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Miteinander Füreinander

Systematisch ausgrenzen

Gesellschaftspolitik

Mobbing ist mehr eine Frage der Arbeitsbedingungen, als der »Opferpersönlichkeit«.

Studien belegen, dass die Mobbinghäufigkeit mehr von Arbeitsbedingungen beeinflusst ist als von der Persönlichkeit der Mobbingbetroffenen. Um Mobbing vorzubeugen, müssen deshalb Arbeitsbedingungen wie schlechtes Arbeitsklima, mangelnde Führungskompetenzen, mangelnde Konfliktkultur und schlechte Arbeitsorganisation ins Visier genommen werden.
Das Modewort Mobbing
Das Wort Mobbing ist in aller Munde - wenn ein Begriff zum Modewort wird, wird er aber auch häufig falsch verwendet. So wird heute ein Streit unter KollegInnen oder eine Schikane des Vorgesetzten oft vorschnell als Mobbing bezeichnet und tatsächliche Mobbingbetroffene finden immer schwerer Gehör.
Mobbing leitet sich vom englischen Wort »to mob« ab und bedeutet so viel wie bedrängen, anpöbeln, angreifen. Wir sprechen dann von Mobbing, wenn ArbeitskollegInnen über einen längeren Zeitraum gezielt und systematisch ausgegrenzt werden mit dem Ziel, diese vom Arbeitsplatz zu vertreiben. Mobbing ist also nur möglich, wenn die MobbingtäterInnen und die Mobbingbetroffenen in einer Arbeitsbeziehung zueinander stehen und denselben Arbeitgeber bzw. dieselbe Arbeitgeberin haben. In den meisten Fällen richtet sich Mobbing nur gegen eine Kollegin oder einen Kollegen.
Eine repräsentative Befragung im Rahmen des deutschen Mobbing-Reports gaben 11,3 Prozent der Befragten an, im Laufe ihres Arbeitslebens bereits einmal von Mobbing betroffen gewesen zu sein. Das heißt, dass jede/r neunte Beschäftigte im Laufe ihres/seines Arbeitslebens einmal von Mobbing betroffen ist. Umgerechnet auf Österreich betrifft das mehr als 430.000 Erwerbstätige.
Es gibt, neben dem Mobbing unter ArbeitskollegInnen auf gleicher Ebene, auch noch andere Begriffe, die spezielle Mobbinghandlungen beschreiben:

  • Bossing steht für Mobbinghandlungen von oben nach unten, z. B. wenn Vorgesetzte gegenüber einem/einer MitarbeiterIn oder mehreren MitarbeiterInnen mobben;
  • Staffing steht für Mobbing von unten nach oben, wenn MitarbeiterInnen eine/n ihrer Vorgesetzten mobben;
  • Bullying bezeichnet Mobbinghandlungen unter SchülerInnen.

Nach Angaben des deutschen Mobbing-Reports geht das Mobbing in etwa 50 Prozent der Fälle entweder vom Vorgesetzten oder von Vorgesetzten und KollegInnen aus. 22 Prozent der Befragten gaben an, nur von KollegInnen gemobbt zu werden. Das Mobbing von unten nach oben, also Staffing, wurde nur von ca. zwei Prozent angegeben.
Konkurrenzverhalten zwischen Gruppen oder Abteilungen, als ungerecht empfundene Kritik an der Arbeit oder Beförderung eines anderen Arbeitskollegen kann nicht als Mobbing bezeichnet werden. Überall, wo Menschen miteinander arbeiten, gibt es Differenzen, Ärgernisse und Auseinandersetzungen. Deshalb kann auch nicht jeder Konflikt unter ArbeitskollegInnen gleich als Mobbing bezeichnet werden. Gerade offen ausgetragene Streitgespräche können, sobald sich die Gemüter wieder beruhigt haben, oft durch klärende Gespräche aus der Welt geschafft werden, das ist oft ein wichtiger Faktor, um Mobbing vorzubeugen.
Wie entsteht Mobbing?
Mobbing entsteht dort, wo dauernd schwelende Konflikte »unter den Teppich gekehrt« werden. Irgendwann geht es nicht mehr um inhaltliche Differenzen, sondern die andere Person wird als Ursache der fest gefahrene Situation betrachtet - dann ist es oft nur ein kleiner Schritt zum Mobbing.
Nach den Befragungen des Mobbing-Reports konnten keine Aussagen über »typische« Mobbingbetroffene gemacht werden. Allerdings können persönliche Verhaltensweisen, wie beispielsweise ein konstruktiver Umgang mit Konfliktsituationen und hohe soziale Kompetenz,
den Ablauf von Mobbing bereits im Anfangsstadium unterbrechen. Generell sind es aber weniger die persönlichen Merkmale, als die betrieblichen Rahmenbedingungen, die Mobbing vorbeugen bzw. begünstigen. 60 Prozent der befragten Mobbingbetroffenen gaben an, dass es vor ihnen oder auch parallel andere Mobbingfälle im Betrieb gab.
Indikatoren, die Mobbing im Betrieb begünstigen sind:

