topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/
Let´s Make Money Die Spekulation mit sogenannten »Vermögenswerten«, wie den Grundnahrungsmitteln, treibt Millionen von Menschen in den Hunger, nur weil man damit auf den Börsen der Welt »Geld« verdienen kann.
Erwin Wagenhofer Erwin Wagenhofer

Koste es, was es wolle!

Interview

Der Filmemacher Erwin Wagenhofer setzt sich nach »We feed the world« in seinem neuesten Streifen mit der Geldwirtschaft auseinander.

ZUR PERSON
Erwin Wagenhofer
Geboren: 1961 in Amstetten, Niederösterreich
Autor und Filmemacher, Absolvent am TGM Wien, Entwicklertätigkeit bei Philips Österreich, drehte Kurzfilme
und Spielfilme, profilierte sich als kritischer Dokumentarfilmer, vor allem durch seinen aufsehenerregenden Streifen über den rücksichtslosen Ge- und Missbrauch der Nahrungsmittel am Weltmarkt: »We feed the world«.
Sein jüngster Film »Let`s Make Money« handelt von Finanzmärkten und Kapitalhaien, die unsere Gegenwart
und Zukunft bestimmen, von der Gier der Geldwirtschaft, die unser Erspartes benutzt, um arme Länder auszubeuten. Der Film kommt im Oktober in die Kinos.

Arbeit&Wirtschaft: Herr Wagenhofer, In ihrem neuen Dokumentarfilm »Let`s Make Money« haben Sie recherchiert, was mit unseren Ersparnissen, die uns als Bankeinlage Zinsen bringen sollen, passiert. Mit dem Ergebnis, dass die Menschen in der Dritten Welt mit schlecht entlohnter Arbeit unsere finanziellen Vorsorgen und Versicherungen bezahlen. Was hat Sie veranlasst, sich diesem Thema zu widmen?

Klaus Wagenhofer: Vor einigen Jahren habe ich in einer Bank folgenden Werbespruch gelesen: Lassen Sie Ihr Geld arbeiten! Das wollte ich mir genauer ansehen. Denn Geld kann bekanntlich nicht arbeiten. Arbeiten können Menschen, Maschinen, Tiere. Wenn man den Werbespruch der Bank ernst nimmt, so bedeutet das: Jemand anderer muss für mich arbeiten, und meist sprechen wir dann von Ausbeutung. 

Welche Recherche in Zusammenhang mit »Money« hat sie am meisten betroffen, berührt oder wütend gemacht?

Es gibt viele wütend machende Momente; aber an erster Stelle steht die Ignoranz, mit der wir diese Tatsachen täglich hinnehmen und die sich noch dazu im legalen Rahmen befinden. Da wäre etwa die Spekulation mit sogenannten »Vermögenswerten«, wie den Grundnahrungsmitteln, die Millionen von Menschen in den Hunger treibt, nur weil man damit auf den Börsen der Welt »Geld« verdienen kann. An einem ganz normalen Handelstag werden Weizenmengen gehandelt, wie sie in 200 Jahren nicht wachsen. Das treibt die Preise in die Höhe und führt zu Hungerkatastrophen. Seit unserem vorigen Film »We feed the world«, über die Produktion von und dem Handel mit Nahrungsmittel ist der Weizenpreis um 250 Prozent in die Höhe geschnellt! Das hat mit dem Markt nichts zu tun, weil in diesen drei Jahren nicht 250-mal soviel Weizen gebraucht, sondern weil damit 250-mal so viel spekuliert wurde. Ein anderes obskures Beispiel ist, dass unser ehemaliger Finanzminister mit seinem neuen beruflichen Umfeld auf einer Steueroase gelandet ist. Der Mann, der für das Steueraufkommen jahrelang verantwortlich war, veranlagt nun mit seinem Unternehmen in Jersey, um Steuerzahlungen hierzulande zu vermeiden. 

Wie sieht unsere Zukunft aus, wenn sich die Geldspirale weiterdreht?

Es ist schwer vorauszusagen, besonders die Zukunft - hat bekanntlich Wilhelm Busch gesagt. Aber alle Menschen mit denen wir in den vergangenen drei Jahren gesprochen haben, sehen diesbezüglich die Zukunft düster, egal, ob sie von diesem System profitieren oder ob sie benachteiligt werden. Die Vorboten sind längst da: hohe Inflation, Geldentwertung. Es ist klar, dass nicht nur die Preise steigen, wenn die »Geldsuppe« von den Notenbanken immer mehr verdünnt wird, um die Zockerei auf den Finanzmärkten irgendwie auszubügeln. Der höchst verschuldete Staat - oder die Gesellschaft - der Welt sind die USA, die angeblich letzte und einzige Supermacht der Erde. Wenn man sich das genau überlegt, dann stimmt da etwas nicht, oder? Geldentwertungen hat es immer schon gegeben, aber am Ende bezahlen dafür immer der sogenannte kleine Mann und die sogenannte kleine Frau! 

Woher kommt die Gier der vergleichsweise reichen westlichen Welt, immer mehr an sich zu raffen?

Die Gier steckt in uns wie der Hass oder die Liebe. Die Frage für mich ist, warum die Gier so zugenommen hat, bei gleichzeitig noch nie da gewesenem materiellem Wohlstand? Da scheint etwas ziemlich falsch gelaufen zu sein. Geld allein macht uns eben nicht glücklich. Wir sehnen uns nach Dingen, die man für Geld gar nicht haben kann, nach einer »Erfüllung« in Bereichen, in denen wir uns nicht weiterentwickelt haben. Die Liebe, zum Beispiel, ist so ein Notstandsgebiet.

Wäre Tauschhandel eine Alternative zur Geldwirtschaft?

Das glaube ich nicht. Geld an sich ist eine sehr gute Erfindung. Das Problem daran ist, wie wir heute damit umgehen! Die globale Geldwirtschaft wurde seit den siebziger Jahren - Stichwort Washingtoner Konsens - komplett dereguliert, das heißt, alle zuvor sehr achtsam eingesetzten Regulierungsmaßnahmen wurden abgeschafft. Diese Regulierungsmaßnahmen waren aber sinnvoll und die Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und den darauf folgenden 2. Weltkrieg. Man wollte einen solchen Crash und eine solche Katastrophe in Zukunft verhindern. Heute gilt nur noch eine Regel: Das Kapital muss sich ständig vermehren, koste es was es wolle.

Wir danken für das Gespräch.

Das Interview führte Dr. Sibylle Fritsch für Arbeit&Wirtschaft 

WEBLINKS
Mehr Infos unter:
www.letsmakemoney.at

KONTAKT
Schreiben Sie Ihre Meinung
an die Redaktion
aw@oegb.at

Artikel weiterempfehlen

Kommentar verfassen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum