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Foto: Paul Sturm Roman Horak leitet die Abteilung für Kunst- und Kultursoziologie auf der Universität für angewandte Kunst Wien. Er analysiert Fan-Subkulturen wie die Rapid-Ultras.
Foto: Paul Sturm

Die Welt der Fußballfans

Schwerpunkt

FußballanhängerInnen stehen in der Öffentlichkeit oft zwischen Inszenierung und Kriminalisierung.

Gemessen an ihrer öffentlichen Wahrnehmung sind Fußballfans eine eigenartige Spezies - sie kommen medial inszeniert entweder als Gewalttäter oder, was eher selten der Fall ist, als Produzenten imposanter Choreographien in den Stadien vor. Nun ist eine solche Sichtweise natürlich verkürzt, und die Forschung zum Thema hat im Verlauf der letzten dreißig Jahre nichts unversucht gelassen, einem solchen oberflächlichen Bild durch die Erarbeitung und die Veröffentlichung ihrer diesbezüglichen Ergebnisse entgegenzusteuern. Wenngleich zugegeben werden muss, dass, wenigstens seitens der Ordnungsinstanzen und der betroffenen Vereine, langsam ein Umdenken einsetzt, hat sich das Bild der Fans in den Medien kaum geändert. Fast ausschließlich werden Fans nur dann zum Objekt der Berichterstattung, wenn von Gewalt die Rede ist.

Während zahllose internationale Studien über Fußballfans vorliegen - als Zusammenschau gibt der Band Football Hooliganism aus dem Jahre 2005, verfasst von Steve Frosdick und Peter Marsh, darüber beredet Ausdruck -, sind Forschungsarbeiten zum Thema in Österreich rar. Die letzten größeren Studien stammen zudem aus den frühen neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, können also nicht mehr allzu großen Aktualitätsanspruch erheben.

Vor diesem Hintergrund sind die Ergebnisse einer Forschungswerkstatt, die unter der Leitung von Mag. Sabine Etl und mir im Rahmen der Sozialarbeiterausbildung am Fachhochschulcampus Wien zwischen 2006 und 2008 durchgeführt wurde, als Versuch eines kleinen Korrektivs zu sehen. Unsere Studierenden - es waren interessanterweise fast ausschließlich Frauen - haben im Zuge der Arbeit nicht nur die neueste Literatur aufgearbeitet, sondern auch ethnographisch im Feld geforscht, und sie sind dabei zu durchaus interessanten Ergebnissen gelangt.

Ein Drittel ist weiblich

Was sich im Verlauf unserer Arbeit unter den Fan-Subkulturen von Austria Magna und dem SK Rapid zu allererst herausstellte, war das Faktum, dass die Fans im Durchschnitt sehr jung sind. So betrug der Anteil der maximal zwanzigjährigen Fans über 50 Prozent der Gesamtpopulation, und die Gruppe der maximal Sechzehnjährigen stellte ein Drittel der von uns befragten Fans dar. Wir haben es also heute - und das ist ein wichtiges erstes Ergebnis - mit einer sehr jungen Fankultur zu tun. Das war nicht immer so, hier hat sich offenbar in den letzten Jahren einiges verändert. Radikal geändert hat sich auch die Geschlechterstruktur im Fansektor: Immerhin ein Drittel der Fans sind weiblich, bei den ganz jungen Fans beträgt der Anteil der Mädchen sogar 40 Prozent. Wenn man bedenkt, dass in den späten achtziger und frühen neunziger Jahren der Frauenanteil bei maximal 20 Prozent lag, so lässt sich aus diesen Daten ableiten, dass diese traditionell männlich dominierte Subkultur allem Anschein nach offener und für junge Frauen zugänglicher geworden ist. Das Patriarchat scheint in hier leicht ins Wanken geraten zu sein.

Hohe Vereinsbindung

Ein weiteres interessantes Ergebnis stellt die hohe Vereinsbindung der Fans dar. Auch hier ist eine deutliche Veränderung zu beobachten. Die Bindung an einen bestimmten Fußballverein war in der Entstehungsphase und in den Anfangsjahren der Wiener Fußballfankultur sehr hoch, sie verlor sich im Verlauf der späten achtziger und der frühen neunziger Jahre und war eine kurze Zeit de facto nicht mehr existent. Nun hat es den Anschein, dass im Zuge der Restrukturierung der Fansektoren hinter den Toren der Stadien auch die Vereinsbindung wieder stark zugenommen hat.

Die Fans sehen sich subjektiv als Unterstützer »ihres Vereins«, ja eigentlich mehr als das. In den Interviews mit ihnen wurde deutlich, dass sich »wahre Fans« als Teil eines Vereins verstehen. Als solche haben sie ihre Pflichten, sie fordern aber auch ihre »Rechte« ein. Für einen wahren Fan ist es also unabdingbar, nicht nur jedes Heimspiel seines Vereins lautstark zu begleiten, und seine Unterstützung durch die Mitgestaltung einer bunten Fanchoreographie zum Ausdruck zu bringen, sondern auch den Klub bei Auswärtsspielen lautstark zu unterstützen. Andererseits wird aber auch Anerkennung für diese Unterstützung seitens der Spieler (Stichwort Vereinstreue) und der Klubleitung gefordert.

Damit hängt die gestiegene Bedeutung der Fanklubs zusammen. Auch diese besondere, strukturierte und verbindliche Gesellungsform der Fans hatte an Wichtigkeit verloren, erlebt aber gegenwärtig so etwas wie eine Renaissance - fast die Hälfte aller Fans sind gegenwärtig in Fanklubs organisiert. Zudem gibt es nun auch weibliche Fanklubs, etwas, was vor anderthalb Jahrzehnten wohl noch undenkbar gewesen wäre. Der Einstieg in die Welt des Fußballs findet zu einem Gutteil immer noch über die Figur des Vaters statt; man kann sich das so vorstellen, dass die präsumtiven Fans ihren ersten Besuch eines Fußballstadions als Buben in der Begleitung ihres Vaters absolvieren und erst später, wenn sie älter geworden sind, in die Fankurve und damit in die Gruppe der Freunde und der Gleichaltrigen wechseln.
Kommen wir zum heikelsten und umstrittensten Thema und damit zu jenem Aspekt, unter dem Fußballfans in der Öffentlichkeit fast ausschließlich wahrgenommen und diskutiert werden. Wie wir oben schon festgehalten haben, ist Gewaltbereitschaft das, womit Fußballfans am ehesten assoziiert werden. Nun wäre es zugleich läppisch und naiv, die jugendliche Subkultur der Fans als Hort von Pazifisten zu verstehen, gleichwohl scheint eine differenzierte Betrachtungsweise vonnöten. Gewiss findet sich in dieser Subkultur eine unabstreitbare Gewaltlatenz, nur ist mit dieser allgemeinen Bemerkung noch nicht viel gesagt.

Gewaltbereitschaft

(Männliche) Gewaltbereitschaft gibt es auch in der Familie - was ja sich jüngst wieder auf drastische Weise gezeigt hat - und in anderen gesellschaftlichen Institutionen.

Wirft man einen Blick auf die Struktur und Auslösebedingungen der jugendlichen Fangewalt, so lässt sich folgendes Muster festhalten. Körperliche Gewalt ausgeübt von Fußballfans ist in zweierlei Hinsicht auffällig: Einmal äußert sie sich wesentlich als Akt solidarischer Unterstützung der Mitglieder der Fangruppe, wenn diese in Bedrängnis geraten ist (kommt also eher defensiv daher), und zum anderen ist Gewaltlatenz - und das ist ein durchaus relevantes Ergebnis unserer Forschungsarbeit - vor allem bei sehr jungen Fans überdurchschnittlich auffällig präsent.

Aufholbedarf

Hier zeigt sich die Notwendigkeit gezielter sozialpädagogischer Arbeit in diesem Feld, mit der es leider in Österreich nicht allzu bestellt ist und die zugunsten polizeilicher Arbeit sträflich vernachlässigt wird. Sicher ist es wichtig, dass das Problem von Fußballgewalt (dessen Ausmaße hierzulande stets übertrieben werden) sicherheitspolitisch angegangen wird, aber auch die beste (und die bestgemeinte) Sicherheitspolitik kann Sozialpädagogik nicht ersetzen. Gerade im Bereich der jungen Fans herrscht diesbezüglich in Österreich, gemessen am Standard der Bundesrepublik Deutschland, wo seit Jahrzehnten erfolgreiche Fanprojekte existieren, beträchtlicher Aufholbedarf. Es ist an der Zeit, dass diesbezügliche Initiativen, deren es einige gibt, finanziell und medial ordentlich unterstützt werden.

WEBLINKS
Institut für Kunst- und Kultursoziologie
www.uni-ak.ac.at/kultursoziologie
Austrain Soccerboard
www.austriansoccerboard.at
Aufstellung über verschiedene Fanclubs
www.startblatt.net/at/fanklubs

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