtversicherung durch eine private Versicherungspflicht gefordert. Nun wird auch die AUVA als Defizitbringer hingestellt und es werden Privatisierungspläne gewälzt.

Bei den Krankenkassen diente als Begründung deren Dauerdefizit, das 2006 auf voraussichtlich 283 Millionen und 2007 auf über 400 Millionen Euro ansteigen soll1). Was nie dazu gesagt wird ist der Umstand, dass dieser finanzielle Aderlass darauf zurückzuführen ist, dass den Kassen seit Jahren die erforderlichen zusätzlichen Mittel vorenthalten werden, während Arzthonorare, Medikament- und Spitalskosten steigen - und bezahlt werden.

Keine Ausweichmöglichkeit

Weder erhalten die Kassen einen Ersatz für die Einnahmenverluste aufgrund der ständig steigenden Arbeitslosigkeit (diesen Winter bei über 380.000 Menschen), noch dürfen sie auf andere Finanzierungsquellen wie eine Verbreiterung der Beitragsgrundlage auf die reale Wertschöpfung der Wirtschaft (z. B. Gewinne, Abschreibungen, Einkünfte aus Verpachtung und Vermietung usw.) ausweichen2).

Stattdessen werden weitere gesunde Bereiche der Sozialversicherung in diese Art von Gesundheitspolitik hineingezogen. Um das nicht selbstverschuldete »Defizit« der Krankenkassen3) abzudecken oder zu reduzieren, wurden zuletzt im Vorjahr 100 Millionen Euro von der AUVA zu den Kassen umgeleitet. Damit schrieb die AUVA 2005 erstmals ein Minus.

So wird eine unausweichliche Situation konstruiert, in der dann Privatisierungsrufe in der Öffentlichkeit auf fruchtbaren Boden fallen sollen. Nach der gesetzlichen Krankenversicherung erscheint nun auch die Unfallversicherung mit ihren Unfallkrankenhäusern (UKH) und Rehabiltationszentren (RZ) als Defizitbringer.

Der Unfallversicherungsbeitrag beträgt derzeit 1,4 Prozent bis zur Höchstbeitragsgrundlage. Zwischen 1964 und 2005 wurden aus dem Budget der AUVA von den verschiedenen Regierungen insgesamt 899,4 Millionen Euro entnommen. Seit dem Jahr 2000 wurden der AUVA zusätzliche Leistungen und Aufgaben abverlangt, die ihre finanziellen Kapazitäten mittlerweile übersteigen: Übertragung der Entgeltfortzahlung zu 50 Prozent nach Freizeitunfällen für Unternehmen mit weniger als 51 Beschäftigten. Dies kommt einer Beitragssenkung auf 1,3 Prozent gleich.

Seit Jänner 2005 muss die AUVA auch die Entgelfortzahlung im Krankheitsfall ab dem 11. Krankenstandstag zu 50 Prozent übernehmen. Dies macht laut AUVA-Geschäftsführung eine weitere Beitragssenkung auf 1,2 Prozent aus.

Im September 2005 musste die AUVA schließlich aus ihren Rücklagen die oben bereits angeführten 100 Millionen Euro in den Ausgleichsfonds der Krankenkassen überweisen. Verschärfend kommt die mangelnde Kostenwahrheit für die AUVA-Einrichtungen hinzu. Das heißt die AUVA bekommt die Kosten für Fremdpatienten im Sinne des leistungsorientierten Krankenhausfinanzierungssystems (LKF) wie es für alle anderen Krankenanstalten üblich ist nicht adäquat ersetzt und muss überdies für Arbeitsunfälle, die nicht in AUVA-Einrichtungen behandelt werden, einen überhöhten Pauschalbeitrag leisten. Die jährlichen Kosten dafür beziffert die AUVA mit deutlich über 100 Millionen Euro.4)

I N F O R M A T I O N

AUVA - Gesundheit statt Gewinn

Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) ist als Non-Profit Unternehmen nicht auf Gewinn ausgerichtet und wird vom Rechnungshof überprüft. Der Fokus liegt am optimalen Einsatz der Mittel für die Gesundheit der Versicherten. Nur sieben Prozent der Aufwendungen fließen in die eigene Verwaltung, der Rest der Mittel kommt den Versicherten zugute. Jährliche Überschüsse, die wieder in das Sozialversicherungssystem eingebracht oder dem Staatshaushalt zugeführt werden, bilden die Regel. Von den rund 5000 Mitarbeitern der AUVA sind 73 Prozent in Heilstätten, 19 Prozent in Kundendienststellen (Unfallverhütung, Leistungen, Sicherheits- und Sozialberatung, etc.) und rund acht Prozent im Servicebereich tätig. In der AUVA sind 2,65 Millionen unselbständig Erwerbstätige, 350.000 Selbständige und 1,3 Millionen Schüler und Studenten versichert.

Die AUVA wird bewusst ins finanzielle »AUS« manövriert, zeigt sich daher der Vorsitzende des AUVA-Zentralbetriebsrats, Wolfgang Gratzer, empört: »Jetzt werden Beiträge direkt an die Unternehmer zurückgeleitet. Und ist die AUVA erst einmal nicht mehr liquid - dieses Szenario wird für 2008 prognostiziert - wird jeder ›vernünftige‹ Mensch einsehen, dass man das kranke Unternehmen von Grund auf sanieren muss und somit einen Vorwand zur Privatisierung der UKH’s hat.«

Dass das finanzielle Desaster politisch beabsichtigt und gezielt herbeigeführt wurde, wird dann weitgehend vergessen und als Lüge abgetan werden. Nachdem die im Regierungsübereinkommen festgelegte Filetierung der AUVA zwar nicht umgesetzt wurde, bewirken nun diese Maßnahmen bereits mittelfristig eine Aushöhlung der Unfallversicherung in ihrer heutigen Form und gefährden somit einen wesentlichen Teil der österreichischen Gesundheitsversorgung«.5)

Nachhaltige Maßnahmen gefordert

Statt herumzudoktern und Millionen von einem Sozialversicherungsträger zum anderen herumzuschieben, sollte man nachhaltige und vorbeugende Maßnahmen setzen. Dabei warteten die BelegschaftsvertreterInnen aufgrund der Erfahrungen der letzen Jahre nicht auf Segnungen von oben, sondern schritten gemeinsam in Abstimmung und Kooperation mit AUVA, ÖGB, AK, GPA und den anderen Sozialversicherungsträgern und auf der Grundlage des von ÖGB und AK beschlossenen Programms »AUVA-PLUS«6), selbst zur Tat. Es entstand das »ZBR-Zukunftskonzept zum AUVA 4-Säulen-System«.

Die AUVA ist kein Selbstzweck. Sie ist zur Vermeidung und Reduktion von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ins Leben gerufen worden. Ihre Arbeit beruht auf den vier Säulen Prävention, Unfallheilbehandlung, Rehabilitation und Berentung. Während laut ILO (International Labor Organisation) und WHO (World Health Organisation) weltweit die Anzahl der Arbeitsunfälle steigt, ist sie in Österreich kontinuierlich rückläufig - in den letzen zehn Jahren um mehr als 30 Prozent. Das ist eine jährliche Kostenersparnis von rund 600 Millionen Euro durch Arbeitsunfallprävention, für die jährlich bloß ein Zwölftel (50 Millionen Euro) ausgegeben werden!

Ebenso erfolgreich ist die AUVA bei der Bekämpfung der Berufskrankheiten. Keinen gesetzlichen Präventionsauftrag hat die AUVA derzeit bei arbeitsbedingten Erkrankungen. Prävention erfolgt hier mangels klaren Gesetzesauftrags bisher nur im Rahmen der arbeitsmedizinischen Beratungen durch AUVASICHER.

Die Erfolgsgeschichte der AUVA, der Rückgang der Unfälle und damit der Behandlungen in den UKH, nehmen nun Teile der Wirtschaft zum Anlass, die Herauslösung der UKH aus der AUVA zu verlangen. Während - im Gegensatz zu Deutschland wo diesbezügliche Maßnahmen gesetzt werden - in Österreich immer mehr Arbeitsunfallopfer in allgemeinen Krankenhäusern behandelt werden und damit immer mehr Menschen nicht in den Genuss der Betreuung durch dafür spezialisierte Einrichtungen kommen, haben gleichzeitig private Krankenhausbetreiber ein steigendes Interesse an den UKH, um die unbestrittene Spitzenmedizin profitsteigernd für ihr privates Klientel zu nutzen. Während also bislang jeder unabhängig von Einkommen Spitzenmedizin erhält, laufen diese Pläne darauf hinaus, dass Spitzenmedizin nur mehr für Spitzenverdiener zur Verfügung stehen soll.

