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Ausgleich steuern

Schwerpunkt

Um die Armut in Österreich zu bekämpfen, sind verschiedene steuerpolitische Maßnahmen notwendig. Der Faktor Arbeit muss entlastet werden.

Reicher Mann und armer Mann
standen da und sah’n sich an.
Da sagt der Arme bleich:
Wär’ ich nicht arm
wärst du nicht reich.
Bertolt Brecht

Wenn der Sozialbericht eines Landes wie Österreich von mehr als einer Million Menschen beziehungsweise von fast 13 Prozent der Bevölkerung als armutsgefährdet spricht, so stellt dies ein alarmierendes Armutszeugnis dar. Zahlen und Daten verführen dazu, sich über die persönliche Situation der von Armut betroffenen Menschen keine Gedanken zu machen - beispielsweise, was es konkret heißt, sich nicht mehr ausreichend Grundnahrungsmittel oder Heizung leisten zu können. Nichtsdestotrotz stecken hinter den nackten Zahlen nicht die vielzitierten Einzelschicksale, sondern ein kollektives Problem, wofür die vorherrschende Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik verantwortlich zu machen ist.

Im Rahmen der Wirtschaftspolitik nimmt daher auch die Steuerpolitik mittels ihres gesamten Instrumentariums als zentrales Regulativ eine bedeutende Rolle ein. Steuerpolitik ist und bleibt ein notwendiges Mittel zur Finanzierung einer entsprechenden Umverteilungspolitik. Die Notwendigkeit der Einnahmenerzielung durch Steuern ist grundsätzlich Voraussetzung zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im Bereich der Gesundheit, Bildung etc. Sozialer Ausgleich und Absicherung können nur auf breiter und insbesondere auf kollektiver Basis ansetzen. Dazu sind Steuern ein adäquates Mittel. Wer nun von allen Steuerpflichtigen wie viel zum gesamten Steueraufkommen beiträgt ist letztlich der entscheidende Punkt, wie Umverteilungspolitik mit Hilfe der Steuerpolitik charakterisiert werden kann.

Negativsteuer anheben

Die Lohnsteuer ist neben der Umsatzsteuer die aufkommensstärkste Steuer in Österreich. Auch Menschen, die wenig Einkommen zur Verfügung haben, sind von der Lohn- und Umsatzsteuer betroffen. Laut Lohnsteuerstatistik zahlen von sechs Millionen Lohnsteuerpflichtigen (ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen) fast ein Drittel keine Lohnsteuer. Erst ab einem Einkommen von 10.900 Euro (entspricht einem monatlichen Bruttoeinkommen von derzeit 1.128 Euro) ist Lohnsteuer abzuführen. Für Einkommen unterhalb der Steuergrenze wird die sogenannte Negativsteuer auf Antrag ausbezahlt. Zur Verbesserung der Einkommenssituation könnte in diesem Bereich die Negativsteuer angehoben werden. Speziell Frauen sind in den unteren Einkommensstufen überproportional betroffen. Das liegt nicht nur daran, dass mehr Frauen in Teilzeitbeschäftigung gedrängt werden, sondern auch in den Einkommensungleichheiten zwischen Frauen und Männern - noch immer verdienen Frauen um ein Drittel weniger als Männer.

Für BezieherInnen niedriger Einkommen bedeuten Gebühren und Verbrauchssteuern, wie etwa die Umsatzsteuer, eine besondere Belastung. Aus verteilungspolitischer Sicht wirkt eine Verbrauchssteuer regressiv. Daher sind lebensnotwendige Güter wie zum Beispiel Grundnahrungsmittel oder Medikamente grundsätzlich mit einem ermäßigten Steuersatz belegt. Eine weitere Herabsetzung des ermäßigten Satzes hätte keine nennenswerten verteilungspolitischen Effekte zur Folge. Dagegen könnte eine personenbezogene Umsatzsteuerbefreiung - abgesehen von der Gefahr der Stigmatisierung der betroffenen Personen beim Lebensmitteleinkauf mittels Marken - bei Grundnahrungsmittel die armutsbedingten Folgen etwas lindern helfen. Eine sinnvolle Maßnahme zielte auf eine Rückerstattung der Umsatzsteuer für niedrige EinkommensbezieherInnen ab. Neben dem verwaltungstechnischen Aufwand scheint der beabsichtigte Erfolg einer Umsatzsteuerrückerstattung fraglich. Sind die von Armut betroffenen Menschen nicht bereits über bestimmte Sozialprogramme durch die Verwaltung erfasst, so wird es aufgrund der eingeschränkten Information, der nur geringen Kenntnisse über verwaltungsnotwendige Anforderungen sowie der generell vorhandenen Verwaltungsscheu beziehungsweise -ferne des potenziellen AdressatInnenkreises schwer sein, diesen auch tatsächlich zu erreichen.

Um auch EinkommensbezieherInnen im entgegengesetzten oberen Einkommensbereich zur solidarischen Finanzierung der Umverteilungspolitik einbeziehen zu können, ist eine erhöhte Umsatzsteuer auf Luxusgüter denkbar. Allerdings stehen dieser Idee EU-rechtliche Bedenken gegenüber.

