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Wolfgang Katzian Wolfgang Katzian

Zeit zum Leben, Lernen, Regenerieren …

Meinung

… bleibt für alle, wenn wir die Arbeitszeit auf maximal 40 Stunden pro Woche, 40 Wochen im Jahr und 40 Jahre im Leben beschränken.

Wenn wir wollen, dass die Menschen länger berufstätig und dabei gesund, leistungsfähig, motiviert und kreativ bleiben, dann müssen die Arbeitsbiografien in Zukunft völlig anders aussehen. Dann brauchen die ArbeitnehmerInnen längere Auszeiten, die sie für Weiterbildung, Regeneration oder familiäre Aufgaben nutzen können. Dann muss das für alle erreichbar und nicht wie derzeit vom Goodwill der ArbeitgeberInnen abhängig sein.

Im Sinne von mehr Work-Life-Balance habe ich bei der Vorbereitung auf die Wirtschaftsgespräche beim Europäischen Forum Alpbach ein neues unkonventionelles Arbeitszeitmodell zur Diskussion gestellt. Die Wirtschaftsgespräche standen unter dem Motto: Perspektive 2020 - Nie wieder Vollbeschäftigung? Das Modell mit der plakativen Formel "40 - 40 - 40" sieht vor, dass die Menschen in ihrem Leben 40 Jahre, pro Jahr 40 Wochen und pro Woche maximal 40 Stunden (einschließlich Mehr- und Überstunden) arbeiten. Wenig überraschend hat dieser Vorschlag genau den Nerv der Zeit getroffen. Dies zeigte sich im großen Medienecho und an den positiven Kommentaren vieler Mitglieder und FunktionärInnen ebenso, wie an den nervösen Reaktionen aus Teilen der Wirtschaft, die sofort versuchten den Vorschlag ins Reich der Träume zu verbannen.

Tatsache ist, dass wir uns in einer höchst unbefriedigenden Situation befinden, die rasches Handeln notwendig macht: Denn es kann doch nicht sein, dass die Produktivität immer mehr steigt, die Unternehmen immer größere Gewinne verbuchen und gleichzeitig immer mehr Menschen durch ihre Arbeit ausgebrannt und arbeitsunfähig werden. Die Zahl der Invaliditätspensionen erreichte heuer im Juni mit fast 430.000 den höchsten Wert aller Zeiten. Obwohl die Lebenserwartung kontinuierlich steigt, waren 2006 gerade einmal 35,5 Prozent der Menschen zwischen 55 und 64 erwerbstätig. Schon jetzt liegen wir damit deutlich unter dem Schnitt der EU-15 von 45,3 Prozent.
Kein Ausweg aus dieser Sackgasse ist der Vorschlag der Industrie, das gesetzliche Pensionsalter auf 67 Jahre zu erhöhen. Wie die Pensionskürzungsreformen der vergangenen Regierungen würde das am faktischen Pensionsalter nichts ändern. Wir sollten uns hüten, uns immer mehr derselben wirkungslosen Medizin zu verordnen und lieber offen sein für die Diskussion über grundlegend neue Ideen.

Das Modell "40 - 40 - 40" wäre eine solche Idee, weil es bei den Wurzeln des Problems ansetzt:
In einer Wissensgesellschaft, in der die Menschen immer später in den Arbeitsalltag einsteigen und daher bis jenseits der 60 Jahre arbeiten sollen, können sie nicht alle Pläne auf die Zeit der Pension verschieben. Schon während des Berufslebens muss es möglich sein, Leben und Beruf in Einklang zu bringen. Es geht dabei nicht um eine bloße Verlängerung des Urlaubes, sondern um gezielte Handlungen, die eine längere aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.

Durch das Mehr an Freizeit könnten die ArbeitnehmerInnen nachhaltig an der steigenden Produktivität und den wachsenden Unternehmensgewinnen beteiligt werden. Konkret würde die Normalarbeitszeit pro Jahr je Beschäftigtem um knapp zehn Prozent reduziert. Zum Vergleich: Die reale Wertschöpfung hat allein in den fünf Jahren von 2001 bis 2006 um zehn Prozent zugenommen.
Durch Umverteilung der Arbeit würden mehr Personen Arbeit finden. Wenn man pro Jahr drei Monate nicht im Betrieb ist, kann dies nicht über Verdichtung der Arbeit, sondern nur über zusätzliche MitarbeiterInnen kompensiert werden. Längere Regenerationszeiten würden die Krankenstände und die Zahl der krankheitsbedingten Pensionen deutlich reduzieren. Das wiederum würde die Pensions- und Arbeitslosenversicherung und damit die öffentlichen Haushalte finanziell entlasten und eine Lohnnebenkostensenkung ermöglichen. Auch eine Verschiebung der Abgabenbelastung von Arbeit auf Vermögen und Gewinne würde so erleichtert.

Ich bin Realist genug, zu wissen, dass so ein Vorschlag nicht von heute auf morgen umsetzbar ist. Wichtig ist mir aber, die Diskussion über mehr Verteilungsgerechtigkeit und mehr Arbeits- und Lebensqualität zu forcieren und neue Impulse zu setzen.

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