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Mag. Kirstin Essenthier-Höchstätter
Barbara Teiber, GPA-DJP-Regionalgeschäftsführerin Wien

Die Zeit besser teilen!

Interview

Teilzeit ist immer noch großteils ein Frauenprogramm. Interview mit Mag. Kirstin Essenthier-Höchstätter, Bundesfrauensekretärin der GPA-DJP.

ZUR PERSON
Mag. Kirstin Essenthier-Höchstätter

Geboren 31. Mai 1974, verheiratet, keine Kinder
Ausbildung:  Diplomstudium der Rechtswissenschaften, derzeit Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften
Mediatorin
Beruflicher Werdegang:  1989-2002 Billa Warenhandels AG
2002-2003 Frauen- und Rechtsschutzsekretärin, Gewerkschaft, Handel, Transport und Verkehr
2003-2006 Frauensekretärin, ÖGB-Bundesfrauenabteilung
2006-2007 Rechtsanwaltsanwärterin, Kanzlei Engelbrecht & Partner
2007-2008 Frauen- und Rechtsschutzsekretärin, Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier
seit 1. April 2008 Bundesfrauensekretärin der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier

Arbeit&Wirtschaft: Derzeit arbeiten mehr als 800.000 Menschen in Österreich Teilzeit - fast ein Viertel aller unselbstständig Beschäftigten. 85 Prozent dieser Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. Die GPA-DJP-Frauen haben gemeinsam mit dem Institut für empirische Sozialforschung (IFES) eine Fragebogenaktion bei Angestellten durchgeführt. Wie hoch ist die Zufriedenheit mit der Teilzeit?

Kirstin Essenthier-Höchstätter: Die Zufriedenheit ist relativ hoch - vor allem dort, wo gut geregelte Arbeitszeitverhältnisse herrschen und Teilzeit nicht als Ausgleich für Engpässe eingesetzt wird. Besonders im Bereich der Sozialversicherungsträger, Banken und Versicherungen sind die Befragten zufrieden. Im Bereich des Handels und der sozialen Dienstleistungen liegt die Zufriedenheit jedoch unter dem Durchschnitt.

Knapp die Hälfte der Teilzeitbeschäftigten sieht Teilzeit nur als Übergangslösung und will wieder länger oder überhaupt Vollzeit arbeiten. Die Chancen dafür beurteilen sie selbst aber eher skeptisch: Nur Vier von Zehn geben an, dass es bei ihnen leicht möglich wäre, die Arbeitszeit zu erhöhen.

Warum arbeiten immer noch fast nur Frauen Teilzeit?

Gesellschaftspolitisch gesehen sind und fühlen sich Frauen nach wie vor für die Familienarbeit allein verantwortlich.

So gaben 58 Prozent der Befragten an, dass sie wegen Kinderbetreuungspflichten eine Teilzeitbeschäftigung angenommen haben. Allerdings haben auch elf Prozent gar keine Vollzeitstelle finden können. Was die vorhandenen Kinderbetreuungseinrichtungen betrifft, kritisierten auch viele die Kosten und die Öffnungszeiten, die für viele gar keine Vollzeitbeschäftigung ermöglichen.

Teilzeit soll nicht nur von Frauen, sondern auch vermehrt von Männern in Anspruch genommen werden - Teilzeit soll kein reines Frauenprogramm bleiben! Eltern benötigen Zeit für ihre Kinder, aber Hausarbeit und Betreuungspflichten müssen gerechter verteilt werden.

Welche Nachteile gibt es für Teilzeitbeschäftigte?

55 Prozent gaben bei der Befragung an, dass sie sich gegenüber Vollzeitarbeitskräften benachteiligt fühlen, insbesondere bei den Aufstiegschancen und beim Einkommen. Das Gehalt von Teilzeitbeschäftigten ist meist nicht existenzsichernd. Die finanzielle Absicherung von Teilzeit arbeitenden Frauen ist vor allem in der Pension äußerst prekär.
Als problematisch wird Teilzeit vor allem in diesen Branchen empfunden, wo den Nachteilen von Teilzeit keine Vorteile wie Zeitautonomie und Planbarkeit gegenüberstehen. In diesen Branchen wie z. B. im Handel dient Teilzeit als betriebliche Strategie der flexiblen Auslastungssteuerung. Die Nachteile dieser Beschäftigungsform treten hier massiv auf.

Welche Forderungen leitest du aus der Befragung ab?

ArbeitnehmerInnen sollen sich grundsätzlich frei entscheiden können, ob sie Teilzeit oder Vollzeit arbeiten. Derzeit sieht es leider immer noch so aus, dass viele Frauen Teilzeit arbeiten, weil es zu wenige Vollzeitarbeitsplätze gibt und weil sie keine passenden Kinderbetreuungsplätze finden können. Wir brauchen daher leistbare Kinderbetreuungseinrichtungen in entsprechender Qualität, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewährleisten zu können.

Die GPA-DJP hat in vielen Kollektivverträgen bereits wesentliche Verbesserungen für Teilzeitbeschäftigte erreicht. Auf betrieblicher Ebene bedarf es aber noch vermehrt Frauenfördermaßnahmen, insbesondere verpflichtende Frauenförderpläne in Form erzwingbarer Betriebsvereinbarungen. Darüber hinaus brauchen wir Arbeitszeiten und -bedingungen, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern.

Diese Bemühungen - Maßnahmen auf kollektivvertraglicher bzw. betrieblicher Ebene - werden aber keine nachhaltigen Erfolge haben, so lange sich das gesellschaftliche Bewusstsein hinsichtlich der Aufteilung von Familienarbeit nicht weiterentwickelt.

Was bedeutet das für die betroffenen Frauen und Männer?

Erwerbstätige Frauen haben eine wöchentliche Gesamtbelastung von 64 Stunden, erwerbstätige Männer eine von 48,4 Stunden! Daran wird mehr als ersichtlich, wie sehr Frauen durch die Verrichtung von unbezahlter Arbeit in ihren Erwerbsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Hausarbeit und Betreuungspflichten müssen gerechter verteilt werden. Dazu bedarf es natürlich männlicher Mitstreiter!

Das Gespräch führte Dr. Barbara Lavaud für Arbeit&Wirtschaft.

WEBLINKS
GPA-Frauen
www.gpa-djp.at/frauen
GPD-DJP zum Mehrarbeitszuschlag
www.gpa-djp.at/Mehrarbeitszuschlag
Institut für empirische Sozialforschung
www.ifes.at
Mehrarbeitsrechner
www.oegb.at/mehrarbeitsrechner

INFO&NEWS:
Der Mehrarbeitszuschlag
Eine neue gesetzliche Maßnahme, die zur Aufwertung der Teilzeitbeschäftigung wesentlich beigetragen hat, ist der seit 1. Jänner 2008 geltende Mehrarbeitszuschlag.
Die GPA-DJP-Frauen verteilten am Internationalen Frauentag an Hunderte Handelsangestellte Informationsmaterialien zum Mehrarbeitszuschlag. In 43 Prozent der Filialen/Betriebe wurden die KollegInnen über den Mehrarbeitszuschlag von ihrem/r ArbeitgeberIn informiert. In zwölf Prozent der befragten Filialen/Betriebe ist es wegen der Einführung des Mehrarbeitszuschlages zu Stundenaufstockungen in den Arbeitsverträgen der Beschäftigten gekommen. Dies ist ein gewollter Nebeneffekt der Einführung. Für die ArbeitnehmerInnen steigt damit nicht nur das Gehalt, sondern auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie der Pensionsanspruch.
Mehrarbeit ist Arbeitsleistung, die über das vereinbarte Ausmaß der wöchentlichen Normalarbeitszeit hinausgeht, aber noch nicht Überstundenarbeit ist. Für Mehrarbeitstunden, die ab 1. 1. 2008 geleistet werden, gebührt ein gesetzlicher Zuschlag von 25 Prozent des auf die Arbeitsstunde entfallenden Normallohnes.

INFO&NEWS:
Barbara Teiber, GPA-DJP-Regionalgeschäftsführerin Wien:
«In unserer Beratungstätigkeit werden immer wieder konkrete Fälle vorgelegt, in denen durch Tricks in der Vertragsgestaltung versucht wird, den Mehrarbeitszuschlag zu umgehen. Solche Fälle häufen sich vor allem im Handel und bei den sozialen Dienstleistungen. Inzwischen konnten bereits viele Problemfälle bereinigt werden.«
Es ist unhaltbar, dass einige Arbeitgeber versuchen, diesen Erfolg langjähriger gewerkschaftlicher Arbeit nun systematisch zu hintertreiben. Wir werden daher die Beratungs- und Aufklärungsarbeit weiter intensivieren. Wir schrecken auch nicht davor zurück, in strittigen Fällen, die aus unserer Sicht eine Umgehung der neuen Regelung darstellen, Klage vor Gericht einzubringen.
Durch die Einführung des Mehrarbeitszuschlages ist eine der wesentlichen gewerkschaftlichen Forderungen der letzten Jahre umgesetzt worden. Wir werden für die Einhaltung dieser neuen gesetzlichen Bestimmung sorgen. Ziel ist, dass für jede Mehrarbeitsstunde ein Zuschlag ausbezahlt wird!«

KONTAKT
Schreiben Sie uns Ihre Meinung an die Interviewte
kirstin.essenthier-hoechstaetter@gpa-djp.at
oder die Redaktion
aw@oegb.at

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