Arbeit und Kapital

Im Folgenden wird die Diskrepanz zwischen Einkommenserzielung und Steuerleistung der einzelnen Faktoren von Arbeit und Kapital herausgearbeitet werden. Guger (2004) zeigt die Entwicklung der unterschiedlichen Einkommen. Während der Anteil von Gewinn- und Besitzeinkommen am Volkseinkommen in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen ist, ist jener aus unselbstständiger Arbeit gesunken. In den letzen zehn Jahren haben die Gewinne nominell um 80 Prozent zugenommen, Löhne und Gehälter sind dagegen lediglich um 35 Prozent angewachsen. Die Gewinne haben sich daher mehr als doppelt so schnell entwickelt wie die Löhne. Aber auch innerhalb der Lohn- und Gehaltseinkommen sind enorme Einkommensungleichheiten wahrzunehmen. Dies liegt nicht zuletzt auch daran, dass Teilzeitbeschäftigungsverhältnisse - besonders unter den Frauen - aber auch freie Dienstverhältnisse und andere prekäre Beschäftigungsverhältnisse im Steigen begriffen sind. Diese Einkommensentwicklung wird in keiner Weise von der Struktur des österreichischen Steuersystems reflektiert.

Darüber hinaus ist die Steuer- und Abgabenbelastung der Produktionsfaktoren von Arbeit und Kapital einseitig zuungunsten des Faktors Arbeit ausgebildet. Besonders der internationale Vergleich verdeutlicht klar diese Schieflage. Die Europäische Kommission veröffentlicht in regelmäßigen Abständen Daten zur Entwicklung der Steuereinnahmen. Diese werden für einen harmonisierten Vergleich der Steuerindikatoren herangezogen. Die Abgabenbelastung kann anhand der impliziten Steuersätze1 abgelesen werden. Generell ist in den unterschiedlichen Ländern Arbeit stärker belastet als Kapital, das Ausmaß der Ungleichbelastung fällt jedoch verschieden aus. Österreich weist eine im Zeitverlauf steigende Belastung des Faktors Arbeit auf - im Jahr 1995 betrug die Belastung 38,7 Prozent und stieg bis 2005 auf 40,9 Prozent.

 Hingegen ist die Belastung von Kapital von 25,5 Prozent bis 23,1 Prozent zurückgegangen. Für die Eurozone, aber auch für den EU-27-Durchschnitt, ist ein entgegengesetzter Trend festzustellen. Dennoch ist dieser Trend sehr schwach ausgeprägt, vermutlich als Konsequenz der Entwicklung des generellen Steuerwettlaufs der Gewinn- und Vermögensbesteuerung in den Ländern der Europäischen Union.

Schieflagen korrigieren

Im Zuge einer Steuerreform müsste Raum geschaffen werden, neue Akzente zu setzen und Schieflagen zu korrigieren. So wäre die Umstellung von auf Arbeit bezogene Abgaben auf Basis einer Wertschöpfungsabgabe anzudenken; ein erster Schritt könnte die Finanzierung des Familienlastenausgleichsfonds durch die Wertschöpfungsabgabe sein. Eine weitere Stoßrichtung ist in der Stärkung der vermögensbezogenen Besteuerung zu suchen. Aus aktuellen Statistiken geht hervor, dass Österreichs Aufkommen aus allen vermögensbezogenen Steuern weit unter dem Niveau der EU-15-Länder liegt. Um das österreichische Vermögenssteueraufkommen an das EU-Niveau heranführen zu können, müsste an der Erhöhung der Steuersätze, der Verbreiterung der Bemessungsgrundlagen sowie an einer (Wieder-)Einführung bereits abgeschaffter/neuer vermögensbezogener Steuern angesetzt werden.

Die Änderung der österreichischen Steuerstruktur kann jedoch nur einen Teil der notwendigen Maßnahmen darstellen. Hohe Einkommen, vor allem Einkommen aus Besitz und Vermögen, Kapitalerträge sowie Wertpapiere, aber auch Unternehmen sind verstärkt steuerlich zu erfassen. Das Aufkommen aus dieser Besteuerung kann dazu verwendet werden, sozialstaatliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut zu finanzieren.

Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass die Steuerpolitik einen wesentlichen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten kann. Das bedeutet für die konkrete österreichische Situation, dass umfangreiche Maßnahmen gesetzt werden müssen, um die Steuer- und Abgabenstruktur entsprechend zu ändern. Dies betrifft vorrangig die Stärkung der vermögensbezogenen Besteuerung in Österreich, zu überlegen wäre aber auch eine Entlastung des Faktors Arbeit zugunsten einer Wertschöpfungsabgabe. Allerdings vermag Steuerpolitik nicht allein Armut zu bekämpfen - sie ist und bleibt ein wichtiges Hilfsinstrument. Zur Bekämpfung von Armut bedarf es der Anwendung weiterer wichtiger Politikbereiche - neben der Sozialpolitik sind hier allen voran die gewerkschaftliche Lohnpolitik, aber auch Bereiche der Arbeitsmarktpolitik gefordert.

WEBLINKS
FSG-Kampagne Lohnsteuer senken
www.lohnsteuersenken.at
Beigewum (2005), Mythen der Ökonomie, VSA Verlag
www.beigewum.at
Kurswechsel, Kampf für ein soziales Europa, Nr. 1/2007
www.kurswechsel.at
OECD Revenue Statistics 2007
www.oecd.org
Statistische Nachrichten 1/2008
www.statistik.at

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