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Ausbeutung an Bord

Aus AK und Gewerkschaften

Die Gäste der Donau-Kreuzschifffahrt kommen aus aller Welt. Wie auch die ArbeitnehmerInnen, die oft zu Drittweltbedingungen arbeiten.

Schöne Landschaft, bequemes, sicheres Reisen, die Vielfältigkeit des Flusses«, nennen KonsumentInnen als Gründe, eine mehrtägige Kreuzfahrt auf der Donau zu buchen. Es sei leicht, Land und Leute kennenzulernen. Das Personal, das kennt man kaum. Es kommt aus Rumänien, Bulgarien, Weißrussland oder China. Ganz legal, denn laut Regierungsbeschluss braucht das nautische Personal in der grenzüberschreitenden See- und Binnenschifffahrt keine Arbeitsgenehmigung mehr. »Das hat den Vorteil, dass man bis tief in den Osten auf Personal zurückgreifen kann, weil es immer ›billigere‹ Leute gibt, die bis Japan hinunter verfügbar sind«, kommentiert Robert Hengster, Sekretär der Bundesfachgruppe »Luft und Wasser« sarkastisch.

Soko Donau

Der Fall, der im vergangenen Sommer an die Gewerkschaft vida herangetragen wurde, klingt wie ein Krimi ohne Tote. Die rumänische Kellnerin Dajana und ihre Kollegen Aurelian und Alex* sind die Hochsee als Arbeitsplatz gewohnt. Daher haben sie auch die Notrufnummer der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) in der Tasche. Das ist nützlich, wenn man als Besatzungsmitglied plötzlich merken muss, mit einem falschen Arbeitsvertrag betrogen worden zu sein. Die Beteiligten am Skandal, der stellvertretend ist für das tägliche Geschehen auf Österreichs Tourismusattraktion Donau: Die rumänische Agentur International Manning Services s.r.l vermittelt an Dajana, Aurelian und Alex einen Arbeitsvertrag als Barkeeper bzw. Kellnerin auf dem Kreuzschiff Basilea Danubia. Sie bezahlen dafür 600 Euro, im Glauben, es handle sich um eine Anstellung bei einem österreichischen Unternehmen. Der Vertrag (er liegt der Redaktion vor) und die gesamte Kommunikation ist in deutscher Sprache. Tatsächlich erfolgt die Anstellung jedoch durch die slowakische Firma ILSC Interland & Sea Contract, die das Personal für die IHS Management GmbH bereitstellt. Die IHS Management GmbH, mit Sitz in der Schweiz und dem österreichischen Kaufmann Hans Stadler als Geschäftsführer, ist zuständig für das Hotel- und Gastronomiemanagement am Schiff Basilea Danubia. Schiffseigner wiederum ist die Schweizer BSL Cruises G.m.b.H. Als Schnittstelle zwischen dem Personalbereitsteller IHS Management GmbH und dem Schiffseigner BSL Cruises G.m.b.H. fungiert KWIK & ISI AG und CO KEG, mit Sitz in Salzburg. Als Reiseveranstalter schließlich agiert das Madrider Unternehmen Politours.

Chronologie

Laut Vertrag sind für 40 Wochenstunden 850 Euro plus Diäten vereinbart. Die Realität sieht anders aus: Gearbeitet wird an sieben Tagen zwölf Stunden lang. Die Frage nach Abgeltung der geleisteten Überstunden wird mit einer Dienstfreistellung quittiert. Kleiner Exkurs: Nach einem Beinbruch bei der Schiffsreinigung in Budapest war Dajana bedrängt worden, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu unterschreiben. Gemeldet wurde der Unfall erst aufgrund einer Schiffskontrolle der Polizei in Wien, denen die Frau mit dem Gipsbein aufgefallen war. In Österreich fordern die Betroffenen ihr Geld und wollen weiter arbeiten: Schließlich haben sie ja dafür sogar bezahlt. Sie sprechen nicht nur Rumänisch und Deutsch, sondern auch Englisch und wählen die Notrufnummer der ITF. Die ist für die Hochsee-, nicht für die Binnenschifffahrt zuständig und meldet den Fall an die Kollegen der Gewerkschaft vida. Die Sektion »Luft und Wasser« interveniert nach klassischer Gewerkschaftsart, spricht mit den Betroffenen und Herbert Kronegger vom Salzburger Unternehmen KWIK & ISI Holding AG und CO KEG. Der Hotelmanager - er war auch bei der Polizeikontrolle in Ungarn am Schiff gewesen - verspricht Abhilfe. In Wien gehen die drei KollegInnen wieder an Bord. Nach einem Wechsel der Reisegruppe finden sie ihre Kabinen leer vor: Ihr Gepäck steht am Ufer des Linzer Hafens. Sollten sie das Schiff wieder betreten, so heißt es, würde gegen sie Besitzstörungsklage erhoben. Zum Glück haben sie nun auch die Telefonnummer der Gewerkschaft vida: Die organisiert die Reise nach Wien, sorgt für Unterkunft und Verpflegung.

