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Viele junge Afrikaner träumen von einer Fußballkarriere in der sogenannten ersten Welt.

Afrika im Fußballtaumel

Schwerpunkt

Der Kontinent ist der neue Fixstern am Fußballhimmel. 2010 findet in Südafrika die Weltmeisterschaft statt.

Ein großes Schlagwort und wichtiger Aspekt im Zusammenhang mit der Psyche der afrikanischen Völker ist wohl der sogenannte Afro-Pessimismus. Vielen Menschen in Afrika fällt es schwer sich vorzustellen, dass eine wirkliche Verbesserung ihrer Lebensumstände überhaupt möglich ist. Zumindest dann, wenn sie in Afrika bleiben. Kein Wunder, wenn man bedenkt unter welchen Umständen viele Menschen in Afrika bis heute leben müssen.

Schuld daran ist mit Sicherheit die jahrhundertelange Unterdrückung und Ausbeutung durch die westliche Welt. Und seit die meisten afrikanischen Länder in den späten 50er und 60er Jahren Freiheit von der Kolonialisierung erlangt haben, hat sich noch immer nicht viel verbessert. Politikverdrossenheit und Misstrauen gegenüber Behörden und Institutionen sind an der Tagesordnung. Korruption und das Versagen der Politik sind auch afrikanische Phänomene. Warum viele moderne afrikanische PolitikerInnen in die Fußstapfen der weißen UnterdrückerInnen getreten sind bzw. mit ihnen zusammenarbeiten, ist in kurzen Worten nicht darstellbar. Eines jedoch ist klar: Die Menschen brauchen unbedingt Hoffnung, dass sich die Lage verbessern wird. Und sie brauchen viel Selbstbewusstsein, um sich vor der fortgesetzten Ausbeutung durch die westlichen Länder schützen zu können. Sie müssen es schaffen, sich vehement für die eigenen Interessen einzusetzen und »Nein« zu ausbeuterischen Wirtschaftsmaßnamen zu sagen.

Afrika-Cup in Ghana

Was hat das alles mit Fußball zu tun? Die Sozialpsychologie lehrt uns, dass es für Menschen wichtig ist, auf die Gruppe, der man angehört, stolz sein zu können. Erfolge im Sport, wie zum Beispiel im Fußball helfen, diese Art des Selbstbewusstseins zu stärken. In Ghana fand im Jänner/Februar 2008 der Afrika-Cup, das afrikanische Gegenstück zur Europameisterschaft, statt. Die Tickets waren für normal sterbliche ghanaische BürgerInnen zwar alles andere als erschwinglich, trotzdem war man stolz darauf, im Austragungsland zu leben. Und die ghanaischen Black Stars hielten sich prompt auch sehr gut, verloren dann leider im Halbfinale, konnten aber immer noch den 3. Platz gegen die Elfenbeinküste für sich erreichen.

Legionäre in Europa

»Ich konnte mir zwar kein Ticket fürs Stadion leisten«, erzählt Kofi Awonoor, Student in Accra, »aber auch rund ums Stadion kochte es!« Selten ist in Accra wirklich etwas los, es fehlt das Geld für größere Veranstaltungen. Doch während des Cups pulsierte das Leben. Die Fußballwelt blickte auf den vergessenen Kontinent - endlich stand Afrika im Mittelpunkt.

Diese Euphorie wurde allerdings nicht von allen geteilt. Den europäischen Fußballklubs fehlten nämlich während der Austragung des Afrika-Cups wichtige Schlüsselspieler, die nach Ghana gereist waren. Afrika ist ein Großexporteur von - noch immer relativ günstigen - Profifußballern. Von »Wettbewerbsverzerrung« war die Rede. Ein Termin im Juni oder Juli wurde für zukünftige Afrikameisterschaften gefordert - eine Zeit, wenn die europäischen ersten Ligen ihre Spiele abgeschlossen haben.

Afrikaner sind um ein Vielfaches billiger als Südamerikaner. Da lohnt es sich, in klubeigene Fußballakademien in Afrika zu investieren. Auch österreichische Klubs tun das. Red Bull Salzburg beispielsweise betreibt eine solche Akademie in Ghana. Erst nach längerer Ausbildung in den örtlichen Akademien werden die besten Spieler nach Europa geholt. »Man muss ihnen Zeit geben. Da hilft ein Betreuer, der die eigene Sprache spricht. Außerdem halte ich nichts davon, Spieler vor dem 18. Lebensjahr nach Europa zu holen«, zitieren die Oberösterreichischen Nachrichten den Salzburger Sportdirektor Heinz Hochhauser. Er fliegt alle drei Monate nach Ghana, um neue Spieler zu rekrutieren.

In Afrika selbst gibt es kaum funktionierende Profiligen. Es fehlt, wie immer auf diesem Kontinent, am Geld. Die Spieler werden von europäischen Klubs abgeworben und die afrikanischen Klubs können - außer in Südafrika - den Geldangeboten des »goldenen Westens« nichts entgegensetzen. Leider gibt es auch viele korrupte SpielervermittlerInnen, die aus der Situation Profit schlagen. Sie locken Spieler gegen hohe Vermittlungsgebühren nach Europa, wo sie dann im Stich gelassen werden und als »Illegale« enden. Doch die Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa ist stärker.

WM in Südafrika 2010

Man munkelt, dass bei der WM in Südafrika im Jahr 2010 zum ersten Mal ein afrikanisches Land Weltmeister im Fußball werden könnte. Es wäre dies womöglich ein großartiger Vorwärtsruck für das Selbstbewusstsein der Menschen aus Afrika. Die WM soll eine WM aller AfrikanerInnen werden, nicht nur der SüdafrikanerInnen, zeigt man sich bei der FIFA optimistisch. Man will dieser Veranstaltung auch entwicklungspolitische Dimensionen verleihen. So unterstützt die FIFA die US-NGO »Play Soccer«, die gemeinsam mit der UNICEF in fünf afrikanischen Ländern das Fußballspiel für Aufklärungs- und Präventionsarbeit im Zusammenhang mit HIV/Aids nutzt.

Doch in Südafrika steht man vor vielen Problemen. Es ist ein Land der großen Gegensätze, ein Land in dem »Erste« und »Dritte« Welt Tür an Tür leben. Und es scheint, als ob die FIFA möglichst vermeiden möchte, dass von der »Dritten« Welt während der WM etwas zu sehen ist. Deshalb werden die neuen Stadien in den reichen, von Weißen bewohnten Gebieten gebaut. Die weißen SüdafrikanerInnen sind darüber nur mäßig begeistert. Denn traditionell werden in guter britischer Manier die Sportarten Cricket und Rugby von den weißen SüdafrikanerInnen favorisiert. Fußball ist der Sport der Schwarzen und Armen. Und es sind die weißen SüdafrikanerInnen, die die Sorge aussprechen, dass die finanzielle Belastung der WM, vor allem der Bau der vielen Stadien - für die übrigens teilweise der erste Spatenstich noch gar nicht erfolgt ist - vielleicht eine zu große Belastung sein könnte. Da wäre außerdem noch das Sicherheitsproblem. Und überhaupt gäbe es doch wichtigere Probleme zu lösen.

Tatsächlich mangelt es an Zugang zu sauberem Wasser, es fehlt an Elektrizität, an Schulen und Krankenhäusern in den armen Gebieten vor allem der Großstädte - also den Austragungsorten der WM - in Südafrika. Dennoch: Der regierende African National Congress (ANC) unter Präsident Thabo Mbeki besteht darauf, dass diese WM die beste WM aller Zeiten sein wird. »Die Leute, die daran zweifeln, haben auch nicht geglaubt, dass wir die Apartheid besiegen«, zeigt sich Mbeki beim Gespräch mit »Der Zeit« selbstbewusst.

Ursprünglich wurde Fußball von den Kolonialmächten in Afrika eingeführt, um den »unzivilisierten Völkern« Mannschaftsgeist, Fairness, Disziplin und Kameradschaft »beizubringen«. Diese Zeiten sind lange vorbei. Die afrikanischen Mannschaften entzogen sich schon sehr bald diesem Einfluss und wurden immer besser. Später, in der Zeit der Entkolonialisierung, wurde Fußball ein wichtiger Faktor bei der Ausbildung der nationalen Identitäten. Auch heute wieder spielt Fußball eine wichtige Rolle: bei der Ausbildung eines neuen afrikanischen Selbstbewusstseins. Das Logo für die WM 2010 steht für Dynamik und Energie, aber auch für den alten Schmerz der Unterdrückung, der nun abheilen soll. So sprach der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan - übrigens aus Ghana. Es bleibt zu hoffen, dass die Fußball WM 2010 ein Schritt in die richtige Richtung sein wird: in Richtung Aufschwung. 

WEBLINKS
Von »Othello« bis Milla - Fußball in Afrika
www.derstandard.at/?url=/?id=936323
Chaos in Kapstadt: Fußball WM 2010
www.zeit.de/2007/31/WM-Afrika
Nach der WM ist vor der WM - Afrika kommt
www.deza.admin.ch/de/Dossiers/Dossier_Fussball_WM_2006/WM_2010_Afrika_kommt
Afrika sagt Nein
www.monde-diplomatique.de/pm/2008/01/11.mondeText.artikel,a0003.idx,1
Fußball: Englische Spitzenklubs fürchten Afrika-Cup
www.diepresse.com/home/sport/fussball/350705/index.do
Ein Kontinent als Fußball-Aufsteiger
www.wissen.de/wde/generator/wissen/ressorts/sport/Special/SAA/index,page=3486368.html

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