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Ingrid Moritz: »Wenngleich die ›Pflegeamnestie‹ den Eindruck erweckt, dass illegale Beschäftigungen in der Pflege zu Hause sanktionslos wären, sind damit keineswegs sozialversicherungs- oder arbeitsrechtliche Vorschriften außer Kraft gesetzt.«
Dienstleistungsscheck

Arbeit im Privathaushalt: schwarz oder ohne Rechte

Hintergrund

Die Beschäftigung in Privathaushalten ist seit jeher von Sonderbestimmungen und weniger Rechten als für die übrigen ArbeitnehmerInnen gekennzeichnet.

Schon 1926 wurden vom Referat für Frauenarbeit der Wiener Arbeiterkammer die Lebensverhältnisse der Wiener Hausgehilfinnen untersucht und dabei festgestellt, dass trotz der im Hausgehilfengesetz von 1920 festgelegten Beschränkung der täglichen Arbeitszeit auf 13 Stunden mehr als die Hälfte über 14 Stunden täglich arbeiteten. Für zehn Prozent betrug der Arbeitstag sogar mehr als 16 Stunden. Haushaltshilfen waren in besonders hohem Ausmaß von ihren ArbeitgeberInnen abhängig.
Ein Verlust des Arbeitsplatzes hatte auch den Verlust der Wohnstätte und - mangels Arbeitslosenversicherung - den Verlust der Existenzsicherung zur Folge. Erst 1956 wurden HausgehilfInnen in den Schutz der Arbeitslosenversicherung aufgenommen.
Viele illegale Beschäftigte
Waren vor hundert Jahren Privathaushalte noch quantitativ sehr wichtige Arbeitgeber für Frauen, so sind diese mittlerweile - zumindest was die legale Beschäftigung betrifft - von marginaler Bedeutung. Im Jahresschnitt 2006 waren nur etwa 10.000 Personen offiziell gemeldet, davon zwei Drittel als geringfügig Beschäftigte. Zu 90 Prozent sind die Haushaltsbeschäftigten Frauen, rund ein Fünftel sind ausländische StaatsbürgerInnen. Das Gros der Haushaltsbeschäftigten ist jedoch illegal beschäftigt. Schätzungen gehen von 60.000 bis zu 300.000 informell Beschäftigten aus.
Für die Beschäftigung in Privathaushalten, in denen ein unmittelbares Rechtsverhältnis zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn entsteht, kommen im Wesentlichen drei Rechtsmaterien zur Anwendung. Neben dem Kernstück, dem Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, wird das Rechtsverhältnis durch das Dienstleistungsscheckgesetz (seit Jänner 2006 in Kraft) und das Hausbetreuungsgesetz (ab Mitte 2007 in Kraft) geregelt. Als eine Sonderform ist auch die Regelung von Au-pair-Tätigkeiten zu erwähnen. Insbesondere das Dienstleistungsscheckgesetz und das Hausbetreuungsgesetz wurden vor dem Hintergrund geschaffen, ArbeitgeberInnen eine haushaltsbezogene Beschäftigung auf legalem Wege zu erleichtern. Diese Erleichterungen für die ArbeitgeberInnen-Haushalte sind mit einem Abbau von Rechten für Haushaltshilfen verbunden.
Dienstleistungsscheck ohne Rechte
Um den ArbeitgeberInnen-Haushalten auf einfachem, aber legalem Weg die Beschäftigung einer Haushaltshilfe zu ermöglichen, wurden seitens des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit Initiativen zur Einführung der Entlohnung mittels Dienstleistungsscheck gesetzt. Seit Anfang 2006 besteht nunmehr die Möglichkeit der Beschäftigung und Entlohnung mittels Dienstleistungsschecks. Obwohl es sich bei haushaltsbezogenen Tätigkeiten um regelmäßig wiederkehrende Tätigkeiten handelt, wurde gesetzlich die unbegrenzte Aneinanderreihung von Befristungen zugelassen. Damit ist es möglich, dass den Haushalten die üblichen ArbeitgeberInnenrisiken wie Entgeltfortzahlung bei Krankheit, bei Dienstverhinderung aus wichtigen persönlichen Gründen oder die Einhaltung von Kündigungsfristen erspart bleiben. Was für die Privathaushalte in ihrer Arbeitgeberfunktion günstig ist, bedeutet aber für die HausgehilfInnen, dass sie gegen diese Risiken nicht abgesichert sind. Eine weitere Unausgewogenheit ist in der Abwicklung der Bezahlung zu sehen. Die ArbeitgeberInnen können die Dienstleistungsschecks, mit denen sie die Haushaltshilfen entlohnen, in nächster Nähe über Trafiken beziehen, die Haushaltshilfen können diese Schecks aber nicht ebenso bei den Trafiken einlösen. Sie müssen die Schecks an die Gebietskrankenkassen übermitteln, die eine wesentlich geringere regionale Standortdichte aufweisen.
Maximal eine Haushaltshilfe
ArbeitgeberInnen dürfen maximal eine Haushaltshilfe bis zur monatlichen Geringfügigkeitsgrenze mit Dienstleistungsschecks bezahlen. Mit der Übergabe des Schecks sind für die ArbeitgeberInnen sämtliche Entgeltverpflichtungen und auch sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen erfüllt. Die Beschäftigung inkludiert lediglich einen Schutz in der Unfallversicherung. Im ersten Jahr der Einführung wurden Schecks im Wert von einer Million Euro verkauft. Allerdings ist die Tendenz steigend, denn im Zeitraum 1. Jänner 2007 bis 31. Juli 2007 wurden bereits Dienstleistungsschecks im Wert von rund 900.000 Euro ausgegeben, was für 2007 hochgerechnet 1,5 Millionen Euro ausmacht.
Schwarzarbeit nicht legalisiert