Das Gehalt - 1.500 bis 2.500 Euro pro Person - bleibt ausständig. Die drei Geprellten intervenieren beim Arbeitgeber ILSC und IHS Management GmbH. IHS-Geschäftsführer Stadler schiebt die Verantwortung auf das slowakische Personalbüro ILSC. Schließlich wird an Aurelian ein geringer Teil der Forderung - 546 Euro - überwiesen. Als Ausstellender zeichnet IHS Management GmbH, die - angeblich - mit der Sache nichts zu tun hat. Interessant ist auch die Homepage des Unternehmens, deren Gesellschaftsanteile zu 95 Prozent im Besitz der Finanzierungsgesellschaft KWIK & ISI Holding AG sind. »Behandle Deine Mitarbeiter und Gäste so, wie Du selbst gerne behandelt werden würdest!«, heißt es da. Als Partner wird der ehemalige ÖVP-Nationalrat Karl-Heinz Dernoschegg in seiner Funktion als ehemaliger Berater von Ex-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Präsident der Bundeskammer für ausländische Wirtschaftsangelegenheiten genannt. Die Homepage des Unternehmens enthält sogar den Link zum österreichischen Parlament. Eine Intervention beim IHS-Geschäftspartner Dernoschegg durch den Präsidenten der Europäischen Transportarbeiterföderation (ETF) Wilhelm Haberzettl blieb (bis Redaktionsschluss) erfolglos.

Unkonventionelle Wege

»Unsere Wege gestalten sich ein wenig unkonventionell«, sagt Harald Voitl, Referatsleiter für Internationales in der Gewerkschaft vida. »Denn diese Verschachtelungen erschweren es, den tatsächlichen Arbeitgeber ausfindig zu machen, zu intervenieren und in letzter Konsequenz den Fall vor Gericht zu bringen.« Inzwischen wurden die Gehaltszettel der IHS geändert. Geändert wurden auch die, nach Einschätzung der Gewerkschaft, eindeutig sittenwidrigen Arbeitsverträge. Es sei beschämend, dass sich Österreicher, die noch dazu mit dem sozialem Engagement ihres Unternehmens werben, am Sozialdumping auf den Donauschiffen beteiligen, meinen die Gewerkschafter.

Kreuzfahrtboom

Begonnen hatte der Reiseboom auf den Flüssen mit der Öffnung des Main-Donau-Kanals. Damals wurden in Wien ganze zwölf Kabinenschiffe pro Jahr gezählt. »Beflügelt« wurde die Branche durch das Ende des Schifffahrtsmonopols der Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft (DDSG) 1995. 2006 befuhren 114 Kreuzfahrtschiffe die Donau, heute mehr als 270 pro Jahr. Von brutalem Lohndumping durch die Privatisierung der DDSG spricht Bundesfachgruppensekretär Robert Hengster. »Es wurde praktisch alles - mehr oder weniger illegal - ausgelagert. Da steckt System dahinter, wie ArbeitnehmerInnen in Europa ausgepresst werden.« Würde tatsächlich Wert auf anständige Dienstverhältnisse in der Schifffahrt gelegt, meint der Gewerkschafter, »gäbe es bessere Kontrollen und andere gesetzliche Regelungen.«

Neue Gewerkschaftsarbeit

Viel Aufwand um drei ArbeitnehmerInnen für eine Gewerkschaftssektion, die mit stetigem Mitgliederschwund zu kämpfen hat? »Für uns hat der Fall auch Modellcharakter«, meint Harald Voitl. »Das alte Gewerkschaftsverständnis, ausschließlich österreichische ArbeitnehmerInnen zu vertreten, ändert sich. Schließlich sind in unsere Branche kaum mehr österreichische Arbeitskräfte tätig.«

Und: »Die Flusskreuzfahrt ist schließlich kein Billigsektor. Aber ob Fünfstern- oder Dreisternhotel am Schiff: Die Arbeitsbedingungen verschlechtern sich für alle Beschäftigten. Da wird versucht, jeden Quadratmeter zu Geld zu machen. Die ArbeitnehmerInnen schlafen in 4er- oder 6er-Kabinen.«

Geplant ist eine Aktionswoche der Gewerkschaft vida in Zusammenarbeit mit der ITF. »Wir legen Wert darauf,
dass die Endverbraucher wissen, wie die Leute behandelt werden«, sagt Robert Hengster. »Als Konsument oder Konsumentin weiß man gar nicht, warum die Reise so teuer ist und warum die Beschäftigten oft nicht gerade fröhlich schauen.« Einer Gepflogenheit der Branche entsprechend, könnte die Basilea Danubia in der neuen Saison umlackiert und unter einem anderen Namen die Donau befahren. Dajana, Aurelian und Alex aus Rumänien sind inzwischen der Gewerkschaft vida beigetreten.

* Namen sind der Redaktion bekannt

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Weitere Informationen finden Sie unter:
www.seafarerhelp.org/
www.itfglobal.org
(Vize-Präsident der ITF ist Wilhelm Haberzettl)
Kontaktadresse in Österreich:
Bundesfachgruppe »Luft und Wasser«, Gewerkschaft vida
Bundesfachgruppensekretär Robert Hengster
robert.hengster@vida.at

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