topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Manfred Wolf Manfred Wolf, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft(AHOG) Homosexuelle Frauen und Männer in der Gewerkschaft der Privatangestellten

Kommentar | Arbeitswelt andersrum ist schwierig

Meinung

Seit 2005 besteht durch das Gleichbehandlungsgesetz der Schutz vor Diskriminierung auch aufgrund sexueller Orientierung: Es bedurfte aber erst einer EU-Richtlinie zur Gleichbehandlung, um diesen Schutz vor Belästigung oder Herabwürdigung zu einem Rechtsanspruch zu machen.

Das Gleichbehandlungsgesetz in all seiner Unzulänglichkeit ist dennoch ein wichtiger Schritt für Menschen, die am Arbeitsplatz Probleme wegen ihrer sexuellen Orientierung haben.
Erstmals werden einklagbare Rechte formuliert. Darüber hinaus müssen andere Rechtsnormen des Arbeitsrechts auch Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen diesem Gleichheitsgrundsatz Rechnung tragen. Es kann in Fällen mittelbarer und unmittelbarer Diskriminierung die Gleichbehandlungskommission angerufen werden, und die Kommission kann auch mit der Prüfung von Vertragswerken beauftragt werden, wenn es Hinweise auf diskriminierende Bestimmungen gibt.
Auch in anderen Bereichen des Arbeitsrechtes, insbesondere in Kollektivverträgen gibt es erste zarte Pflänzchen, die auf die Gleichstellung schwuler, lesbischer oder Transgender-Personen abstellen.
Langer Prozess des »Coming-out«
Eines haben all diese Bestimmungen aber gemeinsam: Der oder die Rechtsuchende, muss von sich aus tätig werden und sich das Recht holen oder es einfordern und damit beginnt das Problem.Wir alle leben in einer Gesellschaft, die von Wertvorstellungen geprägt ist, so auch, was die sexuelle Orientierung von Männern und Frauen betrifft. Die gängige Vorstellung ist, dass sich die Menschen heterosexuell, also »normal« verhalten, was ja auch in den meisten Fällen zutrifft. Wer dieses Wertemuster nicht erfüllt ist anders.
Dies tritt aber erst dann in Erscheinung, wenn er/sie bekannt gibt, dass er/sie anders ist. Bei Menschen mit anderer sexueller Orientierung ist dies der langwierige Prozess des »Coming out«. In dieser Phase muss der Mensch damit fertig werden »anders zu sein«, das betrifft sowohl das eigene Selbstverständnis als
auch natürlich das Verhältnis zur Umwelt, Familie, Freunden/Freundinnen und eben auch die ArbeitskollegInnen. Vieles wird mit einem Schlag anders.
Obwohl es heute schon viele Menschen gibt, die ihre sexuelle Identität und den damit verbundenen Lebensentwurf offen leben, ist das Thema »schwul, lesbisch, oder Geschlechtsumwandlung« noch immer mit vielen Tabus und starken Ablehnungshaltungen (Homophobie) verbunden.
Viele leben ihre Identität nicht offen
Eine andere sexuelle Orientierung an sich zu entdecken, löst daher bei vielen Angst aus, Angst vor Ablehnung, Angst vor Spott, Angst vor Verlust wichtiger sozialer Beziehungen, Angst vor Verlust der Existenz, um nur einige zu nennen. Ich kenne bis jetzt nur wenige Freundin-
nen und Freunde, wo der Prozess des »Coming out« ohne Schrammen abgegangen ist. Einige haben es besser, andere schlechter bewältigt. Am schlimmsten ist es, wenn man es allein durchmacht und denkt, man ist der einzige auf der Welt dem es so geht. Nicht immer wird dieser Prozess vollständig durchgemacht: Ich kenne viele, die ihre Identität nur im geschützten Raum der schwullesbischen Community offen leben, aber nicht im »Tagesgeschäft«, und das dürfte wohl bisher noch immer die Mehrheit in unserem Land so halten.
Kehren wir also zum Arbeitsplatz zurück. Wenn wir unsere Firma betreten, gibt niemand in der Garderobe seine Überzeugungen, Meinungen oder Identitäten ab. Wir begegnen daher am Arbeitsplatz denselben Meinungsbildern und Überzeugungen, welche die Menschen sonst auch haben, und wir begegnen auch Schwulen, Lesben und Transgender-Personen, sehr oft ohne es zu wissen.  Mit welchem Grund sollen Menschen mit anderer sexueller Orientierung annehmen, dass sie am Arbeitsplatz, der gleichzeitig ihre Existenzgrundlage ist, anders und verständnisvoller behandelt werden als sonst? In dieser Situation zu verlangen, dass Menschen, die mittelbar oder unmittelbar diskriminiert werden, selbstbewusst aufzeigen und ihre Rechte einfordern, ist ein wenig hoch gegriffen. Jeder Mensch, der schon einmal Diskriminierung am eigenen Leib erfahren hat, weiß, wie schwer das ist.
Wir brauchen klare Maßnahmen
Was also tun, leiden, verzichten, durchtauchen? Nein, sicher nicht. Was wir brauchen, sind klare Maßnahmen und Instrumente, um proaktiv gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz tätig werden zu können. Es reicht nicht aus, Rechte zu formulieren, wenn bereits etwas passiert ist, wenn diskriminiert wird oder wurde. Es ist notwendig, dass die überbetrieblichen und betrieblichen Sozialpartner klare Botschaften formulieren und sicherstellen, dass danach gehandelt werden kann. Eine solche Botschaft könnte lauten:

