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Glaubenssache Julius Meinl hat viel versprochen und wenig gehalten. Der Mohr hat seine Schuldigkeit nicht getan.

Glaubenssache

Wirtschaft&Arbeitsmarkt

Das Meinl-European-Land-Zertifikat wurde von vielen AnlegerInnen gezeichnet, die in der Aktienwelt nichts verloren haben. Außer Geld.

Momentan beträgt sein Verlust cirka soviel, wie ein passabler Kleinwagen oder eine Reparatur des Oberkiefers bei einem österreichischen Zahnarzt kosten würde, hat sich Herr Novak* ausgerechnet. Auf den Cent genau hat er nicht nachgezählt, denn bei Wertpapieren, das hat er jetzt gelernt, ist auch ein Verlust erst wirklich, wenn ihn der Anleger realisiert, sprich: die Papiere dann verkauft, wenn er weniger dafür bekommt, als er dafür gezahlt hat. Der Name Meinl bürgt für Qualität, hatte sich Herr Novak gedacht und auch sein Anlageberater hat in Meinl European Land für seine Söhne investiert. Eine gute Sache sei das: Wie ein Sparbuch, aber mit ungleich höherem Ertrag, wurde ihm gesagt. »Die Zähne hast du jetzt schon herinnen und das ohne Arbeit«, hatte der Finanzberater noch im Februar gesagt, als er wieder einmal, mit dem bunten Kuchendiagramm und dem verzeichneten Gewinn vorbeigekommen war. »Bumm«, hat Herr Novak gesagt. »So viel Geld für nichts?«
BausparerInnen
In seinem Depot befänden sich soundso viele Stück Aktien der Meinl European Land Ltd., stand auf dem Formular, das ihm sein Finanzberater im Februar vorgelegt hatte. Daher erhalte er im Zuge der Kapitalerhöhung soundso viele Rechte für den Bezug junger Aktien zum Vorzugspreis von EUR 19,70 pro Stück. Ein bisschen hatte es schon gekribbelt, als er den Bausparvertrag aufgelöst hat, um die bis spätestens 9. Februar 2007 zu überweisende Summe, inklusive Ankaufsspesen, aufzutreiben. »Sind Sie sicher?«, hat die Dame in der Bank gefragt. Eine vorzeitige Auflösung des Bausparvertrages bedeute fast 400 Euro Verlust. »Das ist schon viel«, hatte auch der Berater am Handy gesagt: »Riskieren wir?« »Wir riskieren«, hat Herr Novak gemeint und die bunten Pappendeckelwürfel mit den in Aussicht gestellten Zinsen am Bankschalter irgendwie kindisch empfunden. »Wer spart schon für 4,5 Prozent, wenn er mindestens das Doppelte kriegt?«, hat Herr Novak gedacht.
Ende Juli war er stutzig geworden. Den Artikel im Wirtschaftsblatt mit dem Titel »MEL im freien Fall« hat er an den Berater mit der Frage gemailt: »Wäre nicht eine neue Strategie angesagt?« Er habe mit dem Zuständigen bei der Meinl Success Finanz AG telefoniert, meldete der Anlageberater. Der sei anfangs ziemlich verstört gewesen, nun aber sei die Lage wieder im Griff. (Die Meinl Success Finanz AG, die das Produkt MEL offeriert, ist eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der Meinl Bank.)
Absturz
Die Chronologie der Ereignisse: Am
30. Juli 2007 fiel die MEL-Aktie (eigentlich ein Zertifikat) von EUR 19,10 auf EUR 15,57 innerhalb weniger Stunden. Bei der außerordentlichen Aktionärsversammlung wurden erstmals die massiven Rückkäufe von MEL bekannt. Der Kurs fiel unmittelbar danach auf EUR 12,60. Herr Novak erfuhr zum ersten Mal vom Sitz der Meinl European Land auf der Insel Jersey, und las auf www.wienerbörse.at(Tipps für Einsteiger) nach, dass er alle Fehler begangen hatte, die ein Kleinanleger begehen kann. Wie etwa: Nie das gesamte Sparkapital nur in ein Wertpapier investieren, oder dass eine Aktie kein Sparbuch und immer mit Risiko behaftet ist.
Am 5. September meldete die Finanzmarktaufsicht die Ermittlungen wegen Marktmanipulation, Insiderhandel und Verletzung der Publizitätsvorschriften im Zusammenhang mit dem Rückkauf von MEL-Zertifikaten. Der Kurs erreichte seinen Tiefstand.
Tipps
Mehr als die Hälfte seines Ersparten hat Herr Novak beim momentanen Stand verloren. »Wir sind derzeit mehr als überfordert«, beantwortete Kleinanlegervertreter Wilhelm Rasinger am 9. September seine Anfrage per E-Mail, wie er sich bezüglich Behalten oder Verkauf des Papiers verhalten solle. »Relevante Informationen veröffentlichen wir auf unserer homepage: www.anlegerschutz.at
Aus seiner Sicht böten sich drei Optionen an, teilte der Anlageberater ebenfalls per E-Mail mit. Eins: Verkaufen, den Verlust realisieren und das noch übrige Geld anderswo investieren, es gäbe noch gute Alternativen. Zwei: Verkaufen und später wieder einsteigen. Oder drei: Behalten. Er persönlich habe sich für die dritte Alternative entschieden, da er langfristig denke. Er vertraue immer noch auf das erfolgreiche Geschäftsmodell »Meinl European Land« und erwarte, schon 2008, auch ohne spekulative Ver- und Rückkäufe wieder in der Gewinnzone zu sein.
