topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/

Glück und Geld ...

DISKUSSION

In den Medien und in unserer Alltagswirklichkeit wird uns andauernd, tagtäglich aufs Neue, eine handfeste Geschichte erzählt, sie heißt: Mehr Einkommen = bessere Konsummöglichkeiten = mehr persönliches Glück, oder zumindest höhere Lebenszufriedenheit. Wie sieht es damit jedoch wirklich aus?

Wir leben längst in einem markt-getriebenen System. Wirtschaftlicher Erfolg ist das Höchste, das ein Manager oder Politiker anstrebt. Die vielen Fusionen von Unternehmen, über die das Fernsehen und die Zeitungen ausführlich berichten, belegen das ja deutlich genug.

Psychischer Kapitalismus

Größer ist da immer gleich besser. Und: Nur die Besseren, Größeren überleben. Diese Botschaften werden uns jeden Tag von manchen Hochlohn- und vielen Niedriglohn-Journalisten andauernd ins Gehirn geschossen. Die Hochlohn-Journalisten dürfen sich »Edelfedern« nennen, auch wenn sie intellektuell mitunter ziemlich marod sind, und die vielen Niedriglohn-Journalisten (Medien-Präkariat) möchten gern Edelfedern werden.

So sind sie, die Medien, heute. Und wir alle sind ja nicht viel anders. Der neue Jeep (SUV heißt das, »Sport Utility Vehicle«, wie das die Nordamerikaner nennen) des Nachbarn beeindruckt, ebenso die Urlaubsreise von Kollegen nach Kuba, Australien oder wohin auch immer. »Ach, die haben es schön.« Glückliche Menschen, die sich mit links die vielen lebenswerten Belohnungen leisten können. Beneidenswert. Stimmts? Mehr Anstrengung, mehr Arbeit, mehr Identifikation mit dem Arbeitgeber, intensiver Wettbewerb mit den Kollegen und Kolleginnen, die eher Mitbewerber geworden sind, rempeln, kämpfen - und dann wird alles besser. Auch das lernen wir mit und von den Medien und sehen es oft am Arbeitsplatz, und zunehmend auch in der Freizeit.

Allerdings ...

Die Wirklichkeit für die mehr als sechs Milliarden Menschen auf diesem unseren Planeten sieht anders aus. Persönliches Glück und Zufriedenheit hat nichts mehr mit Geld oder Konsummöglichkeiten zu tun - aber das ist schon auch ganz wichtig: Ist man mit seinen finanziellen Verhältnissen deutlich über der Armutsgrenze? Ganz andere Dinge sind für das kleine persönliche Glück in diesem unserem zeitbegrenzten Leben wichtig. Etwa: Stabile Arbeitsverhältnisse, gelungene familiäre Beziehungen, Freunde, Vertrauen in die Regierung, langsame Veränderungen, auf die man sich problemlos einstellen kann (Richard Layard: Die glückliche Gesellschaft. Kurswechsel für Politik und Wirtschaft. Frankfurt 2005).

Glücksforschung

Das was Layard in seinem Buch »Die glückliche Gesellschaft« zusammengefaßt hat, ist aber gar nicht so neu. Von der Öffentlichkeit (also in erster Linie den Medien) relativ unbemerkt hat Ruut Veenhofen in Holland seit vielen Jahren eine weltweite Datenbank des persönlichen Glücks, der persönlichen Lebenszufriedenheit aufgebaut. (Ruut Veenhoven: World Database of Happiness, Erasmus University Rotterdam)

www1.eur.nl/fsw/happiness/index.html

Das weltweit gültige Ergebnis: Ist man über die Armutsgrenze hinausgekommen, dann gibt es keinen Zusammenhang zwischen persönlichem Zufriedenheitsgefühl und Geld, sprich: Einkommen und Konsummöglichkeiten.1) 

Wertelagen

Ein dritter renommierter Forscher kommt zum gleichen Ergebnis. Roland Inglehart, der seit rund vierzig Jahren die Wertelagen der Nordamerikaner und Europäer untersucht und durch seine Postmaterialismusthese in Wissenschaftskreisen zeitweise recht umstritten war. Aber wer bitte, der nicht allseits runde, sanfte schmusehafte Geschichten erzählt, ist nicht umstritten? Inglehart weist an- hand einer weltweiten Befragung von hunderttausenden Menschen nach, dass ab einer gewissen Einkommensschwelle Geld und persönliches Glück nicht mehr viel miteinander zu tun haben (www.worldvaluessurvey.org). Die Datensätze sind öffentlich zugänglich und wer mag und ein bisschen über statistische Kenntnisse verfügt, kann das auch selbst überprüfen.

Die hässliche Seite

Die hässliche Seite ist auch markt- und mediengetrieben. Jeder achte Österreicher, Frauen betrifft es noch ein bisschen mehr, ist armutsgefährdet. Das ist ein Skandal sondergleichen. In einem der wohlhabendsten Ländern der Welt wird ein Achtel (jeder Achte, der an Ihnen vorübergeht) ausgegrenzt, er oder sie wird um Zufriedenheitschancen gebracht, allein und ausgegrenzt gelassen. Ein Mindestmaß an Konsummöglichkeiten gehört nämlich dazu, um an der Gesellschaft teilzuhaben.

Dazu kommt, dass die Statistik hier nur einen Teil der Wahrheit ans Licht bringt. Diese statistische Armutsgefährdungsgrenze ist relativ willkürlich EUweit bei 60 Prozent des Median-Äquivalenzeinkommens rechnerisch eingezogen worden - persönliche Umstände spielen hier gar keine Rolle mehr. Realistischer wäre eine Grenzziehung bei 70 Prozent, dann wäre es aber schon jeder Fünfte in diesem Land.

Und: Armut sieht man nicht, oder man will sie - Stichwort: markt- und mediengetriebener Konsumwettbewerb - oft auch gar nicht sehen.

Lösungen

Lösungen gäbe es. Unverständlicherweise hat sich hier die sozialdemokratische Seite der Parteienlandschaft darum herumgedrückt. Vielleicht weil die Lösung vor rund 30 Jahren von fortschrittlicher katholischer Seite eingeworfen wurde (Anmerkung: der Autor dieser Zeilen ist Atheist).

Nämlich ein bedingungsloses Grundeinkommen für jeden Menschen und zwar in einer Höhe über der Armutsgrenze. Das Drumherum ist längst ausdiskutiert, für die meisten bliebe genug an Erwerbsarbeit und Berufsarbeitsbereitschaft.

Ein solches Grundeinkommen (in der deutschen Diskussion heißt es auch manchmal Bürgergeld) wäre die Armutsbekämpfungsmaßnahme schlechthin und ein Anreiz für eine Neuorientierung des Arbeitsmarktes. Es wäre eine erste Säule der sozialen Sicherung, eine erwerbsarbeitsorientierte Rente im Umlageverfahren wäre eine zweite Säule und betriebliche Pensionskassen eine dritte. Da kapitalgedeckt, dann wohl auch etwas unsichere Variante.

 

1) Geoffrey Miller: Social Policy Implications of the New Happiness Research, www.edge.org/3rd_culture/story/86.html

Artikel weiterempfehlen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum