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Oh wie schön ist Panama

Internationales

Auf den Baustellen des lateinamerikanischen Staates kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen Gewerkschaft und Polizei

Zwei ältere Amerikaner sitzen auf dem Balkon ihrer billigen Unterkunft und blicken auf eine der zahlreichen Baustellen von Panama-Stadt. Die Hauptstadt boomt. Ein Hochhaus nach dem anderen schießt aus dem Boden. »Ich bin seit sechs Monaten hier«, sagt einer der beiden: »Sobald meine Pensionszahlungen eintreffen, kauf ich mir ein kleines Appartement.« Viele amerikanische PensionistInnen setzen sich in Panama zur Ruhe. Wirklich glücklich wirken die wenigsten, aber es ist billiger als in Florida.

Doch die Baustellen standen vorerst still. Airomi Smith, Funktionär der Bauarbeiter-Gewerkschaft wurde am 12. Februar bei einer Demonstration von der Polizei erschossen. Er war bereits der 17. ermordete Gewerkschafter im jüngsten Arbeitskonflikt. Die Protestierenden begehrten gegen die rasante Teuerung und die nicht vorhandene Arbeitssicherheit in der Bauindustrie auf. Zwei weitere Bauarbeiter erlitten Schussverletzungen, 47 Personen wurden verhaftet. Am 13. Februar fanden in Reaktion auf den neuerlichen Mord landesweite Proteste und Blockaden von strategischen Punkten statt. Viele solidarisierten sich mit den Gewerkschaftern.

Begonnen hat der Konflikt im März 2007, als aufgrund der steigenden Unfallraten auf den Baustellen der erste Streik ausgerufen wurde. Erste Todesopfer folgten. Am 21. August fand schließlich ein landesweiter Bauarbeiterstreik statt, der zu nahezu 100 Prozent befolgt wurde. Auch neun Jahre nach der offiziellen Rückgabe des Panamakanals durch die USA scheint das kleine mittelamerikanische Land nicht zur Ruhe zu kommen.

Rückblick

Um die Kontrolle über Panama - damals noch Provinz Kolumbiens - zu erlangen, organisierten die USA 1903 einen Aufstand. Nach erfolgreicher »Revolution« sicherten sich die Amerikaner vertraglich nicht nur den Einfluss über den noch zu errichtenden Kanal, sondern auch über eine Zehn-Meilen-Zone rundherum. Panama sollte dafür jährliche Zahlungen aus den Kanaleinnahmen erhalten.

Bis September 1979 regierten sogenannte von den USA entsandte Canal Governors über die Kanalzone. Sie waren weit mächtiger als die Präsidenten Panamas. Als das demokratische System Panamas Ende der 60er Jahre durch einen Militärputsch ein Ende fand, unterstützten die USA die neuen Machthaber unter Omar Torrijos zunächst euphorisch. Sie sollten für Ruhe und Ordnung um den Kanal sorgen. Torrijos verblüffte die US-Regierung jedoch mit einer Landreform zugunsten der Ärmsten, verbesserte den Kündigungsschutz, führte das Streikrecht ein, zentralisierte das Bildungswesen und legte einen sozialen Grundrechtskatalog vor. Torrijos brachte auch den UN-Sicherheitsrat dazu, die US-Präsenz in Panama zu verurteilen.

Rückgabe des Kanals

1977 kam es schließlich zum Torrijos-Carter-Abkommen, in dem die Rückgabe des Kanals an Panama für Ende 1999 festgelegt wurde. Nach General Torrijos Tod übernahm General Manuel Noriega das Ruder. Noriega war ein enger Verbündeter des CIA und Ronald Reagans und diente sich den Amerikanern unter anderem mit seiner Hilfe beim Kampf gegen die linksgerichtete sandinistische Regierung Nicaraguas an.

Wie seine Vorgänger erlag auch Noriega dem Wunsch, der Politik seines Landes einen eigenen Stempel aufzudrücken. Als erstes schloss er die »School of the Americas«, die berüchtigte »Folterakademie« der USA. Schließlich nahm er trotz Embargo Handelsbeziehungen zu Kuba auf und unterstützte in El Salvador im Bürgerkrieg die Linken. Washington fühlte sich provoziert, initiierte eine Medienkampagne gegen Noriega und klagte ihn des Drogenhandels an. Dann befahl George Bush sen. die Intervention durch die US-Armee, die Tausende Zivilisten das Leben kostete. Noriega wurde verhaftet und in die USA verschleppt.

1999 wurde der Kanal planmäßig zurückgegeben. US-Präsident Clinton beleidigte dabei die panamaische Regierung, weil er der Zeremonie fernblieb.

Seit 2004 regiert in Panama der Sozialdemokrat Martin Torrijos, der Sohn des »Maximum Liders« der 70er Jahre. Seinen größten Erfolg erreichte er im Oktober 2007, als die PanamaerInnen in einer Volksabstimmung mit großer Mehrheit für die Erweiterung des Kanals stimmten. Denn der platzt mittlerweile aus allen Nähten. Mehrere Tage warten die Schiffe in der Regel auf eine Kanaldurchfahrt. Bis 2014 soll der Kanal ausgebaut werden. Das soll mehr als fünf Mrd. Dollar kosten und großteils durch erhöhte Durchfahrtsgebühren finanziert werden. Kritiker zweifeln an der Wirtschaftlichkeit des Projekts. Sie rechnen mit höheren Kosten von mehr als acht Mrd. - Geld, das die Regierung in die Armutsbekämpfung stecken sollte.

Auch die ökologischen Kosten des Kanalausbaus könnten enorm sein. Bereits jetzt verschwinden mit jedem Schiff, das den Kanal durchquert, 200 Mio. Liter Süßwasser in den beiden Ozeanen.

Martin Torrijos war 2004 nicht zuletzt für sein Versprechen gewählt worden, »Armut, Korruption und Hoffnungslosigkeit« zu beenden. Trotz ständig steigender Kanaleinnahmen leben aber nach wie vor beinahe 40 Prozent der Bevölkerung Panamas von weniger als zwei Dollar am Tag. Das sind etwa 1,2 Mio. Menschen. Und die Ungleichheit nimmt ständig weiter zu. 20 Prozent der Bevölkerung verfügen über 60 Prozent des nationalen Jahreseinkommens, während die ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung mit zwei Prozent des BIP auskommen. Besonders deutlich fällt auch das Stadt-Land-Gefälle aus: 65 Prozent der ländlichen Bevölkerung sind arm. Überproportional betroffen sind wie in den meisten lateinamerikanischen Ländern die indigenen BewohnerInnen - etwas mehr als acht Prozent der Bevölkerung -, die zu 98,5 Prozent in Armut leben.

Außenpolitisch hat Torrijos eines seiner wichtigsten Ziele erreicht. 2007 unterzeichnete er ein Freihandelsabkommen mit den USA. KritikerInnen, darunter vor allem Gewerkschaften und Kleinbauern, meinen allerdings, dass vor allem die USA und die heimische Agraroligarchie vom Vertrag profitieren werden. 90 Prozent ihrer Agrar- und Industriegüter sollen die USA demnächst zollfrei nach Panama exportieren können. Als Desaster für panamaische Produkte bezeichnet Enrique Athanasiadis, Anführer einer lokalen Agrarorganisation das Abkommen, und er fürchtet, dass vor allem kleine ProduzentInnen nicht konkurrenzfähig sein werden. Nachdem das panamaische Parlament den Freihandelsvertrag mit großer Mehrheit ratifiziert hat, hoffen die FreihandelsgegnerInnen nun auf die DemokratInnen im US-Kongress. Per Brief hat Athanasiadis die Abgeordneten dort aufgefordert, das Abkommen nicht zu ratifizieren. Und tatsächlich verzögert sich das Ratifikationsverfahren mehrerer Abkommen im US-Kongress im Moment. Die Abgeordneten befinden sich nämlich mitten im Wahlkampf und haben daher ein offenes Ohr für freihandelskritische Stimmungen.

Fazit

Viele Menschen in Panama glauben, mit der Rückgabe des Kanals sei ein neues goldenes Zeitalter angebrochen. Mit Euphorie begrüßten viele daher den Ausbau des Kanals. Und tatsächlich, Panama hat der Weltöffentlichkeit eindrucksvoll bewiesen, dass es auch ohne US-Hilfe geht: Der Kanal kann heute schneller und sicherer durchfahren werden. Die Unfälle sind deutlich zurückgegangen. Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Die Abhängigkeit vom ungleichen Handelspartner USA bleibt aufrecht, der Handlungsspielraum der Regierung ist entsprechend gering. Entsprechend groß ist auch die Unzufriedenheit in jenen Teilen der Bevölkerung, die vom wirtschaftlichen Aufschwung nicht profitieren können. 

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