  • schlechtes Arbeitsklima,
  • Defizite im Führungsverhalten, wie zum Beispiel eine mangelnde Gesprächsbereitschaft von Vorgesetzen oder konfliktscheue Vorgesetzte,
  • Unzufriedenheit mit der Arbeitsorganisation: Stress und Termindruck, unklare Zuständigkeiten oder intransparente Entscheidungsvorgänge,
    starre Hierarchien,
  • Angst um den Arbeitsplatz,
  • Umstrukturierungen der Abteilung oder des Betriebs.


Die vier Phasen von Mobbing
Der Arbeitspsychologe Heinz Leymann erstellte aufgrund seiner Auswertungen von Mobbingfällen ein Verlaufsmodell des Mobbingprozesses, das sich in vier Phasen gliedert:

  1. Konflikte in der Organisation werden nicht konstruktiv gelöst. Begünstigt wird das durch schlechte Arbeitsorganisation und Verunsicherung, die zum Beispiel bei häufigen Umstrukturierungen entstehen. Streitereien werden zunehmend systematischer, noch ist aber nicht klar, wohin dieser Prozess führt.
  2. In der zweiten Phase entstehen gezielte Mobbinghandlungen, wie zum Beispiel Isolation, Kommunikationsverweigerung oder Beleidigungen. Die »Front« der MobberInnen formiert sich und der/die Mobbingbetroffene wird systematisch ausgegrenzt. In dieser Phase reagieren die Gemobbten häufig mit psychosomatischen Symptomen wie Schlafstörungen, Magenproblemen, Migräne und depressiven Verstimmungen.
  3. In Phase drei reagiert die Betriebsleitung und setzt Maßnahmen wie Versetzungen, Verwarnungen oder ausgesprochene Kündigungswünsche. In dieser Phase wird der/die Mobbingbetroffene zum Sündenbock, der/die das Betriebsklima stört. Die Vorgesetzten hoffen, durch die Maßnahmen die Situation zu bereinigen. Mobbingbetroffene ihrerseits werten diese Maßnahmen häufig als Angriffe und reagieren mit massiven Abwehrreaktionen. Erschöpfung und psychosomatische Störungen führen zu mehr krankheitsbedingten Fehlzeiten.
  4. Mit Phase vier beginnt der soziale Abstieg und oft der Ausschluss aus der Arbeitswelt. Die betroffene Person ist den beruflichen und sozialen Anforderungen nicht mehr gewachsen. Spätestens jetzt müssen sich ArbeitgeberInnen und Betriebsrat des Themas annehmen. Das Problem dabei: ArbeitgeberInnen sind bemüht, die Situation schnell zu »bereinigen« und stellen sich selten die Frage, wie es zu dieser Eskalation gekommen ist.

Auswirkungen von Mobbing
Welche Auswirkungen zwischenmenschliche Beziehungen in der Arbeitswelt auf die psychische und physische Gesundheit haben, wurde bisher wenig untersucht - meist werden körperliche Symptome behandelt, die Wurzel des Problems aber nicht erkannt. Charakteristisch für Mobbingbetroffene sind häufige Krankenstände mit Magen- und Darmproblemen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Depressionen etc.
Mobbing hat aber auch Auswirkungen auf betriebswirtschaftlicher Ebene. Nicht nur vermehrte Krankenstände sind die Folge, sondern auch der Verlust vieler Zeit- und Energieressourcen. Studien belegen, dass Mobbingbetroffene 40 Prozent ihrer Energie während der Arbeitszeit darauf verwenden, sich gegen Mobbingattacken zu wehren. Über 70 Prozent der Mobbingbetroffenen gaben im deutschen Mobbing-Report an, dass sie demotiviert seien, und 57 Prozent hatten laut eigenen Angaben bereits innerlich gekündigt. Gleichzeitig verwenden aber auch die MobbingtäterInnen etwa 40 Prozent ihrer Arbeitsenergie, um weitere Mobbinghandlungen durchzuführen und schrecken dabei nicht davor zurück, durch Sabotage oder Zurückhaltung von Informationen, den Betrieb zu schädigen.
Was tun im Fall von Mobbing?
ArbeitgeberInnen müssen aufgrund ihrer Fürsorgepflicht eingreifen, wenn sie mit Mobbingvorfällen im Betrieb konfrontiert sind. Auch BetriebsrätInnen und PersonalvertreterInnen können und sollen die Interessen von Mobbingbetroffenen wahrnehmen. Bei der Unterstützung von Mobbingbetroffenen müssen folgende Grundsätze eingehalten werden:

  • Die Betroffenen sollen ihre Bedürfnisse selbst formulieren und aktiv an Lösungsvorschlägen mitarbeiten. Es sollten keinesfalls ohne ihr Wissen Entscheidungen getroffen und Maßnahmen gesetzt werden.
  • Die Ursachen für das entstandene Mobbing müssen genauer unter die Lupe genommen werden und möglichen Motiven der MobberInnen muss nachgegangen werden.
  • Lösungsvorschläge sollten immer mit allen Beteiligten gemeinsam erarbeitet werden.
  • Externe Hilfe in Anspruch nehmen, wie zum Beispiel MobbingberaterInnen oder SupervisorInnen.

Mobbingbetroffene oder auch BetriebsrätInnen und PersonalvertreterInnen, die Unterstützung brauchen, können sich an die ÖGB-Mobbingberatung wenden. Prinzipiell empfiehlt es sich, die Mobbingvorfälle in Form eines »Mobbingtagebuchs« genau zu dokumentieren. Dieses Tagebuch ist oft die einzige Beweissicherung. Mobbingbetroffene sollten sich ein »soziales Netzwerk« aus Gesprächs- und BündnispartnerInnen im privaten, wie im beruflichen Umfeld suchen. Im weit fortgeschrittenen Mobbingprozess ist therapeutische Unterstützung notwendig.
Eine rechtliche Handhabe gegen Mobbing gibt es in Österreich noch nicht. Sollten im Zusammenhang mit Mobbing auch Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, einer Behinderung, der Religion, der Ethnie oder der sexuellen Orientierung vorliegen, kann allerdings im Rahmen des Gleichbehandlungsgesetzes die Gleichbehandlungsanwaltschaft eingeschalten werden.
Vorbeugen statt Nachsorgen
Mobbing im Betrieb kostet allen Beteiligten - MobberInnen, Mobbingbetroffene, ArbeitgeberIn, Betriebsrat/Personalvertretung - viel Energie. Das geht bis zu hoher Fluktuation im Unternehmen, mehr Krankenständen und einem generell schlechten Betriebsklima. Vorbeugen und Mobbing bereits im Anfang zu verhindern, ist daher die beste Lösung. Um Mobbing vorzubeugen, müssen ArbeitgeberIn und Betriebsrat für das Thema sensibilisieren, zum Beispiel in Form von Betriebsversammlungen oder in MitarbeiterInnen- und Führungskräfteschulungen. Mobbinghandlungen müssen im Unternehmen als verpönte Praktiken verurteilt und auch geahndet werden - zum Beispiel im Rahmen einer Betriebsvereinbarung4. Gleichzeitig soll im Unternehmen ein offenes Gesprächsklima gefördert werden, in dem Konflikte unter ArbeitskollegInnen angesprochen und gelöst werden können.

WEBLINKS:
Mobbing-Enquete am 18. Februar
www.voegb.at/freizeit/events/feb08_einladung_mobbing.pdf

Infos der AK zu Mobbing
www.arbeiterkammer.at/www-192-IP-938.html

Der ÖGB zum Thema
www.oegb.at/beratung

Musterbetriebsvereinbarung
www.gesundearbeit.at

KONTAKT
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an die Autorinnen
renate.czeskleba@oegb.at
karin.zimmermann@oegb.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at
Unterstützung bei Mobbing im Betrieb bietet das ÖGB-Beratungszentrum:
ilse.reichart@oegb.at

Veranstaltung:
Aktiv gegen Mobbing am Arbeitsplatz, Montag, 18. Februar 2008
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