Daher ist die Hauptforderung der AUVA-Belegschaftsvertreter, die AUVA mit ihren UKH und RZ nicht nur voll und ganz zu erhalten und auszubauen, sondern auch um den bisher vernachlässigten Bereich der Prävention arbeitsbedingter Gesundheitsgefährdungen und Erkrankungen zu erweitern: »Ein aktiv betriebener Arbeits- und Gesundheitsschutz reduziert nicht nur Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Erkrankungen, sondern auch Fehlzeiten und Betriebsstörungen und steigert damit die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen«, weiß der Präventionsexperte der AKNÖ, Christoph Lechner, der das »ZBR-Zukunftskonzept« fachlich begleitet und betreut hat.

Koordinierte Unfallprävention

Erforderlich ist nach ZBRV Wolfgang Gratzer ein umfassendes Präventionsgesetz, ein gesetzlicher Auftrag an die AUVA, die Unfallprävention insgesamt zu koordinieren und als Kompetenzzentrum mit seinen Einrichtungen (UKH und RZ) zu unterstützen. Dazu bedarf es einiger Voraussetzungen: Der Beitrag zu Unfallversicherung von 1,4 Prozent muss erhalten bleiben. Erfolgte stille Beitragssenkungen müssen rückgängig gemacht und Rücklagen dürfen nicht zweckentfremdet abgezweigt werden.

Da arbeitsbedingte Erkrankungen nach dem Verursacherprinzip den Arbeitgebern zuzuordnen und 50 Prozent des gesamten Krankheitsgeschehens arbeits(mit)bedingt sind, soll die AUVA vom Gesetzgeber die Prävention von arbeits- und berufsbedingten Erkrankungen übertragen bekommen und dieses Gesundheitsziel auch in die Unternehmensziele der Betriebe aufgenommen werden. Gleichzeitig wäre das Aufgabengebiet der AUVA auf Freizeitunfälle auszuweiten. Für diese zusätzlichen Präventionsaufgaben soll das derzeit dafür vorgesehene Jahresbudget von 50 Millionen (fünf Prozent) auf 100 Millionen Euro angehoben werden. Christoph Lechner weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dies bereits jetzt gemäß den erläuternden Bemerkungen im ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) zur bisherigen gesetzlichen Präventionsarbeit der AUVA grundsätzlich vorgesehen ist.

Schon jetzt sind die 50 Präventionsmillionen jährlich gut investiert, bringen sie doch das 12-fache an Kostenersparnis durch Reduktion von Arbeitsunfällen (600 Millionen Euro jährlich). Dieser Umstand beweist auch, dass die AUVA bereits bewiesen hat, dass sie in der Prävention glaubwürdig und kompetent agieren kann.

Wie groß der wirtschaftliche Nutzen durch ein umfassendes Präventionsgesetz in Zukunft wäre, zeigen allein die Berechnungen des Instituts für Höhere Studien (IHS) über den ökonomischen Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung. Danach macht das Einsparpotenzial durch Prävention und Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt jährlich bis zu 3,6 Milliarden Euro aus. Der Hauptteil dieser Effekte wird durch die erwartete sinkende Anzahl an Neuzugängen zur Erwerbsunfähigkeitspension mit 1,4 Milliarden Euro an vermiedenem Produktionsausfall angegeben. Der zweithöchste Posten ist jener der vermiedenen Krankenstandskosten auf gesamtwirtschaftlicher Ebene mit Einsparungen bis zu maximal 1,04 Milliarden Euro.7)

Drängende Problematik

Wie drängend die Problematik ist zeigt die Statistik: Allein von 2003 auf 2004 stieg die Zahl der Neuzugänge bei den Invaliditätspensionen um fast 50 Prozent von knapp 22.600 auf 33.700 Menschen an.8) Selbst die Pensionsreformkommission der Bundesregierung kommt zu dem Schluss, dass ca. ein Drittel der Invaliditätspensionen durch Prävention vermeidbar wäre.

Neben den derzeit rund 100.000 Arbeitsunfällen im Jahr vor - 20 Jahren waren es noch doppelt so viele - sind noch 733.000 Verkehrs-, Haushalts- und Freizeitunfälle für eine wirksame Prävention von Bedeutung. Könnte die AUVA auch in diesen Aufgabengebieten präventiv tätig werden, ergäbe das einen ungemeinen volks- und betriebswirtschaftlichen Nutzen: So ereigneten sich in Österreich 2004 in Summe 833.000 Unfälle mit Folgekosten von rund sechs Milliarden Euro, weiß Christoph Lechner.

