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Armut in Österreich

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In unserer Heimat, einem der reichsten Länder der Welt, fallen mehr als zehn Prozent durchs soziale Netz. Manche trotz Arbeit.

Armut in Zahlen: Laut aktueller EU-SILC-Auswertung waren im Jahr 2006 in Österreich 1,027.000 (2005: 1,001.000) Menschen armutsgefährdet. Das entspricht 12,6 Prozent der Gesamtbevölkerung. Aus dieser Gruppe galten 459.000 (2005: 421.000) Personen als von verfestigter Armut betroffen. EU-SILC (Europäische Union - Statistics on Income and Living Conditiones)-Auswertungen gibt es seit 2003. Seither sind die entsprechenden Werte für Österreich relativ konstant geblieben. Im Vergleich zum EU-Durchschnitt (16 Prozent) ist die Armutsgefährdung hierzulande etwas niedriger.

Vergleicht man die Jahre 2004 und 2005 so zeigte sich in einer Sonderauswertung, dass zusätzlich zu der Million in Österreich armutsgefährdeten Personen weitere 600.000 vorübergehend betroffen waren. Dabei handelt es sich einerseits um Personen, die 2005 unter die Armutsgefährdungsschwelle gerutscht sind, 2004 aber noch darüber lagen. Andererseits um solche, die 2005 den Sprung über die Schwelle geschafft haben, nachdem sie 2004 noch darunter lagen. Zunehmende Prekarisierung und fortschreitende Diskontinuität der Erwerbsverläufe bringen es mit sich, dass die Zahl der Menschen, die irgendwann in ihrem Leben Armutsgefährdung erleben, steigt. Einige der Betroffenen finden wieder aus der Armutsfalle heraus, viele leider nicht. Selbst ein Einkommen aus Erwerbsarbeit ist kein sicherer Schutz!

Was ist Armut?

Bei Armut ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen relativer Armut (im Verhältnis zum Rest der Gesellschaft) und absoluter Armut (Probleme das Überleben zu sichern). Moderne Wohlstandsgesellschaften verwenden in der Regel das Konzept der relativen Armut. Auch die Armutsmessung von EU-SILC arbeitet mit diesem Konzept.

Als armutsgefährdet gilt demnach, wer weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens aller vergleichbaren Personen zur Verfügung hat. Der Median beschreibt die (Einkommens-)Höhe, an der die Hälfte der vergleichbaren Personen mehr und die andere Hälfte weniger zur Verfügung hat (beachte: das Medianeinkommen ist nicht gleich dem Durchschnittseinkommen). Zusätzlich zum Einkommen als Messgröße der Armutsgefährdung wird das Konzept der Deprivation benutzt, um soziale Schieflagen in der Gesellschaft zu beschreiben. Deprivation bedeutet Benachteiligung in Form von erzwungenem Verzicht auf grundlegende Konsumgüter, starke gesundheitliche Einschränkungen oder sehr schlechte Wohnverhältnisse, die nicht behoben werden können.

Treten Armutsgefährdung und Deprivation gemeinsam auf, wird von verfestigter Armut gesprochen. Hier wird in weiterer Folge die einkommensbezogene und damit leichter messbare Größe der Armutsgefährdung verwendet.

Armutsgefährdung nach EU-SILC wird in Form von Haushaltsbefragungen ermittelt. Dabei wird das gesamte, dem Haushalt zur Verfügung stehende Einkommen (inklusive aller Transferleistungen wie Familienbeihilfen, Wohnbeihilfen, Arbeitslosengeld, ...) eines gesamten Jahres erfasst. Da es sich um eine Stichprobenerhebung bzw. um Befragungsergebnisse (wobei bekanntermaßen nicht immer korrekte Auskünfte gegeben werden) handelt, weisen die Ergebnisse gewisse Unsicherheitsfaktoren auf. Daher sollten vor allem kleinere prozentuelle Schwankungen zwischen einzelnen Jahren nicht überbewertet werden.

Wer ist von Armut betroffen?

