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Josef Wukovits wollte schon immer in Afrika Entwicklungshilfe leisten.
ORF-Redakteuer Ed Moschitz hat Prioritäten gesetzt. In der Bildungskarenz kümmerte er sich vermehrt um seine Familie:
Ed Moschitz: »Bei der Arbeit sind mir Themen, die mit Familie zu tun haben, wichtiger geworden.«

Aussteigen auf Zeit

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In der Lebensmitte sind wir besonders engagiert im Beruf. Viele wünschen sich gerade dann eine Auszeit, um etwas anderes zu tun.

Was haben ein Fernsehredakteur, ein Manager in einem Elektronikkonzern und eine Tageszeitungsjournalistin gemeinsam? Sie alle haben sich auf das Wagnis »Auszeit« eingelassen und haben - für eine festgelegte Zeit - ihren Job und in einem Fall auch die Familie verlassen, um ganz etwas anderes zu tun. Alle würden es wieder tun und empfehlen es weiter.

Die Gründe können ganz unterschiedlich sein: Der ORF-Redakteur Ed Moschitz hatte neben einem fordernden Job, zwei Kinder im Vorschulalter und einer Beziehung einfach keine Kraft mehr um soviel zu leisten, wie er sich immer vorgenommen hatte. Er stand am Rande eines Burn-outs. Josef Wukovits, Manager beim Elektro- und Elektronikriesen Siemens hatte einen Traum: Einmal nach Afrika gehen und Entwicklungshilfe leisten. Und die Redakteurin der Salzburger Nachrichten, Gertraud Leimüller wollte an einer amerikanischen Eliteuniversität ein Mid-Career-Studium absolvieren.

Die Entscheidung fällt sehr früh

»Ich hatte kaum mehr Schlaf und habe versucht die Quadratur des Kreises zu schaffen: für meine Familie da zu sein und vollen Einsatz in meinem Job zu bringen. Ein paar Jahre ging das gut und dann habe ich ziemlich schlagartig gemerkt: so kann ich nicht mehr in den Herbst gehen«, erinnert sich Ed Moschitz: »Dann habe ich Prioritäten für meine Familie gesetzt und mit meinem Chef eine Bildungskarenz ausgehandelt.« Moschitz wollte neben mehr Zeit für seine Familie im Sabbatical sein angefangenes Studium beenden. Der Vorgesetzte ging schnell darauf ein und auch die KollegInnen hatten kein Problem mit seiner Auszeit: »Sie waren alle sehr verständnisvoll«. Einige wenige allerdings sahen in seiner Bildungskarenz eher den Urlaubsaspekt und meinten, dass der Herbst für den Beginn einer solchen Zeit vielleicht ein wenig schlecht gewählt wäre.

Auch Josef Wukovits brauchte um seinen Plan in die Tat umzusetzen nicht sonderlich lange. Als er einen Kontakt zu Ärzte ohne Grenzen fand und einen Kurs in Genf besuchte war die Entscheidung schon längst gefallen: »Ich glaube ja, dass die Veränderung schon vorher stattfindet: Ich wollte immer schon nach Afrika, um zu helfen und als Entwicklungshelfer etwas zu verändern. Ich habe oft darüber gesprochen. Doch als ich die Entscheidung meiner Familie mitteilte, fiel meine Frau aus allen Wolken: Sie hatte nicht geglaubt, dass es mir wirklich ernst war diesen Traum umzusetzen.«

Gertraud Leimüller war erfolgreiche Journalistin bei einer angesehenen Zeitung und arbeitete im Wiener Büro als Wirtschaftsjournalistin. Sie hatte bereits ihren Doktor und war mitten in einer viel versprechenden Karriere als sie ihren Vorgesetzten um ein Jahr Auszeit für ein Studium in Harvard bat. Sie war die erste, die sich eine Auszeit erbeten hatte und bekam sie bewilligt: »Der Traum in den USA zu studieren war schon lange da und hat mich nicht losgelassen. Ich war erfolgreich in meinem Job aber ich war mir auch sicher: das kann nicht alles gewesen sein.« Und so nahm es nicht Wunder, dass es ihr gelang auch ihren Mann, einen Spitzenbeamten in einem Ministerium, von dem Gedanken zu überzeugen, dass sie es gemeinsam in den USA versuchen sollten. Und sie hatten Glück wie es nur selten vorkommt: sie wurden beide in Harvard für ein sogenanntes Mid-Carreer-Studium akzeptiert.

