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Entwicklung der Steueraufkommens

Zur Verteilungsdiskussion

Schwerpunkt

Die ArbeitnehmerInnen finanzieren großteils Abgabensystem und EU-Beiträge, bekommen aber weniger öffentliche Unterstützung als LandbesitzerInnen.

Mit der Entscheidung vom 25. Oktober 2007 hat die EU-Kommission1 gegenüber Österreich das Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum für den Zeitraum 2007 bis 2013 mit einem Gesamtvolumen an öffentlichen Ausgaben in der Höhe von 7.822,289.0532 Euro genehmigt. Weder vor noch nach dieser Entscheidung war eine signifikante öffentliche Debatte über den zugrunde liegenden Sachverhalt wahrzunehmen, obwohl hinter den Kulissen Österreichs Landwirte und Forstwirte dieses künftige öffentliche Fördervolumen für sich reklamieren. Um sich solches öffentliches Fördervolumen vorzustellen zu können, sind Bezugsrahmen als »V ermessungspunkte« notwendig - etwa die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, das im »Grünen Bericht 2007« ausgewiesene Einkommen der Landwirte, die Einkommen der unselbstständig Erwerbstätigen - und vor allem auch die Frage, wer diese Förderungen bezahlt - was den Blick auf das Steuer- und Abgabensystem sowie auf Transferleistungen notwendig macht. Das von der EU-Kommission genehmigte Förderungsvolumen umfasst die »traditionellen Agrarsubventionen« und Mittel für die ländliche Entwicklung. Es übersteigt den Produktionswert des gesamten Sektors Land- und Forstwirtschaft des Jahres 2007 (7,13 Mrd. Euro) um rund 700 Millionen Euro. Das »Faktoreinkommen Landwirtschaft«3 belief sich im Jahr 2007 auf 2,436 Mrd. Euro - anders ausgedrückt: das genehmigte Fördervolumen entspricht 3,2-mal dem Jahreseinkommen laut VGR4 aller österreichischen Landwirte zusammengenommen.
Weichenstellungen
Die Kehrseite jeder Transferleistung ist, dass dafür jemand Steuern und Abgaben zu tragen hat. Zahler des gesamten Förderungsvolumens von 7,822 Mrd. Euro ist nicht einfach »die EU«. Daher muss Österreich genügend eigene Agrarförderungsmittel bereitstellen. Der Blick auf das österreichische Steuer- und Abgabensystem - und seine Dynamik - zeigt, dass die überwiegende Steuer- und Abgabenlast von den ArbeitnehmerInnen getragen wird, wobei insbesondere die Lohnsteuer einer hohen Dynamik unterliegt. Von dort liefert Österreich an das EU-Budget mehr Geld ab, als wieder zurückfließt.

Mit den künftigen Agrarförderungen wurden verteilungspolitische Weichenstellungen vorgenommen5, die jene, von der Bevölkerung als äußerst unsozial empfundenen Umverteilungen der Jahre 2001 bis 2006 bei weitem übertreffen.

Das im jährlichen »Grünen Bericht«6 dargestellte »landwirtschaftliche Einkommen« ist dem Wesen nach ein aus den Buchführungsergebnissen landwirtschaftlicher Betriebe abgeleiteter Gewinnbegriff. Im Durchschnitt aller Betriebe beträgt dieses aus der Differenz von Erträgen minus Aufwendungen gebildete Einkommen 22.263 Euro/Jahr. Darin sind die an die Agrarbetriebe ausbezahlten öffentlichen Förderungen von durchschnittlich 17.409 Euro/Jahr enthalten.

Eigentliche Aussagekraft kommt jedoch dem »Verbrauch« der bäuerlichen Familie zu. Dieser gibt Auskunft darüber, wie viel vom jährlichen Gesamteinkommen unter Berücksichtigung der Zahlungen an die Sozialversicherung7 verbraucht werden kann, ohne dass die Substanz des landwirtschaftlichen Betriebes geschmälert wird. Laut Grünem Bericht sind ausgehend vom durchschnittlichen Gesamteinkommen im Landwirtschaftsbetrieb in Höhe von 40.513 Euro Zahlungen in Höhe von 5.034 Euro an die Sozialversicherung zu leisten.