Falsche Voraussetzungen
Herr Novak ist einer der geschätzten 150.000 KleinanlegerInnen, die bei Meinl European Land investiert haben. Rund 600 haben sich aus ganz Österreich an die Konsumentenschutzabteilung der Arbeiterkammer in Wien gewandt. »Es zeigt sich, dass bei fast allen dieser Fälle von falschen Voraussetzungen ausgegangen wurde«, berichtet der Leiter der Abteilung Konsumentenschutz, Harald Glatz. »Beziehungsweise, dass von den Verkäufern und Beratern diese falschen Voraussetzungen unterstützt und genährt worden sind.« Anders als bei sonstigen AktienkäuferInnen handle es sich um »Menschen wie du und ich«, denen geraten worden ist, den Bausparvertrag aufzulösen oder die gerade eine Lebensversicherung ausbezahlt bekommen haben. Die AK Tirol berichtet von ArbeitnehmerInnen, die ihre Abfertigung in das MEL-Papier investiert haben.
Viele KonsumentInnen fragen an, was nun zu tun sei. In der Sache berät die Arbeiterkammer grundsätzlich nicht. Harald Glatz: »Es wäre fahrlässig, hier etwas zu raten.«
Anlageprofil
Eine gute Grundlage für eine etwaige spätere Klage gegen Anlageberater und Verkäufer bietet das Anlageprofil, das jeder seriöse Berater vor dem Verkauf zu erstellen hat. Darin wird festgehalten, ob der Anleger auf Nummer sicher gehen will, ob er Verluste wegstecken kann, wie lange er sich binden möchte, und was er mit seiner Geldanlage erreichen will. Allerdings: »Viele haben angekreuzt, dass sie über das Risiko eines Aktienkaufs aufgeklärt wurden«, berichtet Harald Glatz. Obwohl das vielleicht nicht der Fall war. Vor dem Gericht gilt jedenfalls der handfeste Beweis. Ganz schwierig wird es, wenn über die Beratung keine schriftlichen Unterlagen vorliegen.
Derzeit sichten die AK-Konsumentenschützer das umfangreiche Material. Ihnen geht es nicht darum, kleine Berater gerichtlich zu verfolgen, die durch die Vertrauenskrise nun um ihre Existenz kämpfen. Die Frage ist, ob Berater, Strukturbetriebe oder Banken das Produkt systematisch als etwas verkauft haben, was eine Aktie nicht sein kann.
Panik sei nicht angebracht, betont Harald Glatz: Die Verjährungsfrist, um zu klagen beträgt drei Jahre. Und wenn ein Klagegrund vorliegt, kann geklagt werden, auch wenn sich der Anleger für den Verkauf des Papiers entschieden hat.
Täuschung
Auch das Ministerium für Konsumentenschutz und der Verein für Konsumenteninformation prüfen derzeit Fälle, ob die Beratung ordnungsgemäß verlaufen ist.
Die Frage lautet unter anderem: Inwieweit war es aktive Strategie von Meinl European Land, eine neue Käuferschicht zu werben, die von sich aus nie auf die Idee gekommen wäre, Geld in Aktien zu investieren?
In Erinnerung ist der TV-Spot, der wochenlang über die Bildschirme flimmerte. Anstelle des Sparschweins kam das MEL-Papier. »Da muss man sich fragen, inwieweit hier ein Bild von einem sicheren Papier zumindest suggeriert worden ist«, meint Helmut Gahleitner, Experte für Wirtschaftsrecht und Corporate Governance in der Arbeiterkammer. Was sollte mit dem Versprechen auf elf Prozent Verzinsung neben dem Meinl-Logo anderes suggeriert werden, als dass der Name Meinl für Qualität bürgt?
Gahleitner: »Dass eine Gesellschaft so massiv mit dem Namen Meinl Werbung macht und sich dann herausstellt, dass es gar keine österreichische Gesellschaft ist und zudem die Eigentümerstruktur völlig undurchsichtig ist, ist vorsichtig gesagt wenig kundenfreundlich. Zwar steht im Börseprospekt, dass die Gesellschaft nach dem Gesellschaftsrecht von Jersey agiert, aber wer liest schon 300 Seiten Prospekt auf Englisch?«
Glaube
Auch Herr Novak hat sich an die Arbeiterkammer gewandt und Name und Telefonnummer hinterlassen. Nerven bewahren. Nicht aus dem Impuls handeln. Papiere sichten, wurde ihm vorerst gesagt.
»Wenn Leute auftreten und dies oder das empfehlen«, sagt Helmut Gahleitner, »entspricht das zwar dem Wunsch der Anleger: Dass ihnen jemand sagt, so wird es sein. Nur: Seriöserweise kann man das nicht.« An Spekulationsfragen würde er sich nicht beteiligen. »Es liegt in der Eigenverantwortung des Einzelnen zu sagen: Glaube ich noch an dieses Papier oder glaube ich nicht.«
Gabriele Müller