Das 4-Säulen-Prinzip

Das 4-Säulen-Prinzip (Prävention, Unfallheilbehandlung, Rehabilitation, Berentung) »Alles aus einer Hand« ist nach dem Konzept des AUVA-Zentralbetriebsrates dadurch zu festigen und auszubauen, dass die AUVA in Zukunft der einzige Unfallversicherungsträger in Österreich wird, dass die AUVA auch in Zukunft ihre eigenen Einrichtungen (UKH, RZ) mit eigenem Personal führen kann, Kostenwahrheit nicht nur für die allgemeinen Krankenhäuser, sondern auch für die AUVA-Einrichtungen Geltung hat und die Rentenleistungen der AUVA bei dieser verbleiben und nicht auf die Pensionsversicherung (PV) übertragen werden. Dies wäre nämlich nicht nur unsozial (Arbeitsunsfälle geschehen ja im Unternehmen) und bürokratischer, sondern würde auch der wirtschaftlichen Motivation der Unternehmen, diese Zahlungen nach Möglichkeit zu verhindern, widersprechen.9)

I N F O R M A T I O N

Zu teure Unfallversicherung?

Derzeit macht der Beitrag zur Unfallversicherung 1,4 Prozent aus. Damit liegen die österreichischen Unternehmer weltweit sensationell gut. So liegen etwa in Kalifornien die Unfallversicherungsprämien bei sechs Prozent der Lohsumme, in Belgien für Arbeiter bei vier Prozent. Und in Neuseeland musste die Privatisierung der Unfallversicherung nach einem Jahr wieder rückgängig gemacht werden, weil Proteste wegen der hohen Beiträge und Betriebsabwanderungen die Folge waren. Zudem kommt, dass private Versicherungen keine Ablöse der Unternehmerhaftung übernehmen, was, wie z. B. in den USA, aber auch schon im EU-Raum üblich, regelmäßig zu kostspieligen Schadenersatzklagen führt.

Die organisatorischen und personellen Ressourcen für eine schnelle und kompetente Umsetzung einer solchen ganzheitlichen Gesundheitspolitik wären schon jetzt vorhanden.10) Warum bearbeitet dann die AUVA nicht schon längst diesen Zukunftsbereich? »Weil der politische Wille bisher dazu fehlte. Die Kleingewerbetreibenden hoffen, dass die Erkrankung von Arbeitnehmern nicht bei ihnen passiert. Die Großindustrie wiederum zahlt lieber die Reparatur, solange die Krankenversicherung (70 Prozent) und die Pensionsversicherung, also überwiegend die Arbeitnehmer selbst, die Folgen einer Erwerbsunfähigkeit bezahlen und schieben daher in der AUVA, wo die Unternehmen 100 Prozent für die Prävention bezahlen, die Fälle in die Kranken- und Pensionsversicherung ab.

Dieser gordische Knoten kann und muss mit einem umfassenden Präventionsgesetz durchschlagen werden. Für diese Aufgabe(n) müsste man die AUVA, wenn es sie nicht schon gäbe, neu erfinden«, so der AK-Präventionsexperte Christoph Lechner.

1) Prognose des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, lt. Die Presse, 5/6. Jänner 2005
2) Wilfried Leisch: Kranke Gesundheitspolitik, Arbeit&Wirtschaft 12/04, S. 12-16
3) Wilfried Leisch: Kein Geld für die Kassen? Arbeit&Wirtschaft 6/04, S. 14-15
4) ZBR-Zukunftskonzept zum AUVA 4-Säulensystem, November 2005, S. 3
5) AUVA-ZBRV Wolfgang Gratzer, Dezember 2005
6) Offensivkonzept AUVA PLUS, Arbeitsgruppe ÖGB/AK, 2. 4. 2003
7) IHS: Ökonomischer Nutzen Betrieblicher Gesundheitsförderung, Endbericht, Studie im Auftrag des Bundeskanzleramtes, Sektion Sport, Mai 2004
8) ÖGB infoGRAFIK, ÖGB-Nachrichtendienst Nr. 3237/2005
9) 24-Punkte Programm des AUVA-ZBR zur Zukunft der AUVA
10) Wilfried Leisch: Arbeiten bis zum Umfallen? Arbeit&Wirtschaft 6/05, S. 32-36

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