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Foto: Paul Sturm
Fotos: Paul Sturm Rudolf Novotny freut sich über grünes Licht für den Fußballer-Kollektivvertrag.

Die Stimme der Spieler

Interview

Rechtzeitig zum 20-jährigen Geburtstag konnte die Spielergewerkschaft, die Vereinigung der Fußballer (VdF), einen Kollektivvertrag durchsetzen.

ZUR PERSON
Dr. Rudolf Novotny
Geboren 22. 12. 1953
Spielte mit zehn Jahren bei der Austria im Nachwuchs.
Mit 15 Jahren spielte er bis zur Juniorenmannschaft für den Wiener Sportklub.
Nach einem Autounfall musste er ein Jahr unterbrechen, wechselte dann zur Vienna.
Nach Verletzungspausen beendete er seine Profifußballlaufbahn.
Studierte Betriebswirtschaft und schrieb seine Dissertation über »Finanzierungsmöglichkeiten im Fußballvereinswesen, im speziellen bezogen auf die österr. Bundesliga.«
Seit 1988 Geschäftsführer der »Vereinigung der Fußballer (VdF)«, der Interessenvertretung aller in Österreich tätigen Amateur- und ProfifußballerInnen.

Arbeit&Wirtschaft: Am 3. Juni feiert die österreichische Spielergewerkschaft - die Vereinigung des Fußballer (VdF) - ihr 20-jähriges Jubiläum. Herr Dr. Novotny Sie waren Gründungsmitglied - wie kam es dazu?

Rudolf Novotny: Ich habe selbst in meiner Jugend Fußball gespielt. Ich hab mit zehn Jahren begonnen und die Nachwuchslaufbahn dann beim Wiener Sportklub durchlaufen. Ich war auch ganz kurz Profi - und nicht sehr erfolgreich. Ich habe danach Betriebswirtschaft studiert und weiter in unteren Ligen gespielt. Das Interesse ist in Zusammenhang mit dem Studium entstanden. Das war Anfang der 70er - damals wurde der Sport stark professionalisiert. Das vom Sportlichen unabhängige Management ist wesentlich interessanter geworden. Ich habe schließlich meine Dissertation zu diesem Thema geschrieben. Damals war jeder, der als Nichtsportler mit Sport Geld verdienen wollte, suspekt. Ich war dann in der Sportberatung tätig. Irgendwann hat Krone-Sportredakteur Michael Kuhn in einer Kolumne die Frage gestellt: »Wieso haben denn die Fußballer keine Gewerkschaft?« Von früher kannte ich viele Spieler persönlich sehr gut, und so bin ich an die herangetreten und habe sie gefragt, ob sie mir helfen würden. Herbert Prohaska kannte Spielervertretungen aus Italien, wo er Legionär war. Solche Vertretungen gab es ja fast überall. Prohaska war dann eine Art Hebamme für die Geschichte, er hat die Idee nach außen vertreten. Damals war Anton Benya ÖGB-Präsident, der hat sich das schon immer gewünscht. Ich hatte wenig Kenntnisse über die Strukturen des ÖGB. Nachdem unser Projekt durch die Medien gegangen ist, ist der damalige KMfB-Zentralsekretär Walter Bacher auf mich zugekommen und hat gemeint: Wenn, dann bei uns. Und so haben wir im Mai 1988 unterstützt von Herbert Prohaska, Heribert Weber, Andi Pichler, Walter Koch und Thomas Pfeiler die VdF gegründet.

Wir waren eines der letzten Länder, in denen sich eine Spielergewerkschaft gegründet hat. Die englische Spielergewerkschaft gibt es, seit sie den Fußball erfunden haben. Dort bekommt die Spielergewerkschaft aus dem Fernsehgeld ca. 20 Mio. Euro pro Jahr. Die arbeiten aber trotzdem defizitär, weil sie diese Summen in die Weiterbildung oder in die Versorgung ehemaliger Profis investieren. Wayne Rooney wird das nicht benötigen, aber es gibt dort 4.000 Profis, die nicht alle toll abgesichert in ein anderes Berufsleben wechseln, wenn sie fertig sind.

Wie sehen Sie die Rolle der VdF?

Wir sind die Stimme der Spieler. Wir artikulieren in enger Zusammenarbeit mit ihnen, haben das Ohr bei ihnen. Die Spieler erwarten sich von uns natürlich vor allem Hilfestellung im rechtlichen Bereich. Das geht von der Vertragsgestaltung über Vertragsprobleme bis hin zu Fällen, wo nach Meinung der Spieler Ansprüche nicht anerkannt werden.

Wie weit engagieren sich die Spieler selbst, gibt es Betriebsräte?

Betriebsräte in der allgemein bekannten Form gibt es nicht. Aber es gibt in jedem Klub Spielervertreter, die aus dem Kreis der Spieler gewählt werden. Sie sind das Verbindungsglied zwischen Mannschaft und uns. Aus den Spielervertretern wird dann ein Spielerpräsidium gewählt. Uns ist es wichtig, dass die Spieler dabei sind, wenn wir mit ihren Anliegen an die Öffentlichkeit gehen. Wir wollen nicht als abgehobene Funktionärsschicht für sie sprechen.

Weshalb organisieren sich Fußballer?

Die Spieler haben eine relativ kurze Beschäftigungsdauer. Sie üben den Beruf etwa sieben Jahre aus. Manche sind schon nach drei Jahren wieder weg, auch durch Verletzungen. Spieler wie Ivica Vastic, die bis ins Alter von 38 Jahren spielen, sind eher die Ausnahme. In diesem knappen Zeitrahmen haben sie die Chance, sich eine wirtschaftliche Basis aufzubauen. Dabei stehen sie unter sehr hohem Druck. Mancher fürchtete, dass er, wenn er im eigenen Interesse oder im Interesse anderer den Mund aufmacht, unwillkommen ist. Viele Vereine wollen keine mündigen Spieler. Das unterscheidet uns ganz wesentlich von der internationalen Szene. In England ist es im Zusammenspiel zwischen Verein und Spieler völlig klar, dass einer der in London vor 60.000 Menschen auf den Platz geht, ein gewisses Selbstbewusstsein benötigt. Und es ist gewünscht, dass er das auch in anderen Bereichen lebt. Bei uns wünscht man sich Spieler, die vor einem vollen Stadion spielen und sich andererseits verhalten wie Kindergartenbuben. Die Devise nicht denken, sondern rennen, gilt für manche Vereinsleitungen noch immer. Die glauben, die Spieler müssen dankbar sein, dass sie überhaupt bezahlt werden, verlangen aber gleichzeitig, dass die Spieler am Spielfeld bewusst Entscheidungen treffen. Manche Sportler nehmen irgendwann die leichtere Position ein und sagen sich: Ist in Ordnung, dann nehme ich das Geld. Daher gehen wir auch mit Streikdrohungen vorsichtig um.

Kommt Streik für die Fußballgewerkschaft in Frage?

Unser Hauptziel ist es, durch Verhandlungen das Optimum für die Spieler zu erreichen. Wir haben aber schon einmal gestreikt - im Juli 1999 eine Runde, weil es in der zweiten Liga eine Arbeitsplatzbeschränkung gegeben hat. Ein Streik ist ja sehr sehr schwierig beim Fußball. Damals wurde diese Runde in der Bundesliga abgesagt. Das war aber ein wichtiges Zeichen. Viele Funktionäre haben nicht geglaubt, dass wir Mitglieder haben, dass sich ein Toni Polster für eine Gewerkschaft interessiert.

Hat so etwas auch Innenwirkung?

Natürlich - wir haben erhoben, was sich die Spieler erwarten, und die wollen eine angriffslustige Vertretung. Sie erwarten sich auch das Aufzeigen von Unzulänglichkeiten - verbunden mit der Hoffnung, dass diese Dinge ganz klar beim Namen genannt werden. Sie wollen aber nicht unbedingt dabei sein. Ihren Fall selbst wollen viele nicht in der Zeitung lesen. Wir versuchen ihnen zu verdeutlichen, dass die VdF eine Mauer ist, hinter der sie sich verstecken dürfen, die sie aber gleichzeitig stützen müssen.

Am 16. März 2008 konnten Sie nach langem Ringen endlich auch einen Kollektivvertrag für die Spieler der Österreichischen Fußballbundesliga abschließen.

Wir waren eines der letzten Mitgliedsländer in der alten EU - mit Ausnahme Luxemburg -, die einen KV abgeschlossen haben. In Deutschland gibt es auch keinen. Ich sehe den KV als einen vernünftigen Schritt in Richtung Partnerschaft mit den Vereinen. Der Großteil der Vereinsvertreter erkennt, dass wir ein gemeinsames Interesse haben: wirtschaftlich starken und sportlich erfolgreichen Fußball. 80 Prozent aller gemeinsamen Dinge, die man angeht werden von beiden Seiten gemeinsam getragen. Da ist es nur legitim, dass bei den restlichen 20 Prozent unterschiedliche Vorstellungen herrschen. Mittlerweile sind sehr viele Spieler, die VdF-Gründungsmitglieder waren, in eine Trainer- oder Managerposition gewechselt.

