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Foto: Paul Sturm Georg Spitaler kenn sich bei Politik:Sport aus.
Foto: Paul Sturm

Politik:Sport

Schwerpunkt

Politik versucht sich in ihren Inszenierungen immer wieder auf den authentischen Sport zu stützen, meint Politikwissenschafter Georg Spitaler.

Sonntag, 20. April 2008, St. Hanappi tobt - mit einem 3:0 gegen Altach erringt der SK Rapid seinen 32. Meistertitel. Bundeskanzler und Rapid-Fan Alfred Gusenbauer überreicht die Trophäe und wird gnadenlos ausgepfiffen. »Viele Fans denken, dass Sport nichts mit Politik zu tun haben soll. Politiker werden im Stadion selten gerne gesehen, das wird sehr schnell als inszenierter Auftritt gewertet. Das hängt manchmal vom Politiker ab, gilt aber allgemein«, erklärt Politikwissenschafter Georg Spitaler, der sich schon in seiner Dissertation mit dem Themenfeld Sport und Politik auseinandergesetzt hat. Spitaler ist selbst Rapid-Fan und neben seiner Lehr- und Forschungstätigkeit auf der Universität Wien auch Redakteur beim Fußballmagazin Ballesterer. Die Pfiffe im Hanappi-Stadion, glaubt er, haben weniger Gusenbauer als seiner Funktion gegolten: »Beim Bundeskanzler, das hätte auch Schüssel sein können, entsteht der Eindruck, der kommt daher und will diesen Teller überreichen, warum macht er das jetzt? Die Rapid-Ultras würden jede politische Intervention ablehnen, weil sie sagen, uns geht es nur um Rapid, alles andere ist politisch und wir sehen das als unpolitische Aktivität.«

Überschneidung der Öffentlichkeiten

Gerade das scheint aber den Sport - und Fußball im ganz Speziellen - für Politiker, und auch einige Politikerinnen so interessant zu machen. So schreibt Spitaler in seinem 2005 erschienen Buch »Authentischer Sport - inszenierte Politik?«: »Diese Überschneidung von politischen und sportlichen Öffentlichkeiten schien Politikern in den letzten Jahrzehnten eine Reihe von potenziell positiven Effekten zu bieten: einerseits als ›gelebtes Anhängertum‹ und Möglichkeit männlicher Vergemeinschafterung mit den Fans dieses Sports; andererseits aber als Nutzung einer positiv besetzten und ausdrücklich antipolitischen Arena, in der wirtschaftliche Führung, und damit das Wunschbild des erfolgreichen Unternehmers, symbolisch verkörpert werden konnten.«

Forza Italia und Azzurri

Als Paradebeispiele für diese Strategie verweist der Politikwissenschafter auf den französischen Linkspopulisten und Ex-Präsident von Olympique Marseille, Bernard Tapie, und auf Silvio Berlusconi. Die politische Karriere des italienischen Medienunternehmers war von Anfang an eng verknüpft mit seiner Funktion als Präsident des AC Milan. So nannte er seine Partei »Forza Italia«, nach dem Anfeuerungsruf für die italienische Nationalmannschaft, seine Parteigänger waren die »Azzuri« - der Spitzname der italienischen Nationalmannschaft - und Fußballbegriffe wie »Teamaufstellung« oder »Match« waren regelmäßig Teil seiner politischen Reden. Berlusconi hatte damit Erfolg, aber auch weil der AC Milan eine erfolgreiche Mannschaft war warnt Spitaler: »Das darf man auch nicht überschätzen, das kann auch nach hinten losgehen - noch dazu wo Sportfunktionäre ja nicht sehr beliebt sind. Fußballpräsidenten sind oft Feindbilder. Wenn der sportliche Erfolg nicht da ist, ist es besonders blöd.« Und er erinnert daran, dass Jörg Haider als Präsident des FC Kärnten nicht immer gut ankam. Vielleicht ist das auch der Grund, warum der Kärntner Landeshauptmann beim Nachfolgeklub Austria Kärnten kein offizielles Amt übernahm. Spitaler verweist auch auf Peter Westenthaler, der 2004 von Frank Stronach als Bundesliga-Vorstand eingesetzt wurde: »Da hat schon die Person sehr polarisiert und der hat sich mehr Pfiffe abgeholt als andere Politiker.«