Hinterher ist alles anders ...

Josef Wukovits sagt es ohne mit der Wimper zu zucken: »Nach drei Tagen habe ich sowohl meine Familie als auch Siemens komplett vergessen.« Die Zeit im Süden des Sudans, mitten im Nirgendwo des afrikanischen Buschlandes, war für Josef Wukovits randvoll mit Arbeit: er koordinierte die Hilfsgüter und war für die Logistik von Fahrern, Fahrzeugen und Medikamenten zuständig. Sechs Monate - nur von einem Urlaub unterbrochen - schlief er in einer Lehmhütte, trank lauwarmes Wasser und ernährte sich großteils aus der Konservendose. »Nach drei Monaten hat man Urlaub - ich bin nach Kenia bergsteigen gefahren - den man auch dringend braucht. Die Kommunikation mit meinen fast erwachsenen Kindern und meiner Frau war auf ein Minimum beschränkt: nach drei Monaten erhielt sie den ersten Brief von mir.« Wukovits arbeitete von morgens bis abends und erfuhr: »Man kann etwas tun. Man kann helfen.« Und er stellte fest: »Nach kurzer Zeit habe ich nicht mehr wahrgenommen, ob ich mit einem Schwarzen spreche oder mit einem Weißen.«

Neue Qualitäten nach Auszeit

Ganz anders hielt es Ed Moschitz in seiner Auszeit, die er neben dem Studium im wesentlichen seiner Familie widmete: »Ein wenig hat es gebraucht, einen vernünftigen Tagesablauf zwischen Haushalt, Kindern und Studium zu finden. Nach einer kurzen Umstellungsphase hat das aber auch sehr gut geklappt. Ich habe mir eigentlich mit Hilfe der Kinder eine Routine gesucht.« Das Studium lief ebenfalls nach einigen - Studienplan bedingten - Anlaufschwierigkeiten gut und die Beziehung zu seinen Kindern die damals vier und fünf Jahre alt waren sowie zu seiner Partnerin vertieften sich. Die Auszeit hat neben dem voranschreitenden Studium seine Verbindlichkeit hinsichtlich der Familie geändert aber auch neue Qualitäten in seine Arbeit eingebracht: »Ich schaue heute mehr auf die Qualität der Beziehung, sowohl in der Arbeit als auch in der Familie. Wenn ich jetzt in die Arbeit gehe, gibt es mehr Verbindlichkeit über meine Rückkehr. Und bei der Arbeit sind mir Themen, die mit Familie zu tun haben, auch wichtiger geworden.«  Leimüller, die mit ihrem Mann gemeinsam in Harvard gelandet war, sieht heute die Welt »weniger Europa zentristisch. Es hat mein Denken total geweitet und mein Leben verändert.« Denn während Moschitz und Wukovits in ihre alten Jobs zurückkehrten hat Leimüller kurze Zeit nach ihrer Rückkehr den Hut genommen und ihr eigenes Unternehmen gegründet: »Das Sabbatical in den USA hat mental viel ausgelöst: obwohl ich aus einer Familie von Selbstständigen komme, hätte ich mir das vorher nicht zugetraut.«

Das Weggehen war für alle drei relativ leicht, die Rückkehr gestaltete sich anspruchsvoller: Bei Ed Moschitz stellte sich einige Wochen vor der Rückkehr in den Job eine leichte Nervosität ein: »Die Kollegen - mit denen ich in ständigen Kontakt geblieben war - gaben mir, ebenso wie mein Chef, ein total gutes Feedback und haben mir die Rückkehr leicht gemacht. Ich hatte allerdings Skrupel wegen meiner Karenzvertretung für die ein neuer Job gefunden werden musste.«