Besonders stark armutsgefährdet sind, wenig verwunderlich, Arbeitslose: 33 Prozent stehen an der Schwelle zur Armut. Personen, die länger als zwölf Monate arbeitslos sind, sogar zu 52 Prozent. Ähnlich verhält es sich mit alleinstehenden Frauen, die eine Leistung aus der Pensionsversicherung beziehen (28 Prozent), MigrantInnen (28 Prozent), Menschen (meist Frauen), die allein mit minderjährigen Kindern leben (27 Prozent) und mit Personen, die nur die Pflichtschule abgeschlossen haben (22 Prozent). Demgegenüber sind Personen mit Universitätsabschluss (sechs Prozent), Personen, die mit anderen Erwachsenen zusammenleben (acht Prozent) oder Personen, die eine Lehre oder eine mittlere Schule abgeschlossen haben (ebenfalls acht Prozent) deutlich seltener armutsgefährdet. Als working poor werden all jene Personen bezeichnet, die aktuell erwerbstätig und zwischen 20 und 64 Jahre alt sind und deren Haushaltseinkommen (verteilt auf alle Haushaltsangehörigen) unter der Armutsgefährdungsschwelle liegt.

In den letzten Jahren ist diese Gruppe verstärkt ins Blickfeld von Politik und Armutsforschung gerückt. Aktuell betroffen sind etwa 230.000 der rund 3,4 Millionen Beschäftigten. Das bedeutet, dass sieben Prozent aller Erwerbstätigen in Österreich mit ihren Familien unter der Armutsgefährdungsschwelle leben. 165.000 dieser Personen sind sogar vollzeitbeschäftigt!

Prekarität und Armutsgefährdung

EU-SILC zeigt auch, dass prekäre Beschäftigungsformen mit einem überdurchschnittlich hohen Armutsgefährdungsrisiko einhergehen: So sind 24 Prozent aller Personen, die einer Teilzeitbeschäftigung mit unter zwölf Wochenstunden nachgehen armutsgefährdet. Nicht ganzjährig Beschäftigte zu 16 Prozent, ebenso wie Personen, die auf Basis eines Werk- oder freien Dienstvertrages arbeiten. Da es sich bei letzteren zahlenmäßig um eine relativ kleine Gruppe handelt, sind diese Werte aus der EU-SILC-Stichprobenerhebung statistisch nur schlecht abgesichert.

Ohne Sozialleistung wären durchschnittlich mehr als vier von zehn Menschen in Österreich von Armutsgefährdung betroffen. Aufgrund von Pensionszahlungen, Familien- und Bildungsleistungen, Arbeitslosenleistungen, Gesundheitsleistungen und bedarfsorientierten Leistungen (Sozialhilfe und Wohnbeihilfe) gelang es, die Armutsgefährdungsquote im Jahr 2006 von 43 Prozent auf knapp 13 Prozent zu senken.

Am meisten armutsreduzierend wirken neben den Pensionen vor allem die Familienleistungen. Gerade Familien mit Kindern sind sehr oft von sozialstaatlichen Transfers abhängig. Sie reduzieren die Gefahr, dass Kinder von Armut betroffen sind um mehr als die Hälfte.

Was Sozialhilfe leistet

Das unterste soziale Netz in Österreich bildet derzeit die Sozialhilfe. Sie fällt in die Kompetenz der Länder, was im Lauf der Jahre zu erheblichen Leistungsunterschieden in den neun Sozialhilfegesetzen geführt hat. Im Jahr 2006 haben in Österreich 131.000 Menschen Leistungen aus der sogenannten offenen Sozialhilfe in Anspruch genommen. Dazu kommen weitere 60.000 Personen, die in Altenwohn- und Pflegeheimen betreut werden und zur Sicherung ihres Lebensunterhalts eine finanzielle Unterstützung durch die Sozialhilfe beziehen.

Sozialhilfe kann nur beziehen, wer keine Arbeitsmöglichkeit hat und weder (sonstiges) Einkommen noch Vermögen in ausreichendem Ausmaß besitzt. Schätzungen, die sich auf Zahlen aus dem Jahr 2003 beziehen, gehen davon aus, dass nur etwa 45 Prozent aller Personen, die Ansprüche auf Sozialhilfeleistungen hätten, diese auch tatsächlich in Anspruch nehmen. Neben Unwissenheit über die Ansprüche sowie die teilweise unklare Rechtslage ist auch die Angst vor dem Stigma des ›arm seins‹ ein Grund für diesen Zustand. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS), bei der gerade über die Details verhandelt wird, soll helfen, die Armutsgefährdungsrate zu senken.

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Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter:
EU-SILC bei Statistik Austria
www.statistik.at/web_de/frageboegen/private_haushalte/eu_silc/index.html
Bundesministerium für Soziales und Kosumentenschutz
www.bmsk.gv.at/cms/site/search.html?query=silc

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