»Parteien- und Verbändestaat«

Erfolgreicher war da schon seine Parteifreundin Susanne Riess-Passer. Als Vizekanzlerin und Sportministerin in ihrer Annäherung an die zweite klassische, österreichisch-nationale Sportart, den alpinen Schisport. Nicht zuletzt allerdings auch dadurch, dass sie ihre Karriere als Pressemitarbeiterin im Österreichischen Schiverband (ÖSV) begonnen hatte. Im ersten Jahr ihrer Regierungstätigkeit erklärte sie jedenfalls noch in einer Parlamentsdebatte: »Ich sage hier noch einmal in aller Deutlichkeit: Politik und Parteipolitik haben im Sport nichts verloren, weder in Verbänden noch in Vereinen.«

Das war eine sehr deutliche Anspielung auf ein österreichisches Spezifikum, den »Parteien- und Verbändestaat« der zweiten Republik. Die dazu gehörenden politischen Dachverbände im Sport - Union, ASKÖ und ASVÖ - existieren noch immer, auch wenn die ideologische Ausrichtung seit den 1970er Jahren an Bedeutung verloren hat. Diese Ansicht hinderte Riess-Passer aber nicht daran, ihre Auftritte bei Sportveranstaltungen politisch zu nützen und das Engagement von Sportlern in ihrer Partei, der damaligen FPÖ, zu fördern.

Ohne Glacehandschuhe

Erinnern wir uns nur an Patrick Ortlieb, den Spitaler für sein Buch interviewt hat. Dem Olympiasieger wurde häufig mangelndes Engagement auf politischem Terrain vorgeworfen. Er selbst über seine Erfahrungen mit dem Wechsel in die Politik: »Medial wird man als Sportler mit Glacehandschuhen angegriffen, das ist keine Frage, man kann sich im Prinzip erlauben, was man will, und es wird immer gejubelt (…) Als Politiker muss man natürlich sehr viel einstecken, sehr viel Unwahrheiten auch über sich ergehen lassen.« Eine Erfahrung, die der ebenfalls von Spitaler interviewte Politik- und Sport-Journalist Elmar Oberhauser nur bestätigen kann: »Es gefällt den Leuten offensichtlich, wenn man mit den Politikern sehr kritisch umgeht. Im Sport ist das nicht erwünscht.«

In der »Ökonomie der Aufmerksamkeit« wären, so Spitaler, SportlerInnen fast die präsentesten Menschen in den Medien: »Sie sind für viele Leute sehr wichtig, das was sie tun oder sagen. Da gibt es ein Missverhältnis zwischen dieser Bedeutung und dem, dass viele SportlerInnen sich nur auf ihre Rolle beschränken wollen und keinerlei politische Aussagen treffen möchten.«

Öffentlich inszenierte Privatheit

Im Gegensatz dazu gibt es nur wenige PolitikerInnen, die sich, wie Grünen-Obmann Alexander van der Bellen betont, unsportlich präsentieren. In seiner Studie befasst sich der Politologe Spitaler mit sportlichen VolksvertreterInnen. Seit den 1980er Jahren wurde Fitness immer populärer - ein Trend, dem sich die Politik nicht verschließen konnte. Laufen und besonders Marathonlaufen als »Element öffentlich inszenierter Privatheit« sind aus der österreichischen Politik kaum mehr wegzudenken. Politiker aller Couleurs - und nur sehr wenige Politikerinnen - präsentieren sich gerne beim »langen Lauf zu sich selbst«, wie der deutsche Grüne Joschka Fischer seine Biographie betitelt hat. Man ist gerne fit und stolz darauf. Auch Metaphern aus der Welt des Sports haben längst in die politische Sprache Einzug gehalten.

Nach dem Spiel

Rapid-Fan Georg Spitaler hat bei der Meisterfeier auch Kontakt mit der unangenehmen Seite der Fans gemacht. Bei unserem Interview ziert seine Stirn ein Cut, von einem betrunkenen Grün-Weiß-Gekleideten mit einer Bierdose verursacht. Dies mag dem Bundeskanzler vielleicht ein kleiner Trost sein - oder auch die Sätze mit denen der Politikwissenschafter sein Buch schließt: »Publikumssport und Politik versprechen beide viel; Politik löst oft nur wenig davon ein. Der Sport hingegen bleibt für viele Menschen ein primäres Feld der Passion und Identifikation. In diesem Sinn heißt es auch hier: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.«

WEBLINKS
Magazin Ballesterer
www.ballesterer.at
Dr. Georg Spitaler auf der Homepage der Universität Wien
www.homepage.univie.ac.at/georg.spitaler/
Ringvorlesung:Fußball als europäisches Spektakel
www.evakreisky.at/2008/rvo08/

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