Jederzeit wieder

Für Josef Wukovits war bei der Rückkehr einiges aufzuarbeiten: »Da war erstens meine Familie, die mir die vor meiner Abreise quasi verweigerte Diskussion über meine Abreise wieder aufnehmen wollte und zweitens die Tatsache, dass ich nach rund zwei Monaten nach Beendigung des Einsatzes in Somalia, fast zusammengebrochen wäre.« Wukovits war allerdings durch Ärzte ohne Grenzen gut auf diesen Moment vorbereitet und arbeitete ihn gemeinsam mit seiner Frau, einer ausgebildeten Psychotherapeutin wieder auf. »Ich würde trotzdem jederzeit wieder so eine Entscheidung treffen«, meint er abschließend und fühlt sich von den sechs Monaten Auszeit sehr bereichert: »Ich habe nicht nur gesehen, dass man helfen kann und Dinge tun kann, die man sich zu Hause nicht vorstellen kann, ich habe auch realisiert, dass ich ein Buch schreiben kann und heute sage ich viel seltener: das geht nicht.«

Veränderte Perspektive

Gertrud Leimüller hätte gerne noch ein weiteres Jahr »angehängt«, hielt sich aber an die Vereinbarung mit ihrem Mann und plante nach 12 Monaten die Rückkehr: »Im beruflichen Bereich war es am schwierigsten, wir hatten aber eine sehr gute soziale Vorbereitung in Harvard für unsere Rückkehr und waren auf das, was uns hier nach dem Besuch einer »Eliteuni« in den USA erwartete, vorbereitet.« Manch einer, so Leimüller, sei neidisch auf die Harvard-Erfahrung gewesen, viele allerdings hätten erklärt, selbst an ein Sabbatical zu denken.

»Durch die Distanz ändert sich die Perspektive«, was Leimüller für sich formuliert, stimmt für alle drei »AussteigerInnen auf Zeit«. Und eines verbindet sie ebenfalls: die Tatsache, dass jeder es wieder tun würde und keiner bedauert, eine festgelegte Zeit aus dem Arbeitsalltag ausgestiegen zu sein und etwas ganz anderes getan zu haben: etwas Nützliches für sich selbst, die Umwelt, die Familie.

WEBLINKS
Info zur Bildungskarenz im Netz
www.help.gv.at/Content.Node/k17/Seite.171800.html
Arbeiterkammer
www.wien.arbeiterkammer.at/www-397-IP-1963.html
BM für Wirtschaft und Arbeit
www.bmwa.gv.at/BMWA.../Bildungskarenz/default.htm
Arbeitsmarktservice Österreich
www.ams.at/_docs/001_produktblatt_bildungskarenz.pdf

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AUSZEIT MIT DER CHEFIN
Der Morgen beginnt gut - meine Chefin lacht. Eine Stunde lang komme ich zum Frühstückmachen, fülle eine Waschmaschine und stelle sie an. Die Chefin ist mit sich selbst beschäftigt. Päng - jetzt hat sie sich weh getan. Es folgt eine Schreiorgie und eine ausgiebige Tröstung. Das Leben ist schwer mit neun Monaten.

Dass Väterkarenz keine Auszeit ist, ist ein öder Gemeinplatz. Sieben Tage die Woche, 18 Stunden am Tag, Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft spottet jedem Arbeitszeitgesetz. »Auszeit« sagen jene (Männer), die es nie gemacht haben.
Trotzdem hat es etwas von Auszeit. Es ist Zeit, um das Wachsen, Werden und Vergehen wieder wahrzunehmen. Zeit, die Langsamkeit eines Kindes zu spüren und selbst langsamer zu werden, in einem Arbeitsumfeld, das mir unerträglich stressig geworden ist. Es ist Zeit, den Wadlbeißern und Hackelschmeißern zu entkommen. Adieu BlackBerry, ich vermisse dich nicht. Ich genieße diese Auszeit, bei allen Nachteilen - Karenzmännern geht es wie Frauen, vom Karriereknick bis zum out-of-work-blues. Es ist schon wieder elf Uhr nachts, bis ich zum Fertigschreiben komme. Ich liege k.o. am Wohnzimmerboden und flehe meine Chefin an, mich endlich ins Bett gehen zu lassen, während sie mich quietschfidel mit dem Inhalt des CD-Regals bewirft. Auszeit? Ich sollte diesen Artikel nochmal umschreiben.    
Claus Faber

Webtipp:
Wer über die Chefin am Laufenden bleiben will - mehr Infos, Claus Faber berichtet: www.clausfaber.net/rafaela.html
Mehr Infos zur Väterkarenz: www.papa-aktiv.at

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