Dass die Zielsetzung der Legalisierung von Schwarzarbeit mit dem Dienstleistungsscheck nicht einmal annähernd erreicht wurde, wird deutlich, wenn das Volumen von 1,5 Millionen Euro in Beschäftigung umgerechnet wird, was im Jahresschnitt weniger als 300 geringfügige Beschäftigungen ergibt. Es ist wohl davon auszugehen, dass eine Legalisierung der Arbeit in Privathaushalten wohl nur dann gelingen kann, wenn die Angebote auch für die Beschäftigten attraktiv sind. Derzeit liegt die Attraktivität für Haushaltshilfen ausschließlich in der Möglichkeit, über Dienstleistungsschecks günstig in die Kranken- und Pensionsversicherung hineinoptieren zu können.
Durch eine Reihe von gesetzlichen Maßnahmen wurde für die oftmals illegal stattfindende Rund-um-die-Uhr-Betreuung Pflegebedürftiger zu Hause ein legaler Rahmen geschaffen. So wurde für MigrantInnen, die unter die Übergangsbestimmungen zur EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit fallen, ein Arbeitsmarktzugang eingeschränkt für den Bereich der Pflege und Betreuung in Privathaushalten ermöglicht.
Übergangsgesetz bis Ende 2007
Für illegale Pflegedienste wurden weiters mit dem Pflege-Übergangsgesetz eine Reihe von Verwaltungsstrafbestimmungen bis Ende 2007 ausgesetzt. Wenngleich die »Pflegeamnestie« den Eindruck erweckt, dass illegale Beschäftigungen in der Pflege zu Hause sanktionslos wären, sind damit keineswegs sozialversicherungs- oder arbeitsrechtliche Vorschriften außer Kraft gesetzt.
Mitte 2007 wurde in Folge einer Initiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit das Hausbetreuungsgesetz beschlossen. Damit wurden die arbeitsrechtlichen Grundlagen für eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung von pflegebedürftigen Personen mit überlangen Arbeitszeiten geschaffen.
Hausbetreuungsgesetz
Das Hausbetreuungsgesetz darf angewendet werden, wenn die zu betreuende Person Pflegegeld ab der Pflegestufe 3 (bei Demenzerkrankung auch Pflegestufe 1 und 2) bezieht. Die Arbeitszeit muss mindestens 48 Stunden wöchentlich betragen und darf längstens eine Arbeitsperiode von maximal 14 Tagen mit einer analog langen ununterbrochenen Freizeitphase umfassen. Damit werden die über Agenturen vermittelten Pflegekräfte aus dem Ausland, die im 14-Tage-Rhythmus die Pflege einer Person übernehmen, rechtlich nachgebildet. Maximal darf die Arbeitszeit inklusive Arbeitsbereitschaft in zwei Wochen 128 Stunden betragen. Zeiten der Arbeitsbereitschaft, die die Betreuungsperson vereinbarungsgemäß in ihrem Wohnraum oder der häuslichen Umgebung verbringt, gelten gesetzlich explizit nicht als Arbeitszeit. Dies steht im krassen Widerspruch zum Prinzip, dass eine Einschränkung der Freizeit zumindest als Bereitschaftszeit mit entsprechender Entlohnung zu werten ist. Mit dem Hausbetreuungsgesetz sind Tätigkeiten der Haushalts- und Lebensführung erlaubt, nicht aber der Gesundheits- und Krankenpflege. In der Praxis wird die Abgrenzung jedoch wohl kaum umsetzbar sein.
Rechtlich höchst bedenklich
Zwar rechtlich höchst bedenklich, aber von praktischer Relevanz könnte vor allem werden, dass gesetzlich festgeschrieben wurde, dass die Hausbetreuung auch in selbstständiger Tätigkeit ausgeübt werden darf. Obwohl bei einer Rund-um-die-Uhr-Betreuung in der Regel die relevanten Kriterien der ArbeitnehmerInnen-Eigenschaft zutreffen - das heißt persönliche Erbringung der Dienstleistung, Bindung an Arbeitszeit und -ort - werden die Haushalte von arbeits- und sozialrechtlichen ArbeitgeberInnen-Verpflichtungen freigespielt. Damit ist zu erwarten, dass die derzeit illegal stattfindenden Betreuungs- und Pflegedienste durch Frauen aus Süd- und Osteuropa auf niedrigem rechtlichem Niveau legalisiert werden. Im Bereich der Pflege und Betreuung wurde bereits zu lange verabsäumt, zukunftsorientierte Lösungen zu entwickeln. Obwohl seit vielen Jahren bekannt ist, dass der Bedarf an leistbaren Angeboten der Betreuung und Pflege steigend ist, fehlt eine umfassende Antwort auf den Pflegebedarf.
Untragbare Arbeitsbedingungen
Werden lediglich die von Privathaushalten aus der Not heraus entwickelten Lösungen der Betreuung und Pflege durch Slowakinnen, Polinnen etc. verrechtlicht, statt nachhaltige Strategien zur Lösung der Pflegeproblematik zu erarbeiten, so hat dies auch seinen Preis: Es werden untragbare Arbeitsbedingungen für die Betreuungspersonen toleriert, es bleiben die hohen Belastungen für die Angehörigen von pflegebedürftigen Menschen und nicht zuletzt fehlen Qualitätskriterien für die Dienstleistungen, die Pflegebedürftige benötigen. Notwendig ist endlich der Ausbau von Betreuung und Pflege mit einer garantierten Qualität dieser Dienstleistungen und arbeitsmarktüblichen Standards der Beschäftigung. Dies hat zwar höhere Kosten als derzeit zur Folge, aber wie bereits aus Untersuchungen zum Bereich der Kinderbetreuung hinlänglich bekannt ist, hat die Schaffung von qualitätsvollen und existenzsichernden Arbeitsplätzen auch volkswirtschaftlich positive Effekte.
Bewertung von Frauenarbeit
Die entscheidende Frage ist also, ob weiterhin auf die von Frauen geleistete unbezahlte Pflege sowie prekäre Arbeitsverhältnisse gesetzt wird, oder ob die Zielsetzung der Schaffung existenzsichernder Arbeitsplätze und Qualitätsstandards bei Betreuung und Pflege samt Finanzierungsstrategien verfolgt wird. Wie die Strategien und Lösungen in diesem Bereich aussehen, ist daher auch im Zusammenhang mit der Bewertung von Frauenarbeit zu beurteilen.
Autorin: Ingrid Moritz
Leiterin der Abteilung Frauen und Familie
in der AK Wien