INFO&NEWS
Das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz (BMSK) hat den Verein für Konsumenteninformation (VKI) mit der Erhebung beauftragt, ob sich KonsumentInnen durch die Vermittlung der Meinl-European-Land-(MEL)-Zertifikate geschädigt fühlen. Der VKI soll die Chancen von Schadenersatzklagen gegen die VermittlerInnen prüfen. Das BMSK wird danach entscheiden, ob und wie es Geschädigte bei der Durchsetzung Ihrer Ansprüche unterstützt. Es sind Musterprozesse geplant.
Die Arbeiterkammern prüfen auch Klagen gegen die Meinl European Land bzw. die Meinl Bank und die Börse.
Der Prozessfinanzierer AdvoFin prüft Sammelklagen gegen MEL und juristische und physische Personen aus deren Umfeld. Dabei übernimmt AdvoFin gegen Erfolgsanteil die Kosten des Verfahrens.
Der Interessenverband für Anleger (IVA) verweist auf seiner Homepage ebenfalls auf Hilfsangebote von Rechtsanwälten/-anwältinnen. Hier ist eine Deckung durch eine Rechtsschutzversicherung erforderlich.
Nähere Informationen finden Sie auf der vom Verein für Konsumenteninformation eingerichteten Website www.verbraucherrecht.at mit Links zu Arbeiterkammer, AdvoFin und IVA. Jene, die einem Vermittler die Aufklärungspflicht vorhalten, können sich in einem Online-Fragebogen an dieser Adresse an einer Sammelprüfung von Schadenersatzansprüchen beteiligen.  G. M.

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