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Wolfgang Katzian Wolfgang Katzian, Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier

Kommentar | Arbeitszeit - Lebenszeit

Meinung

Wenn wir über Verteilungsgerechtigkeit sprechen, ist eines der wichtigsten Güter, das wir zu verteilen haben, unsere Zeit

Wie unsere Arbeitszeit gestaltet ist, hat nicht nur unmittelbare Auswirkungen auf unsere persönliche Zufriedenheit, sondern auch auf unsere physische und psychische Gesundheit. Kaum ein Thema beschäftigt Gewerkschaften zu allen Zeiten und an allen Orten so stark wie das Thema Arbeitszeit. Kaum ein Gesetz, das ArbeitnehmerInnenrechte betrifft, wird so häufig gebrochen, wie das Arbeitszeitgesetz.

Dabei geht es nicht nur um die Frage, wie viele Stunden wir pro Jahr, pro Woche und pro Tag arbeiten müssen, sondern ganz wesentlich auch um die Verteilung der Arbeitszeit. Die Möglichkeit, die Arbeitszeit selbstbestimmt mit den eigenen Bedürfnissen in Einklang zu bringen, erhöht unsere Lebensqualität ungemein. Eine aktuelle Jugend-Werte-Studie des Instituts für Jugendforschung zeigt, dass vielen jungen ArbeitnehmerInnen eine gelungene Work-Life-Balance und weniger Stress wichtiger sind als Karriere und Geld. Kurz gesagt, sich im Job selbst zu verwirklichen ist schön, aber es muss auch genug Zeit für das Leben neben dem Job bleiben.

Gerade in Zeiten, in denen der Druck auf ArbeitnehmerInnen ständig zunimmt, in denen nach engen Budget-Richtlinien und strikten Zielvorgaben gearbeitet werden muss, und ArbeitnehmerInnen immer später in Pension gehen können, ist eine zentrale Herausforderung die Gestaltung der Arbeitszeit. Denn das Problem liegt auf der Hand: Bereits jede/r fünfte unselbstständig Erwerbstätige arbeitet unter Stress. Burn-out ist längst nicht mehr nur eine Krankheit der ManagerInnen, sondern kann alle ArbeitnehmerInnen treffen. Psychische Erkrankungen sind mittlerweile die zweithäufigste Ursache für Berufsunfähigkeits- bzw. Invaliditätspensionen.
Mach mal Pause
Kein Wunder: Denn laut Mikrozensus Arbeitskräfteerhebung arbeiten in Österreich etwa 740.000 unselbstständig Beschäftigte mehr als 41 Stunden pro Woche. Dazu kommt noch eine große Zahl unbezahlter Mehrstunden, die vor allem Teilzeitbeschäftigte leisten.

Neben der Möglichkeit, längere zusammenhängende Auszeiten in Anspruch nehmen zu können, sind ausreichende und sinnvoll gestaltete Arbeitspausen für mich einer der wichtigsten Faktoren zur Vermeidung von Stress und arbeitsbedingten Erkrankungen. Laut österreichischem Arbeitszeitgesetz haben alle ArbeitnehmerInnen, die länger als sechs Stunden arbeiten, Anspruch auf eine halbe Stunde Pause. Diese muss der/die ArbeitgeberIn allen MitarbeiterInnen gewähren. Bezahlen muss er sie allerdings nicht.
Nicht auf Abruf verfügbar
Wichtig zu wissen ist auch, dass die ArbeitnehmerInnen diese Zeit jedenfalls zur freien Verfügung haben müssen. Sie dürfen den Arbeitsplatz nach Belieben verlassen und müssen nicht auf Abruf verfügbar sein. ArbeitsmedizinerInnen weisen immer wieder darauf hin, dass diese Pausen unbedingt notwendig sind. Sie fördern die Gesundheit, das allgemeine Wohlbefinden und erhöhen die Leistungsfähigkeit. Damit laufen sie jedoch weder bei ArbeitnehmerInnen noch bei ArbeitgeberInnen offene Türen ein. Viele Beschäftigte erleben unbezahlte Pausen als verlorene Zeit, die später wieder eingearbeitet werden muss.  Und auch die Unternehmen sehen nicht immer den Wert der Pausen.

In vielen Branchen, wie etwa dem Handel, kommt es häufig vor, dass die Pausen beschnitten werden. Die Beschäftigten dürfen den Arbeitsplatz nicht verlassen und müssen bereit stehen, um auszuhelfen. An »starken« Tagen kann es so schon einmal vorkommen, dass die Mittagspause komplett ausfällt.
Wenn Pausenkultur fehlt
Dazu kommt, dass in vielen Betrieben keine Pausenräume vorhanden sind und die Beschäftigten vor allem bei Schlechtwetter kaum eine andere Möglichkeit haben, als ihre Pause am Arbeitsplatz zu verbringen. Was uns hier fehlt ist meiner Ansicht nach Pausenkultur. Dabei zeigen Erfahrungswerte aus den USA, Kanada und Japan, dass es sich für ArbeitgeberInnen lohnt, auch Infrastruktur für Pausen zur Verfügung zu stellen. Sogenannte Relax-Center, in denen die MitarbeiterInnen auch ein Mittagsschläfchen abhalten können, gelten dort als wahre Wundermittel, um neue Energie zu schöpfen. Den meisten heimischen ArbeitgeberInnen, aber auch MitarbeiterInnen, würde der Vorschlag, ein geregeltes Büroschläfchen abzuhalten, dagegen kaum mehr als ein müdes Lächeln entlocken.

Anders sah das die Stadtverwaltung der deutschen Stadt Vechta. Sie wagte im Jahr 2000 ein außergewöhnliches Experiment und erarbeitete ein Gesundheitskonzept, das den MitarbeiterInnen unter anderem ermöglicht, mittags ein Nickerchen abzuhalten. Das Ergebnis spricht für sich: Die Arbeitsproduktivität stieg, die Krankenstände gingen deutlich zurück. Die GPA-DJP hat sich im ersten Halbjahr 2008 als einen Arbeitsschwerpunkt das Thema Pausen vorgenommen. Geplant haben wir in diesem Zusammenhang einerseits eine Befragung unter Beschäftigten und andererseits eine Informationsoffensive. Ich bin Realist genug, zu wissen, dass wir nicht morgen die ÖsterreicherInnen vom Wert des Büroschlafs überzeugt haben werden. Ich meine aber, dass wir einen wichtigen Schritt weiter sind, wenn es uns gelingt, einigen Menschen näherzubringen, dass Pausen keine verlorenen, sondern im Gegenteil gewonnene Zeiten sind.

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