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Mehr Infos unter:
Dienstleistungsscheck
www.arbeiterkammer.at/www-192-IP-26424-IPS-2.html
Hausbetreuungsgesetz
www.bmwa.gv.at/NR/rdonlyres/60D831C5-6196-4CCD-8FA8-1160476C51F5/0/Hausbetreuungsgesetz.pdf
Zuständige Gewerkschaft
soziales-gesundheit.vida.at


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an die Autorin
ingrid.moritz@akwien.at
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aw@oegb.at

 

KURZ GEFASST
Die Leiterin der Abteilung Frauen und Familie in der AK Wien, Ingrid Moritz, weist darauf hin, dass noch vor achtzig Jahren Hausgehilfinnen unter übelsten Arbeitsbedingungen litten. Heute gibt es - zumindest offiziell - kaum mehr Frauen, die in diesem Bereich arbeiten. Die Zahl der illegal Beschäftigten in Privathaushalten ist aber sehr groß. Vermutungen schwanken zwischen 60.000 und 300.000 - der Großteil Frauen, viele davon ausländische StaatsbürgerInnen.
 In den letzten Jahren kamen daher zum nur noch selten anwendbaren Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz der Dienstleistungsscheck (Jänner 2006) und das Hausbetreuungsgesetz (Mitte 2007). Ersterer erwies sich zwar als Zuckerl für ArbeitgeberInnen, für ArbeitnehmerInnen ist er aber - abgesehen von der Möglichkeit in die Kranken- und Pensionsversicherung hineinoptieren zu können - nicht sehr attraktiv.
Das Hausbetreuungsgesetz schafft zwar Möglichkeiten zur Rund-um-die-Uhr-Betreuung, weist aber auch noch grobe Schwächen auf. Zukunftsweisende Lösungen für die vielen gerade in diesem Bereich beschäftigten Frauen stehen noch immer aus.

 

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