Im Kollektivvertrag gibt es einige Punkte, die zur sofortigen Klarstellung offener Fragen dienen. Ich glaube, fast wichtiger ist es, dass man sich dazu bekennt, dass es ein gemeinsames Interesse sowohl von den Vereinen als auch von den Spielern gibt, diesen Bereich im Konsens zu regeln. Unsere Aufgabe ist die Wahrnehmung der Interessen der Spieler im wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Bereich. Es gibt halt gewisse Besonderheiten, die zwar auch auf andere Berufe, wie etwa Ballett, anzuwenden sind. Wo es auch nur zeitlich begrenzte Karrieren gibt. Da stellen sich Fragen, wie schaffen wir es, dass es eine gemeinsame Vorsorge gibt. In den Niederlanden, wo es schon lange eine Spielervereinigung gibt, haben sie seit Jahrzehnten ein Pensionsmodell mit den Klubs und den Spielern erarbeitet.

Wie sinnvoll erachten Sie politische Stellungnahmen durch Sportler, z. B. bei den Olympischen Spielen in China?

Ein Sportler kann sich aufgrund seiner öffentlichen Positionierung nicht völlig der Gesellschaftspolitik entziehen. Es bleibt die Frage, wie weit er durch seine Anwesenheit ein nicht gewünschtes System stützt. Besonders schwierig ist das beim Mannschaftssport. Eigentlich sollte man den SportlerInnen selbst überlassen, wie sie damit umgehen. Eine Reihe von Sportlern wird durchaus auch in China Zeichen setzen. Ich bin nur dagegen, dass man SportlerInnen instrumentalisiert. Das ist in der Geschichte, ob im Dritten Reich oder in den kommunistischen Systemen immer wieder vorgekommen.

Ich sehe aber durchaus den Sport als hervorragendes Integrationsmittel. Dieses völkerverbindende des Sports kann schon ein Signal sein. Schaut man zwei Champions-League-Mannschaft wie Barcelona und Manchester zu, die sich 90 Minuten bekämpfen und dann mit großem Respekt miteinander umgehen, ist das schon ein Signal.
Wenn man China und Südafrika nennt, darf man den enormen wirtschaftlichen Stellenwert solcher Veranstaltungen nicht vergessen - natürlich spielt Politik eine Rolle, aber die Wirtschaft die größere.

Können Sie sich ähnliche Gewerkschaftsmodelle auch für andere Sportarten vorstellen?

Es gibt die Absicht, ein Berufssportgesetz zu schaffen. Bei den Diskussionen darüber mit der vorigen Regierung war die VdF die einzige Sportlervertretung. Dort ist niemand gesessen, der aktiv Sport betreibt. Wir bieten auch an, unsere Tätigkeit zu erweitern. Wir haben jetzt einen engen Kontakt zu den Eishockeyspielern. Das muss aber von den Spielern kommen. Das Schwierige ist, dass der Sportler sich darauf konzentriert in der beschränkten Zeit, die er hat, eine sportliche Leistung zu erbringen und sich kaum für Dinge im allgemeinen Interesse engagiert. Er muss das delegieren, darf sich aber gleichzeitig nicht entziehen. So wurde nach dem Unfall von Mario Lanzinger wieder eine Fahrervertretung diskutiert. Wir würden den SchisportlerInnen wie auch den Eishockeyspielern dabei Unterstützung bieten. Aber es ist unausweichlich, dass sie sich selbst engagieren. Das ist das Gewerkschaftsprinzip.

Wir danken für das Gespräch.

WEBLINKS
Vereinigung der Fußballer
www.vdf.at

ORGANIGRAMM
DIE FUSSBALLERGEWERKSCHAFT
Vorsitzender: Oliver Prudlo
Geschäftsführer: Dr. Rudolf Novotny
Stellvertr. Vorsitzender: Gernot Zirngast
Spielerpräsidium: Dennis Nimm, Joachim Standfest, Tino Wawra, Harald Suchard
Fachgruppe Nationalteam: Andi Ivanschitz
DIE SPIELERVEREINIGUNG
Vorstand: Gernot Zirngast, Dr. Rudolf Novotny, Roman Stary, Harald Suchard, Florian Karasek, Oliver Prudlo
Mitarbeiter: Mag. Nikolaus Strecha
Mitarbeiter: Gernot Baumgartner

KONTAKT
Schreiben Sie uns Ihre Meinung an den Interviewten
r.novotny@vdf.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

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