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Dr. Bernhard Rupp Dr. Bernhard Rupp, Gesundheitsexperte der AK NÖ ist für die Schaffung eines österreichischen PPP - Kompetenzzentrums
Krankenhaus Steyr 2006 kam es im Krankenhaus Steyr zur Streichung von Betten und zur Unterversorgung.
Kurz gefasst

Ausweg oder Sackgasse?

Schwerpunkt

Öffentlich-Private-Partnerschaften, neudeutsch Public-Private-Partnership-Modelle (PPP), sind im Prinzip nichts Neues. Es gibt sie, auch in Österreich, schon lange.

Die eine Seite der Medaille: »Wir haben in Österreich das beste Gesundheitssystem der Welt, die Lebenserwartung steigt ständig«, so oder ähnlich beurteilt die jeweilige Regierung ihre Politik im Gesundheitsbereich. Die andere Seite: Die öffentliche Hand zieht sich schrittweise zurück, die Gesundheitskosten und »Selbstbehalte« für die Versicherten steigen, Spitäler und Kassen sind (aus unterschiedlichen Gründen) im Minus, Beschäftigte im Gesundheitsbereich sehen sich zunehmendem Stress sowie Personal- und Einkommenskürzungen ausgesetzt.
Gleichzeitig boomt »Gesundheit« und Wellness nicht nur in allen Medien oder im Tourismus, sondern steigen die Honorare von MedizinerInnen und die Gewinne der Pharmaindustrie und tummeln sich immer mehr »Gesundheitsökonomen« und private GesundheitsanbieterInnen am »Zukunftsmarkt Gesundheit«.
Und immer wieder liest man von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften - neudeutsch Public-Private-Partnership (PPP)-Projekten.
PPP gibt es, auch in Österreich schon lange: etwa zwischen Gemeinden und Banken zur Planung und Finanzierung und Errichtung von Spitälern. Aber auch Spitäler selbst haben schon Dienstleistungen wie Küche, Wäscherei oder die ganze technische Betriebsführung in PPP-Modelle ausgelagert. Auch eine andere Art der Öffentlich-Privaten-Partnerschaft auf dem Gebiet der Gesundheitsdienstleistung gibt es schon: Die Kooperation zwischen den Gebietskrankenkassen und den niedergelassenen privaten Ärztinnen und Ärzten.
Neu bei uns ist, dass gemeinsame Einrichtungen in Kooperation zwischen öffentlicher Hand und privaten AnbieterInnen diskutiert werden. Der Unterschied: engere Zusammenarbeit in Bezug auf Wirtschaftlichkeit, Beschaffung, Dienstleistungserbringung. Als Beispiel seien hier die in Diskussion stehenden »ambulanten Versorgungszentren« genannt, so Bernhard Rupp, Leiter der Abteilung Gesundheitswesen in der
AK NÖ.
Warum ist PPP »modern«?
Die WTO (Welthandelsorganisation) und die EU fördern die Diskussion und schaffen Rahmenbedingungen für PPP-Modelle. So sehen sich Bund, Länder und Gemeinden durch die EU-Vorgaben zur »Budgetdisziplin« (Maastricht, Stabilitätspakt) zunehmend gezwungen, die steigenden Aufwendungen im Gesundheitsbereich »budgetunwirksam« zu finanzieren. PPP-Projekte sind dazu geeignet. Die Finanzierungsüberlegungen sind also der Hauptgrund für PPP, weniger sachliche Motive.
PPP gibt es in Großbritannien schon seit den frühen 1990er Jahren. In Deutschland wurde 2001 eine Projektgruppe eingesetzt. Und in Österreich? Im Spitalsbereich werden etwa Betriebsführungen ausgegliedert (z. B. NRZ Rosenhügel, Neunkirchen), bei fünf PPP-Modellen gab es Spitalsumbauten (Vöcklabruck, Steyr, Schladming, UKH Linz, Neunkirchen). Beim Wiener AKH ist die technische Führung in Händen der Vamed AG, die zum deutschen Med-Tech-Konzern Fresenius gehört.
Was können die Modelle?
Beim Einhalten von Fertigstellungsterminen liegen diese Modelle schon deutlich besser, aber auch da gibt es Kritik. PPP muss von der Struktur her so flexibel sein, dass die Umsetzung medizinischen Fortschritts möglich ist. Deshalb sollen die Verträge Regeln dazu verbindlich enthalten. Umso mehr, als PPP-Verträge oft Laufzeiten von 25 bis 50 Jahren haben. »Es müssen Leistungsanpassungen/-veränderungen bei Bedarf möglich sein, neue Versorgungsformen eingerichtet und technologische Neuerungen umgesetzt werden können«, so Bernhard Rupp.
PPP kann die Gesundheit gefährden!
Im Krankenhaus (KH) Steyr kam es 2006 zur Streichung von Betten und zur Unterversorgung. Die Leitung des KH Steyr teilte in einem Rundschreiben an die HausärztInnen mit, dass die Bettenkapazität am KH Steyr überlastet ist. Sie wurden ersucht, PatientInnen möglichst im extramuralen Bereich zu betreuen und zu versorgen. Der Effekt, so die ÖGB-Kritik: »Ökonomen machen Gesundheitspolitik und kranke Menschen sind nur Kostenverursacher.
Im KH Klosterneuburg, wurde ein PPP-Versuch mit privaten Managern sehr bald abgebrochen: »Wir wurden beraten und verkauft«, das Kurzengagement der externen Manager habe nur Verunsicherung bei den MitarbeiterInnen und in der Bevölkerung gebracht, der große Nutzen sei nicht erkennbar gewesen, fasst die Personalvertreterin Brigitte Adler ihre Erfahrungen zusammen. Wie eine andere Art von »PPP« nicht funktioniert, zeigt sich in Österreich gerade im Zuge der sogenannten Pflegedebatte.
Werden keine entsprechenden Rahmenbedingungen geschaffen, so Bernhard Rupp, besteht bei der Leistungserbringung die Gefahr des »Rosinenpickens«: Ohne entsprechendem Rahmen kann es zu einer »einnahmen-orientierten Patientenselektion in der regionalen Versorgung« kommen, das heißt: besser zahlende Patienten oder »einträglichere« Krankheitsbehandlungen könnten dann den Vorzug bekommen. Und Rupp mahnt: »PPP-Modelle sind für politische Entscheidungsträger unter Umständen eine brauchbare Option, aber kein Allheilmittel.« Selbst in Großbritannien, mit Projekten mit bereits 25 bis 35 Jahren Dauer, gibt der dortige Rechnungshof, National Audit Office (NAO), zu bedenken, dass noch keinerlei letztgültige Bewertungen getroffen werden können.
Kritik an PPP-Modellen in dem Sinne, dass Gesundheitswesen, insbesondere im Spitalsbereich, und Marktwirtschaft nicht funktionieren, gibt es sowohl von ExpertInnen der WHO als auch zunehmend von solchen der Weltbank.
Durch die Hintertür
Andere Gesundheitsexperten wie Martin Rümmele befürchten durch PPP überhaupt eine Privatisierung durch die Hintertür: »Die Liberalisierung erfolgt weltweit nach einem fast einheitlichen Schema. Sie beginnt meist recht harmlos und führt erst nach einiger Zeit zur tatsächlichen Privatisierung und allen deren Folgen.  Zudem kommt, so Rupp, dass die EU den gemeinnützigen Bereich privatisieren will bzw. die EU-Kommission von den Privatanbietern unter Druck gerät, weil es keine entsprechende Rechtslage gibt, der EuGH nur nach den »vier Freiheiten« (freier Personen-, Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehr) entscheidet: Die Abschottung des Gesundheitsbereiches vor privaten Kapitalgebern ist nach EU-Recht nicht zulässig; Griechenland wurde diesbezüglich schon verurteilt. »Das führte schon zu Veränderungen am Arbeits- und Pharmamarkt, im Bereich der Krankenversicherungen und Krankenhausinvestitionen.
Auswirkungen für Versicherte
Der Spielraum für »Effizienzsteigerungen« durch PPP ist begrenzt. Denn im Krankenhausbereich machen allein die Personalkosten 60 bis 70 Prozent der Gesamtkosten aus. Daher befürchtet die Arbeiterkammer, dass es für die Beschäftigten zu einer Erhöhung des Lohn- und Arbeitsdrucks (z. B. keine Nachbesetzungen bei gleichzeitigem Überstundenverbot) und auch zu ethischen Problemen (Einsatz von teuren Medikamenten, Apparaten oder nicht) kommen wird. In PPP-Modellen kann es dazu kommen, dass bei Übernahme des Managements durch den privaten Partner, die Beschäftigten in einen ungünstigeren Kollektivvertrag (Privatkrankenanstalten) fallen. So bereits geschehen beim PPP zwischen Wiener KV, WGKK und Barmherzige Brüder, weiß Rümmele. Private Anbieter sind nicht wegen ihrer höheren Effizienz manchmal günstiger, sondern wegen der niedrigeren Personalkosten, ermittelte die AK-Volkswirtin Agnes Streissler. Darüber hinaus bilden diese oft kein Personal aus und greifen auf flexible Leiharbeitskräfte zurück.
Neben den Spitalsbediensteten gibt es schon 75.000 Beschäftigte im privaten Gesundheits- und Sozialbereich. Sie sind schon jetzt von Lohndumping betroffen und setzen sich - zuletzt in Oberösterreich in einer Demonstration gegen Verschlechterungen durch Änderungskün digungen - zur Wehr.
Wie weiter?
AK-Experte Rupp plädiert zumindest für die Schaffung eines österreichischen PPP-Kompetenzzentrums, um Rahmenbedingungen zu schaffen: »Im Regierungsabkommen 2007 wird so etwas und die Überarbeitung vergaberechtlicher Normen für PPP-Projekte angesprochen.«
ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer spricht sich im Zusammenhang mit der Debatte um das Gesundheitssystem gegen die Pläne von Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky aus, in den nächsten dreieinhalb Jahren gleich 2,9 Milliarden Euro im Gesundheitswesen einsparen, umschichten und/oder auslagern zu wollen und verlangt eine »verantwortungsvolle Weitsicht«: »Denn Ausgliederungen würden keine Vorteile für die Versicherten bringen, weil die Gefahr bestehe, dass es aufgrund von wirtschaftlichem Erfolgsdruck zu Leistungseinschränkungen und PatientInnenselektion kommen könnte. Die eigenen Einrichtungen (der Sozialversicherung) würden sich daher hervorragend für ein Gesamtkonzept eignen, in dem Prävention und Vorsorge eine maßgebliche Rolle spielen.
Die Wirtschaftsentwicklung, die damit steigende Beschäftigung und die Einnahmensituation der öffentlichen Hand sind so gut wie schon lange nicht«, daher verlangt die GPA-DJP bezüglich der Finanzierung der Gesundheitsversorgung: »Die Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage und die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage in der Krankenversicherung um wertschöpfungsbezogene Elemente, sie sind sinnvolle und verteilungsgerechte Lösungen.

Wilfried Leisch 

BUCHTIPP
Martin Rümmele:
Kranke Geschäfte mit unserer Gesundheit.
Symptome, Diagnosen und Nebenwirkungen der Gesundheitsreformen,
NP Buchverlag,
St. Pölten - Wien - Linz 2005
www.krankegeschaefte.at

WEBLINKS
Mehr Infos unter:
noe.arbeiterkammer.at
www.krankegeschaefte.at
www.oekz.at
www.medizinvomfliessband.at
www.wien.arbeiterkammer.at
www.community.attac.at

INFO&NEWS
Was ist PPP?
Als Public Private Partnership (Abkürzung PPP), auch Öffentlich-Private-Partnerschaft (ÖPP), wird die Mobilisierung privaten Kapitals und Fachwissens zur Erfüllung staatlicher Aufgaben bezeichnet. Im weiteren Sinn steht der Begriff auch für andere Arten des kooperativen Zusammenwirkens von Hoheitsträgern mit privaten Wirtschaftssubjekten. PPP geht in vielen Fällen mit einer Teil-Privatisierung von öffentlichen Aufgaben einher.
Aus: www.wikipedia.de


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