topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Katharina Klee

Standpunkt | Sonntags nie?

Meinung

Es ist Sonntagabend, draußen wird es langsam dunkel, während ich diesen Text schreibe. Am Sonntag zu arbeiten, ist für mich nichts Außergewöhnliches.

Fast mein ganzes Berufsleben lang kenne ich Sonn- und Feiertagsdienste. Und ich arbeite im Grunde recht gerne, wenn die anderen frei haben. Das hat schon beim Radio begonnen. Es hatte für mich immer einen besonderen Reiz, Menschen mit meiner Arbeit ins Wochenende zu begleiten. Ich mochte es, wenn die Redaktion nur spärlich besetzt war und sich auch am Nachrichtensektor weniger ergab als unter der Woche.
Ich kann mich aber auch an Sonntage erinnern, an denen ich voll Qual auf den Dienstschluss wartete. Drau-ßen schien die Sonne und FreundInnen und Familie saßen schon beim Grillfest, während ich Kurzmeldungen verlas. Oder an Samstagabende, an denen ich früher nach Hause musste, um beim Sonntagfrühdienst nicht zu müde zu sein.
Ein schöner Sonntag liegt heute hinter mir. Draußen am Land haben wir uns getroffen: Eine bunte Truppe aus FreundInnen und Verwandten. Wir hatten vor, Most zu pressen und sammelten Fallobst. Die sechsjährige Barbara war ein bisschen traurig. Ihr geliebter Papa musste arbeiten. Auch seine Fußballmannschaft war des-wegen ziemlich sauer. Ausgerechnet beim letzten Spiel der Saison mussten sie ohne ihren besten Stürmer aus-kommen. Barbara hätte ihn so gerne angefeuert. Stattdessen jammerte sie, dass sie - seit sie in die Schule gekommen war - noch kein Wochenende mit Papa verbracht hatte. Und auch Barbaras Mutter war enttäuscht. Sie hätte den Sonntag gerne zum Lernen genutzt, sie macht gerade die Abendmatura. Später kommt dann auch noch der Cousin meines Mannes: Geschafft und müde von der Übung der Freiwilligen Feuerwehr.
Abends telefoniere ich mit der Freundin in Tirol. Auch sie hat die Sonntage oft als Freiberuflerin zum Arbeiten genutzt. Jetzt, im neuen Job in der Gastronomie, muss sie sonntags arbeiten. Und als gute Chefin nimmt sie in der Aufbauzeit ihrem Team den einen oder anderen Sonntagsdienst ab. Das zehrt an ihren Kräften und die Alleinerzieherin leidet, weil sie die Kinder dadurch kaum mehr sieht. Die große Tochter etwa, die, obwohl gerade beim Karrierestart in Ostösterreich, regelmäßig heimfährt, um beim Roten Kreuz freiwilligen Sonntagsdienst zu machen. Und auch für den Buben hat sie weniger Zeit, wenn er aus dem Internat kommt und jemanden bräuch-te, der ihn zum Sport fährt und dort bejubelt.
Die andere Freundin, Lehrerin voll Engagement hat 58 von 52 Sonntagen im Jahr schon fix vergeben: Für Chorproben und die Produktion von Leckereien, für außertourliche Ausflüge mit den SchülerInnen, für den Besuch bei ihren Eltern in Oberösterreich, die so gerne mit den Enkeln spielen. Oder die engagierte Politikerin, die seit ein paar Jahren im Parlament arbeitet. Ihre Heimat ist ihre Heimat geblieben und sie ist froh, dass sie regelmäßig einen freien Sonntag hat, um mit der Familie etwas zu unternehmen und einfach die Wäsche zu waschen.
Tausende müssen Sonntag für Sonntag arbeiten, ganz egal ob es um den Verkehr oder den öffentlichen Dienst geht, um Sicherheit, Gesundheit, Tourismus, Journalismus oder Unterhaltung. Und viele von ihnen tun es gerne.
Und doch bin ich irgendwie überzeugt, dass der Freund bei den Wiener Philharmonikern mit seinem Sonn-tagsdienst besser zurechtkommt als die Alleinerzieherin in der Bäckerei. Noch kann sie rechnen, die Sonntags-arbeit besser vergütet zu bekommen. Sie hat Anrecht auf regelmäßige, freie Sonntage. Noch.
Und während ich kurz die Augen schließe, stelle ich mir eine Welt ohne freien Sonntag vor: Wir wären wohl nur noch eine Hand voll Menschen beim Fallobst sammeln. Barbaras Papa müsste weit öfter mit sonntäglichen Arbeitseinsätzen rechnen, und ihre Mama müsste wohl weiter auf die Matura verzichten. Barbara selbst hätte vielleicht in ihrer Schule auch am Sonntag Unterricht. Den örtlichen Fußballverein gäbe es wohl nicht mehr, zu schwierig wäre es, Trainingstermine zu vereinbaren. Squash ist auch schön und man kann es allein spielen. Die Freiwillige Feuerwehr käme kaum mehr zum Üben und die Rettung müsste auf PensionistInnen als Freiwillige zurückgreifen. Der Kirchenchor würde auf ein Duett zusammenschrumpfen. Sonntagsarbeit würde - ob für mei-ne Freundin in der Gastronomie oder die Alleinerzieherin in der Bäckerei - kaum mehr extra in Zeit oder Geld abgegolten. Einzig für meinen Freund, den Philharmoniker, würde sich vielleicht nur wenig ändern. Und für mich. Ich darf am Sonntag arbeiten - muss aber nicht.
Ich kann auch einfach nur Apfelmost machen.

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum