topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Die Arbeit ist halt momentan in Ungarn

Nur ein Dankeschön

Gesellschaftspolitik

Eine druckfrische Studie der steirischen Arbeiterkammer beleuchtet die Probleme steirischer Bauarbeiter in Ost- und Südeuropa.

Die Entwicklung des steirischen Bauarbeitsmarktes vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung ist Gegenstand eines mehrjährigen Forschungsprojektes, für das der EU-Experte der steirischen Arbeiterkammer, Dr. Franz Heschl, verantwortlich zeichnet. Als Zwischenbericht im Rahmen dieses Forschungsprojektes hat Heschl nun eine Studie mit dem Titel »Die Arbeit ist halt momentan in Ungarn. Arbeitserfahrungen steirischer Bauarbeitnehmer in Ost- und Südosteuropa« vorgelegt, die aufzeigt, dass die Wanderungsbewegungen auf den Arbeitsmärkten als Folge der Osterweiterung durchaus keine Einbahnstraße sind: »Die West-Ost-Wanderung ist natürlich keine Massenbewegung, aber es sind gar nicht so wenige heimische Bauarbeiter, die diesen Weg einschlagen«, schätzt Heschl.
Arbeitskräftemobilität
Die Baubranche sei nicht der einzige Wirtschaftszweig, in dem neue Formen der transnationalen Arbeitskräftemobilität zu beobachten seien, aber zweifellos eine jener Branchen, in denen die Unternehmen die Osterweiterung sehr schnell als Chance begriffen haben: »Die österreichischen Bauunternehmen haben seit der Ostöffnung Anfang der Neunzigerjahre und erst recht nach der Osterweiterung eine Expansionsstrategie in diesen Ländern eingeschlagen. Diese Strategie versprach umso mehr Erfolg, als gerade auf dem Bausektor entsprechender Aufholbedarf bestand und nach wie vor besteht«, skizziert Heschl die Vorgangsweise der Bauunternehmen, die er in der Studie am Beispiel der drei österreichischen Bau-Multis Porr, Strabag und Alpine nachzeichnet.
Was die von diesen Multis betriebenen Großbaustellen beispielsweise in Ungarn, der Slowakei, Slowenien, Tschechien, Bulgarien oder Rumänien gemeinsam haben, ist die Tatsache, dass an den Schaltstellen - etwa als Bauleiter oder Poliere - meist österreichische Fachkräfte tätig sind. Und zwar gar nicht unfreiwillig, wie Heschl in eingehenden Interviews mit vielen Betroffenen erfahren hat: »Die meisten der Befragten nehmen den Einsatz auf osteuropäischen Baustellen als Chance wahr, ihren Job zu sichern oder in der Unternehmenshierarchie ein wenig nach oben zu klettern, in der Annahme, dass ihre Bereitschaft zur Mobilität langfristig entsprechend honoriert wird.« Kurzfristige Lohnerhöhungen spielen eher keine Rolle.
Was allen Befragten gemeinsam ist, sei das Gefühl, mit den spezifischen Problemen, die mit einem Job auf einer Großbaustelle in Osteuropa verbunden sein können, allein gelassen zu werden. Das beginne bei Sprache und Mentalität der einheimischen Kollegen und endet bei rechtlichen Problemen wie Haftungs- oder Steuerfragen bis hin zur Versorgungssicherheit bei Unfällen.
Einhellige Kritik klingt an der mangelnden Vorbereitung auf die Rahmenbedingungen in den fremden Ländern durch. Hier sieht Heschl die entsendenden Unternehmen in der Pflicht: »Die Baukonzerne verdienen mit ihren Osteuropaaktivitäten viel Geld, nicht zuletzt dank des Einsatzes und der Mobilitätsbereitschaft der österreichischen Mitarbeiter. Da kann es doch nicht zu viel verlangt sein, diese Mitarbeiter auf Firmenkosten auf ihren Auslandsjob vorzubereiten«. Als unterbewertet betrachten die Betroffenen den Zeitaufwand, der bei dieser speziellen Form des Pendelns entsteht. In diesem Zusammenhang schlägt die AK vor, in Betriebsvereinbarungen oder individuellen Arbeitsverträgen festzulegen, dass Pendelzeiten als Arbeitszeiten zu werten sind und Regelungen für deren Abgeltung festgelegt werden.
Sechs Jahre Pendeln
Die in der Studie aufgezeigten neuen Formen der Arbeitsmobilität erfordern nach Ansicht Heschls auch eine Abgeltung im Pensionssystem: »Einer der Interviewten hat mir vorgerechnet, dass er mehr als sechs Jahre seines bisherigen Arbeitslebens mit Pendeln verbracht hat, zusätzlich zur regulären Arbeitszeit, versteht sich. Das heißt: Wenn der betreffende Kollege nach 45 Dienstjahren in Pension geht, hat er in Wirklichkeit 51 Jahre gearbeitet.« Dazu komme die bei Auslandsaufenthalten unvermeidliche Trennung von der Familie, zitiert Heschl abschließend einen weiteren Interviewpartner: »Was habe ich für eine Belohnung gehabt in meinem Leben, wenn ich 43 Jahre von der Familie weg war? Ein Dankeschön?« 
Berndt Heidorn


WEBLINKS
Broschüre zum Download:
www.akstmk.at/

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum