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Paul Meissner - Das Wunderteam, 1948

Kunst vor, noch ein Tor

Schwerpunkt

Die EM 2008 macht Österreich zur Kulturbühne und beweist: Fußball ist Religion, hat Kultur und Geschichte.

Die EURO rückt näher: Christine Stürmer hat ihren EM-Song »Fieber« bereits. Über Klagenfurt schwebte bereits ein riesiger Ballon - in Gestalt eines UEFA-Cups, und der New Yorker Fotograf Spencer Tunick ließ es sich nicht nehmen, im Wiener Ernst-Happel-Stadion »Körper- und Landschaftsskulptur« aus nackten Menschen zu formen und bildlich festzuhalten. Die Schweizer Top-Künstlerin Silvie Fleury arbeitet an einer überdimensionalen Kristalltrophäe, die nach der EM dem Siegerland übergeben wird. Der Salzburger Kapitelplatz wird zum »Family Park« umgestaltet und soll während der EURO Unterhaltung sowie Show- und Sponsorenprogramme für die gesamte Familie bieten. Das Wiener Schloss Schönbrunn wird Kulisse und Tummelplatz für weltbeste SängerInnen wie Anna Netrebko, Placido Domingo und Rolando Villazon. Ein Fußballkabarett mit Musik, in zwölf Spielzügen mit dem Titel »Der zwölfte Mann ist eine Frau« wird im Wiener Dreiraum-Anatomietheater die EURO mit anpfeifen.

Kunst- und Fanzonen

Fast möchte man meinen, dass ab 7. Juni nicht die Fußballeuropameisterschaften mit österreichischen Austragungsorten stattfinden, sondern dass die gesamte Alpenrepublik zur Bühne kultureller Ausgelassenheit wird. Keine Hauptstadt ohne Kunst im öffentlichen Raum - eine Kunstzone vor dem Landestheater Innsbruck, vor der Karlskirche in Wien, entlang der Salzach in Salzburg. Und einschlägige Ausstellungen, Theater- und Musikstücke, wo immer es auch möglich ist: »Leben im Strafraum« im Linzer Kunstmuseum Lentos, die Fußball-Oper »Playing Away« in St. Pölten und Fußballkarikaturen in Krems gehören zum Fixprogramm rund ums runde Leder. Und als einer der Höhepunkte werden unsere Fußballheroen Hans Krankl, Toni Polster und Herbert Schneckerl Prohaska zur Abwechslung nicht selbst singen, sondern internationale Musikstars präsentieren. Kultur und Fußball liegen doch nahe beieinander.

Fußball ist Religion, hat Geschichte, löst Hysterie und Fieber aus wie Popkonzerte, und zudem ist das runde Leder mit Politik verbunden: heute bei der positiven Betrachtung von MigrantInnen, historisch in der Verknüpfung mit der ArbeiterInnenbewegung. Letzteres lässt sich vor allem in der Ausstellung im Wien Museum »Wo die Wuchtel fliegt - Orte des Wiener Fußballs« nachvollziehen. Ideologische Differenzen - z. B. Proletarier gegen Bürgerliche - wurden mit dem Fußball ausgetragen.

Der Ball flog schon in den Anfängen in den 20er Jahren überall dort, wo Platz war. In Hütteldorf und Simmering, auf der grünen Praterweise, in Heiligenstadt, den Gstätten der Vorstadt zwischen Fabriken und Arbeitersiedlungen - wie der Kretainsel in Favoriten. Auch Plätze an der Donau waren Orte des Spiels, das die Wiener von den Engländern gelernt hatten. Die Pfarrwiese war die Domäne von Rapid (bis 1978). Bis zu 80.000 Fans machten sich 1921 auf den Weg zur Hohen Warte, dem Spielplatz von Vienna und dem Nationalteam, wo legendäre Spiele stattfanden, ehe 1931 das Praterstadion eröffnet wurde. Aber auch das Match im Londoner Chelsea-Stadion Stamford Bridge, 1933, ist im Wien Museum dokumentiert. Damals hatte das österreichische Wunderteam des Teamchefs Hugo Meisl nach 14 Spielen ohne Niederlage nun gegen England 3:4 verloren. Um dieses Spiel dreht sich auch das wichtigste Objekt dieser Ausstellung: Das Gemälde von Paul Meissner aus dem Jahr 1948, der rückblickend das Wunderteam beim Einlaufen vor dieser Niederlage malte. In Auftrag hatte es Viktor Matejka gegeben, der legendäre kommunistische Stadtrat, der damit die österreichische Identitätsbildung fördern wollte und diese Möglichkeit mit Fußball sah. Allerdings entlarvt die Ausstellung auch das Klischee vom proletarischen Fußballverein Rapid. Er wurde zwar als Erster Wiener Arbeiter-Fußballclub gegründet, aber seine Heimat war Hütteldorf, ein Villen-Vorort von Wien.

herz:rasen im Künstlerhaus

Wenn nun Fans - darunter 300.000 registrierte Fußballer in Österreich, circa 2.200 Vereine - ins EURO-Fieber 2008 verfallen, ist ihnen das Wiener Künstlerhaus zu empfehlen, wo sich das Technische Museum auf 2.000 Quadratmetern einquartiert hat und Einblicke in den europäischen Fußball der vergangenen 30 Jahre gibt: »herz:rasen - Die Fußballausstellung«, so der Titel der Schau, in der auf Interaktivität gesetzt wird: Hier lässt man die Helden des Fußballs und Orte des Triumphes und der Niederlagen, Trainings und Techniken Revue passieren. An vielen interaktiven Stationen können BesucherInnen beispielsweise in die Rolle eines Kommentators schlüpfen, als Fanclub mitsingen oder die legendäre 0:1-Niederlage der österreichischen Nationalmannschaft gegen die Färöer-Inseln »rückgängig« machen.

Himmelsstürmer im Dommuseum

Spannend ist auch das Thema Religion und Fußball, dem sich das Dommuseum Wien mit 140 Exponaten, Dokumenten und Videos widmet. »Helden - Heilige - Himmelsstürmer. Fußball und Religion« bringt nicht nur elementare Beispiele wie die Abbildung des 15-jährigen heiligen Dominikus Savio (Patron der Jungschar und der Ministranten) mit einem Fußball in einer Linzer Kirche. Die Schau will auch Aufschluss darüber geben, wie sich die religiöse christliche Erfahrungswelt des Mittelalters in der modernen Suche nach einem Gemeinschaftsgefühl u. a. in die Ersatzreligion Fußball verschoben hat und welche Parallelen sichtbar werden: Von der Vergötterung der Fußballstars über das Sammeln von Reliquien der Lieblingsmannschaft über die Rituale - etwa das Hochheben des Siegerpokals und das Trinken daraus - bis zur Pilgerschaft an den Ort der großen Wettkämpfe.

Auch im Witz spielen Himmel und Hölle mit: Anruf des Teufels bei Petrus: »Schlage Fußballspiel Himmel gegen Hölle vor.« »Okay«, sagt Petrus, »aber du musst wissen: Alle berühmten Spieler, die es jemals gab, sind bei uns im Himmel.« »Kein Problem«, sagt der Teufel, »wir haben die Schiedsrichter!«

INFO&NEWS
herz:rasen - Die Fußballausstellung
Technisches Museum im Künstlerhaus
bis 6. Juli 2008
Mo-Fr 9.00-18.00 Uhr
Mi 9.00-21.00 Uhr
Sa, So, Feiertag 10.00-18.00 Uhr
Karlsplatz 5, 1010 Wien
www.tmw.ac.at
Wo die Wuchtel fliegt - legendäre Orte des Wiener Fußballs
Wien Museum Karlsplatz, 1040 Wien, Karlsplatz
bis 3. 8. 2008
Di-So 9.00-18.00 Uhr
www.wienmuseum.at
Helden - Heilige - Himmelsstürmer. Fußball und Religion
21. 5.-22. 9. 2008
Dommuseum Wien
Di-Sa (an Feiertagen geschlossen) 10.00-17.00 Uhr
Stephansplatz 6
1010 Wien
www.kirche08.at
Playing Away
Opernshow in zwei Akten von Benedict Mason
Festspielhaus St. Pölten
5. und 6. Juni, 19.30 Uhr, Großer Saal
Info: 02742/90 80 80-847
www.festspielhaus.at
Leben im Strafraum
Ausstellung im Zuge der Fußball EM 2008
Lentos Kunstmuseum Linz
13. 6. 2008 bis 17. 8. 2008
Täglich 10.00-18.00 Uhr
Ernst-Koref-Promenade 1, 4020 Linz

www.lentos.at
Der Ball 08 - Karikaturen zur Europameisterschaft
Karikaturmuseum Krems

täglich 10.00-18.00 Uhr
bis 29. Juni 2008

Steiner Landstraße 3a, 3500 Krems-Stein,

Tel.: 02732/90 80 20
www.karikaturmuseum.at

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