  • Auch wenn wir es nicht genau wissen, aber eines ist klar, bei uns im Betrieb gibt es Menschen mit anderer sexueller Orientierung, und wir nehmen ihre besonderen Bedürfnisse ernst.
  • Menschen mit anderer sexueller Orientierung sind genauso wertvoll und wichtig wie alle anderen Beschäftigten im Betrieb. Sie bringen soziale Kompetenzen und Sichtweisen ein, die für uns alle wertvoll sind.
  • Wir stehen zu unseren MitarbeiterInnen, egal welcher sexuellen Orientierung, und wollen ein partnerschaftliches Arbeitsklima. Belästigung und Diskriminierung durch Vorgesetzte, ArbeitskollegInnen und Kunden/Kundinnen wird entschieden abgelehnt.
  • Wir wollen diesen Grundsatz sicherstellen: Es werden geeignete Maßnahmen ergriffen, um Vorurteile und diskriminierende Handlungen/Regelungen abzubauen bzw. zu beseitigen.
  • Wir ermutigen schwule, lesbische oder transgender MitarbeiterInnen sich aktiv ins Betriebsleben einzubringen, ihre Wünsche und Anregungen zu formulieren.

Damit aus derartigen Erklärungen aber mehr wird als bloßes Papier und Absichtserklärungen, bedarf es rechtlich verbindlicher Vereinbarungen, insbesondere auf betrieblicher Ebene. Mittels Betriebsvereinbarungen zur Förderung der Vielfalt und des partnerschaftlichen Verhaltens, könnten BetriebsrätInnen und Geschäftsführungen aktiv Maßnahmen gegen diskriminierende Situationen setzen. Dazu bedürfte es nur einer Änderung des ArbVG in dem ein zusätzlicher Regelungstatbestand eingeführt wird.
In derartigen Betriebsvereinbarungen könnten geeignete Maßnahmen zur Erreichung der gesetzten Ziele vereinbart werden, bis hin zu speziellen Schulungsangeboten für ArbeitehmerInnen und Führungskräfte. Es ist wichtig, dass das »Andere« vertraut wird und Ängste genommen werden.
Schlimm ist für Menschen mit sexueller Orientierung auch die Überzeugung, der einzige zu sein und kein Verständnis zu finden. Daher sind Vernetzungsangebote vor allem in größeren Betrieben ein gutes Instrument um ein gutes Klima zu fördern. Diskriminierung am Arbeitsplatz ist kein gewerkschaftliches Orchideenthema, sondern es geht schlichtweg um eines - um Sicherung der elementaren Menschenrechte am Arbeitsplatz, und das ist einer unserer zentralen Aufträge!
Martin Wolf

INFO&NEWS
Hundstorfer gegen Diskriminierung Homosexueller
»Das Gleichbehandlungsgesetz verbietet Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund sexueller Orientierung. Trotzdem trauen sich viele lesbische oder schwule Menschen nicht, sich offen zu ihrer sexuellen Orientierung zu bekennen und ihre Rechte einzufordern. Eigene Betriebsvereinbarungen wären ein klares Signal, dass Diskriminierung in einem Betrieb nichts zu suchen hat«, schlägt ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer einen sogenannten gesetzlichen Betriebsvereinbarungstatbestand vor: »Es trauen sich viele lesbische oder schwule Menschen nicht, ihre sexuelle Orientierung im Betrieb offen zu bekennen und z. B. auch nicht ihr Recht auf Pflegefreistellung in Anspruch zu nehmen, wenn ihr gleichgeschlechtlicher Lebensgefährte oder Lebensgefährtin krank ist. Der ÖGB tritt dafür ein, dass gesetzlich klargestellt wird, dass Betriebsvereinbarungen zum Thema Antidiskriminierung abgeschlossen werden können. Eine solche Betriebsvereinbarung würde den ArbeitnehmerInnen zeigen, dass Diskriminierung im Betrieb nicht geduldet wird, und dass personelle Vielfalt in der Belegschaft als ein positiver Bestandteil der Unternehmenskultur gesehen wird. Eine solche Betriebsvereinbarung würde lesbischen und schwulen Menschen zeigen, dass sie sich offen zu ihrer sexuellen Orientierung bekennen können und somit zu einer Änderung des betrieblichen Klimas führen.«
 

KONTAKT
Schreiben Sie uns Ihre Meinung
an den Autor
manfred.wolf@gpa-djp.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum