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Schulausbildung ist in Österreich nicht frei von Hindernissen Der Weg zur optimalen Schulausbildung ist in Österreich nicht frei von Hindernissen.
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Ene mene muh ...

Schwerpunkt

Bildungschancen sind hierzulande mehr denn je über alle Ebenen hinweg von Faktoren wie Bildung, Beruf und Einkommen der Eltern, Geschlecht sowie Herkunft geprägt.

Zeig mir deine Eltern, ich zeig dir deine Zukunft«, dieser simple Satz trifft auch heute und vor allem auf das österreichische Bildungssystem zu. Bildung, berufliche Stellung und Status, kurz die bestehenden sozialen Verhältnisse, werden Generation für Generation vererbt. Im «Europa des Wissens« sind Qualifikation und ein immer höherer Bildungsstand eines großen Teiles der Bevölkerung unumgänglich. Mit den steigenden Anforderungen des Arbeitsmarktes gehen steigende Anforderungen an Bildung und Ausbildung einher. Ein gutes Schulsystem muss es daher auch schaffen, sozio-ökonomische Herkunftsunterschiede zu überwinden und dadurch einen Beitrag zur Chancengleichheit zu leisten. Es muss Kindern und Jugendlichen unabhängig von ihrer Herkunft eine qualitativ hochwertige Ausbildung bieten. Nicht so in Österreich: Bildungschancen sind mehr denn je über alle Ebenen hinweg von Faktoren wie Bildung, Beruf und Einkommen der Eltern, Geschlecht sowie Herkunft (Stadt/Land, Migrationshintergrund) geprägt. Die Reproduktion sozialer Verhältnisse ist in kaum einem Land so hoch wie in Österreich: ArbeiterInnenkinder werden ArbeiterInnen, AkademikerInnenkinder werden AkademikerInnen, wer den sozialen Aufstieg schafft, bleibt die berühmte Ausnahme von der Regel.
Pipeline mit vielen Löchern
Stellt man sich unser Bildungssystem als eine Pipeline vor, klaffen an zahlreichen Schnittstellen große Löcher, durch die große Teile von Bildungswilligen herauspurzeln. Auffällig ist, je niedriger die soziale Herkunft, je »bildungsferner« das Elternhaus, desto früher erfolgt der Ausstieg aus dem Bildungssystem. Im Wesentlichen sind hier drei Schnittstellen zu nennen: Die erste Entscheidung muss bereits mit zehn Jahren getroffen werden: Wer kommt in die Hauptschule, wer in die AHS? Die nächste Entscheidung steht bereits vier Jahre später an: Poly, BHS oder gar AHS-Oberstufe? Untrennbar damit verknüpft ist die Frage der Hochschulberechtigung, die noch immer nahezu exklusiv an die Matura anknüpft. Sind all diese Hürden überwunden, gilt es, die Schwelle zum Universitätsstudium zu überschreiten, auch an der letzten Schnittstelle wird noch einmal deutlich ausgesiebt.
Wer geht in welche Schule?
Die erste grundlegende Richtungsentscheidung mit zehn Jahren determiniert nun aber nicht nur den zukünftigen Bildungsweg und den beruflichen Werdegang, sie ist in den meisten Fällen irreversibel. Studien, wie nicht zuletzt die PISA-Studie, zeigen: je früher eine solche Aufteilung auf - von ihrer Zielsetzung - unterschiedliche Schulsysteme in einem Land vonstatten geht, desto mehr ist die soziale Herkunft der entscheidende Faktor für die Schulwahl. Die Entscheidung wird in den seltensten Fällen von den Zehnjährigen selbst getroffen, in der Regel treffen sie die Eltern, und geben bereits damit ihre eigenen Bildungserfahrungen weiter. Fast zwei Drittel der Eltern von SchülerInnen der 1. Klasse AHS verfügen selbst über mindestens die Matura, in der Hauptschule sind es gerade mal 30 Prozent. Gerade der bisherige »Leistungserfolg«, an den unser Schulunterrichtsgesetz anknüpft, ist oft Ergebnis des schichtspezifischen Sozialisationsprozesses des Kindes. Vor allem sogenannte »nicht intellektuelle« Faktoren bestimmen abseits der kognitiven Leistungsfähigkeit (die ja per se über alle soziale Schichten gleichmäßig verteilt ist) den Schulerfolg: Persönlichkeit, Einstellungen, Autoritätsbeziehungen, Selbstwertgefühl, Zielorientierung etc. - allesamt sozial determinierte Faktoren und Ergebnis »günstiger« Sozialisationsbedingungen. Hinzu kommen auch im Elternhaushalt vorhandene Bildungsressourcen, Bücher, die Möglichkeit mit den eigenen Kindern zu lernen oder eine erforderliche Nachhilfe zu finanzieren. Je geringer das elterliche Einkommen, desto größer ist die relative Belastung durch die Schulkosten. In Summe zeigt die vermeintliche Teilung nach Leistung und Begabung ein ganz klares Bild der sozialen Selektion: So kommen z. B. 45 Prozent der SchülerInnen in der Hauptschule aus einem Haushalt mit weniger als 1.500 Euro Nettoeinkommen, im Polytechnikum sind es sogar 59 Prozent, in der AHS hingegen nur 18 Prozent.
Einbahnstraße
Hinzu kommt, dass die Durchlässigkeit im Schulsystem eine denkbar geringe ist: Der Wechsel von der Hauptsschule in eine AHS, oder später von der Berufstätigkeit auf die Universität ist zwar theoretisch möglich, wird aber kaum genutzt. In der Hauptschule ist für viele der Bildungsweg zu Ende, auch hier entscheidet einmal mehr der soziale Background: Gerade mal sieben Prozent der Kinder, deren Eltern nur über einen Pflichtschulabschluss verfügen, werden nach
der Hauptschule eine maturaführende Schule besuchen.
Haben die Eltern selbst die Matura liegt die Wahrscheinlichkeit bereits bei 33 Prozent, bei 44 Prozent wenn die Eltern studiert haben. Jene Kinder, die die AHS-Unterstufe besucht haben, sind schon einen entscheidenden Schritt weiter: Haben ihre Eltern nur einen Pflichtschulabschluss werden sie dennoch mit 63 Prozent Wahrscheinlichkeit eine maturaführende Oberstufe besuchen, bei AkademikerInnenkindern sind es sogar 93 Prozent.
Auffällig ist, dass das von Konservativen hochgejubelte österreichische System im internationalen Vergleich Seltenheitswert hat. Immer mehr Staaten gehen - Vorbildern wie dem Pisa-Sieger Finnland folgend - den Weg zum gemeinsamen Schultyp aller bis zum Alter von 14-16 Jahren. Erst danach wird in verschiedene Zweige aufgesplittet. Der Erfolg gibt solchen Gesamtschulmodellen recht: Nicht nur, dass die soziale Integration wesentlich besser gelingt, auch der Gesamterfolg bewegt sich deutlich über jenem der an der frühen Teilung festhaltenden Staaten wie Österreich und Deutschland. Es gelingt andernorts also, sowohl die Schwachen zu fördern als auch die Guten zu fordern und insgesamt ein höheres Niveau zu erreichen.
Wenn ich groß bin
In den letzten Jahren rückte auch zunehmend die soziale Schieflage in der bildungsmäßigen »Königsdisziplin«, dem Universitätsstudium in die Schlagzeilen. So verzeichnet die jüngste Studierenden-Sozialerhebung einen Rückgang an Studierenden aus sozial schwachen Verhältnissen nicht nur im Universitätsbereich, sondern auch in den berufsnahen Fachhochschulen, wo die Möglichkeit, ohne Matura dafür mit einigen Jahren Berufserfahrung einzusteigen, lange Zeit als entscheidend niedrige Einstiegsschwelle galt. Gerade an den Universitäten spielt die eigene Sozialisation eine große Rolle. Wer dem akademischen Habitus nicht gerecht wird, wird sanktioniert, während vor allem der Habitus gesellschaftlicher Eliten honoriert wird. Studiengebühren, Knock-out-Prüfungen und die Unmöglichkeit die notwendige Erwerbstätigkeit mit dem Studium zu vereinbaren, führen zu einem zunehmenden Studienabbruch von Studierenden aus bildungsfernen Schichten.  

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