Für den Privatverbrauch (in dem die wesentlichen Lebenshaltungskosten wie Wohnung oder Nahrungsmittel anders berechnet werden, weil sie am Bauernhof zur Verfügung stehen) werden 28.252 Euro verwendet - der Rest in Höhe von 7.227 Euro wird gespart. Die gesamte jährliche Steuerleistung aller Land- und Forstwirte beträgt weniger als 100 Mio. Euro - das läuft auf ein beinahe steuerfreies Einkommen hinaus. Der Einheitswert als Bemessungsgrundlage wurde seit Jahrzehnten nicht mehr angepasst - und hat sich mittlerweile mehr und mehr vom Verkehrswert entfernt.
Hohe Preissteigerungen
Die Einkommensstatistik des Hauptverbandes der Sozialversicherungen zeigt, dass die Hälfte aller ArbeiterInnen und Angestellten ein Jahreseinkommen von weniger als 22.470 Euro/Jahr erzielt. Davon müssen Lohnsteuer und Sozialversicherung entrichtet werden, um dann vom Rest die lebensnotwendigen Dinge bezahlen zu können. Dabei geht für Nahrungsmittel, Wohnen und für die Mobilität mehr als die Hälfte des verfügbaren Einkommens auf. Aber gerade diese drei Ausgabenposten unterliegen in den letzten Monaten besonders hohen Preissteigerungen. Gemäß Lohnsteuerstatistik stieg das Aufkommen an Lohnsteuer im Jahr 2006 um 7,8 Prozent auf 19,142 Mrd. Euro an. In diesem Jahr wurden für die Landwirtschaft 50.500 ausländische Arbeitskräfte bewilligt8 - über ihre bei uns erzielten Einkommen und die Arbeitsbedingungen ist gegenwärtig nur wenig bekannt. Spätestens vor dem Hintergrund des EU-Wettbewerbsrechts scheinen der Förderung des Arbeitseinsatzes aus öffentlichen Mitteln in der Landwirtschaft Grenzen gesetzt.

Laut Geschäftsbericht des AMS betrug 2006 der Tagsatz beim Arbeitslosengeld 24,6 Euro/Tag bzw. 738 Euro/Monat, für die Notstandshilfe 19 Euro/Tag (= 570 Euro im Monat) und die Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes 14,70 Euro/Tag bzw. 441 Euro im Monat. Auch diese vergleichsweise geringe öffentliche Unterstützung angesichts des Verlustes des Arbeitsplatzes ist manchen immer noch zu hoch. Als vermeintliche Rezepte dagegen setzen Hardliner auf weitere Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, auf strengere Zumutbarkeitsbestimmungen beim Bezug von Arbeitslosengeld usw. Insgesamt kommt eine Schieflage beim System der Transferleistungen zum Vorschein: Nicht nur, dass das Steuer- und Abgabensystem und die EU-Beiträge großteils von den ArbeitnehmerInnen finanziert werden, letztere bekommen selbst für die Investition in Ausbildung zur Qualifikation am Arbeitsmarkt ungleich weniger an öffentlicher Unterstützung zugestanden als LandbesitzerInnen.
Agrarförderungen im Jahr 2006
Rund 60 Prozent aller Betriebe sind Nebenerwerbsbetriebe, rund 40 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe werden von Frauen geführt.
Im Jahr 2006 gab es laut Grünem Bericht 2007 in Österreich:

1.319 Förderfälle mit mehr als 72.673 Euro/Jahr
3.272   Förderfälle mit mehr als 50.871 Euro/Jahr
7.882   Förderfälle mit mehr als 36.336 Euro/Jahr
13.875 Förderfälle mit mehr als 29.069 Euro/Jahr.

Es stimmt, dass die Höhe der Agrarförderungen tendenziell mit der Betriebsgröße (Fläche, Viehbestand) zunimmt. Trotzdem sinkt die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe mit einer Fläche von mehr als 200 ha besonders stark. Das sind von ihrer Ausstattung und möglichen betriebswirtschaftlichen Vorteilen jene Betriebe, die mit einer künftig liberaleren Agrarmarktordnung am ehesten zurechtkommen müssten. Der Umkehrschluss in Bezug auf die Agrarförderungen jedoch, dass die »Kleinen« nichts, oder nur wenig bekämen, ist auch nicht zutreffend.

Das landwirtschaftliche Einkommen der Betriebe zwischen sechs und 12 ha beträgt zwar nur rund 10.000 Euro/Jahr, das Gesamteinkommen rund 20.000 Euro/Jahr. Aber auf die Kleinbetriebe entfällt mehr als die Hälfte aller Agrarförderungen. Dennoch ist es wahrscheinlich auf Dauer nicht realistisch, die jährlichen Subventionen, die nicht von den Landwirten getragen werden, für landwirtschaftliche Kleinbetriebe ständig weiter zu erhöhen. Würde der das verlangt, den gleichen Anspruch auch z. B. für die 235.806 geringfügig Beschäftigten gelten lassen?

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