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Foto: ÖGB | Thomas Reimer Peter Paul Skrepek: »Wer als Freischaffender Tausende KünstlerInnen vertritt, die freischaffend sind, wird nicht freigestellt - der ist ja schon frei.«

Ohnmächtig und vogelfrei

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Bei KünstlerInnen und ihren InteressenvertreterInnen ist Selbstausbeutung angesagt und Bittgänge stehen auf der Tagesordnung.

Die Kunst ist lang, und kurz ist unser Leben«: Oft zu kurz, als dass der Künstler die Früchte der Kunst erleben und davon leben kann, lässt sich dieses Zitat aus Goethes »Faust« fortsetzen. Denn kreative Arbeit ist schwer wäg- und messbar, hat keine fixen Stunden. Und überhaupt kann die Arbeitszeit dafür weder erfasst noch eingegrenzt werden. So ist dem Gros der KünstlerInnen im wahrsten Sinn des Wortes nur ein Hungerlohn gewiss. Wie gewiss, zeigt die aktuelle BMUK-Studie über die soziale Lage der KünstlerInnen in Österreich: Drei Viertel der Künstlerschaft muss noch durch Mehrfachjobs Brötchen dazuverdienen, damit sie was zum Beißen hat. Trotzdem bleiben insgesamt 37 Prozent unter der Armutsgefährdungsgrenze von 900 Euro pro Monat. Für die InteressenvertreterInnen im Kunstbetrieb ist das die Ausgangslage und Problem Nummer eins: Sie können daran kaum etwas ändern.

Vertragliches Niemandsland
Auch wenn die Kategorien, in denen diese Vertretung stattfindet, strukturell unterschiedlich sind, bleibt ihre Rolle auf Bittgänge und Proteste beschränkt. Ob es sich nun um angestellte InteressenvertreterInnen handelt, die freie Kulturschaffende vertreten, oder angestellte ArbeitnehmervertreterInnen, die angestellte und freie KünstlerInnen vertreten, oder um freie, die sowohl angestellte wie freie Kulturschaffende vertreten: Alle haben mehr oder weniger mit dem Problem zu kämpfen, dass sich die Kunstproduktion im vertraglichen Niemandsland bewegt. »Als Interessenvertreter gibt es im freien Bereich keine legale Handhabe, man kann Politiker nur um Weitblick ersuchen, was bei Blinden vergebliche Liebesmühe ist«, ätzt etwa Peter Paul Skrepek, freischaffender Musiker, Kabarettist und Präsident der Musikergewerkschaft im ÖGB.

Weil es keine Kollektivverträge gibt, braucht die Durchsetzung von Interessen viel mehr Solidarität der Betroffenen. Aber in der Praxis nehmen zum Beispiel viele StudiomusikerInnen das Honorar, das sie angeboten bekommen - auch wenn es unter der Mindestgage liegt. »Ein Teufelskreis«, skizziert Skrepek die Lage der Kulturnation: »Die Kunstproduzenten zahlen schlecht, weil sie es nicht besser können - sie haben selbst kein Geld. Aber während es Sporthilfe und Förderung für Bergbauern gibt, wartet man traditionellerweise beim Künstler, bis er tot ist«, kämpft Skrepek seit Jahren für ein Gesetz, das Kunstschaffende in die Lage versetzt, am Markt teilzuhaben und für legale Möglichkeiten die Interessen von KünstlerInnen durchzusetzen.

Ein anderes Problem ist die Unwägbarkeit der Arbeitszeit. »Ich 'schreibe‘ ja auch, wenn nicht schreibe, nicht am Schreibtisch sitze, ihn nur umkreise, oder durch den Wald renne, um darüber nachzudenken, warum ich einen Knoten im Hirn habe … Lesetouren mache ich eigentlich bis auf wenige Ausnahmen nur in Blöcken - vergangenes Jahr waren es drei volle Monate, sie kosten sehr viel Substanz; Tage oder Wochen, bis man wieder zu Hause Konzentration aufbauen kann - und das alles ist Zeit, die man eigentlich dazuzählen muss«, berechnet Schriftsteller Robert Menasse seinen Stundenlohn »gefühlsmäßig« mit einem Euro.

Prekäre Verhältnisse für AutorInnen
Wie ergeht es erst MalerInnen, freien MusikerInnen und AutorInnen, die weniger erfolgreich sind als ein Menasse, ein Michael Köhlmeier oder eine Sabine Gruber? »AutorInnen sind überhaupt das Schlachtfeld der prekären Verhältnisse«, weiß auch Schriftsteller Gerhard Ruiss und Geschäftsführer der IG-Autoren, ein Lied der vergeblichen Kämpfe für Mindesthonorare und soziale Absicherung der schreibenden Zunft zu singen: »Künstlersein bedeutet ein Leben entlang der sozialen Deklassierung.« Und für InteressenvertreterInnen hohe Investitionen in Zeit, Energie und soziale Kompetenzen: »Besonders viel Geschick, Eloquenz, Unbestechlichkeit, Störrischheit und eine Eselsgeduld«, so Ruiss, der für Entwicklung eines eigenen VertreterInnensystems plädiert. »Und es muss klar sein, dass bei Verhandlungen immer nur ein Kompromiss herauskommen kann. Weil wir uns in einer zunehmend verrechtlichten Welt bewegen und zugleich nicht in die Rechtssysteme eingebunden sind, ist es umso wichtiger für KünstlervertreterInnen aller Sparten über eine große Bandbreite an Wissen zu verfügen.«

Am Ende ist man aber auch hier auf den Goodwill der VerhandlungspartnerInnen angewiesen: »Wenn der ORF die Hörspielhonorare halbiert, wie es vor ein paar Jahren beschlossen wurde, können wir leider nichts machen - so wenig wie gegen die allgemeine Verarmung und Verelendung in der Kunst, die mit der Reduktion des Bildungsgeldes eingesetzt haben.« Seine Energie setzt Ruiss seit Jahren für einen Passus im Urheberrechtsgesetz ein, das beruflichen Interessenvertretungen die Gesamtvertragsfähigkeit einräumt: »Damit wären wir gesetzlich legitimiert, Verträge und Honorarregelungen abzuschließen.«

Vor sich selbst schützen
LiteratInnen, KomponistInnen, MalerInnen sind prinzipiell selbstständig und somit vogelfrei. Nur im Lehrbereich und an Museen bzw. im vergleichsweise hoch subventionierten Theater- und Musikbereich existieren Angestelltenverhältnisse. Trotzdem reduziert sich die Arbeitszeit beispielsweise am Theater nicht auf einen fixen Proben- und Abendspielplan. Dazwischen heißt es für die DarstellerInnen abseits vom Rampenlicht sich theoretisch mit dem nächsten Stück auseinandersetzen, Sekundärliteratur lesen, recherchieren, Text lernen, memorieren, Fitness betreiben, damit der Körper funktioniert. »Ich habe nicht nur dafür zu sorgen, dass Probenabkommen eingehalten werden, sondern ich habe auch die KollegInnen vor sich selbst zu schützen. Theater ist Selbstausbeutung, weil Theaterleute für die aktuelle Premiere über ihre Grenzen hinaus arbeiten und nicht an die nächsten Jahre denken«, beschreibt Günther Wiederschwinger, 47, Schauspieler und seit 1995 künstlerischer Betriebsrat am Wiener Volkstheater, den Alltag hinter den Kulissen. Freilich müsse man das eigene »Künstler-sein« in der Betriebsratsarbeit ausschalten und KollegInnen auch wider besseres Wissen vertreten. Auch als legitimierter Betriebsrat sei man Kündigungen gegenüber machtlos: Weil es am Theater keine gibt. »SchauspielerInnen haben Verträge, die verlängert werden oder nicht«, so Wiederschwinger. Und mit dem Faktor Qualität lasse sich schwer argumentieren: »Am Theater ist die Lautstärke der DarstellerInnen auf der Bühne messbar, mehr aber nicht.«

Interessenvertretung fürs Kunst-Gewerbe jeder Art erfordert schließlich ein hohes Ausmaß an Sensibilität und Vorsicht: Zum einem, weil die Klientel aus eigenwilligen EinzelkämpferInnen besteht und jede/r individuelle Aufmerksamkeit fordert. Zum anderen, weil ein/eine KünstlerIn in der Rolle als InteressenvertreterIn außer Konkurrenz handelt und auf persönlichen Erfolg besser verzichten sollte, um nicht BuchhalterIn in eigener Sache zu sein: »Wer KünstlerInnen vertritt und gleichzeitig künstlerisch aktiv ist, kommt schnell in den Geruch der Selbstbedienung und Selbstbegünstigung«, weiß Ruiss, der sich deshalb als Schriftsteller über viele Jahre »zurückgehalten« hatte: »Ich bin für Gewaltentrennung, auch aus Gründen der Psychohygiene, wegen der Burn-out-Gefahr«.

Auch am Theater ist künstlerische Betriebsratsarbeit kein Honiglecken. »Am Abend steht man selbst auf der Bühne, am Tag wird geprobt und profitieren kann man von gewerkschaftlichen Angeboten nicht«, so Wiederschwinger. Zwar hat es die Gewerkschaft geschafft, dass Betriebsräte ab einer gewissen Unternehmensgröße freigestellt sind, aber nicht am Theater: »In unserem Metier kann man sich nicht so einfach dienstfrei stellen, und auch keine Fortbildungslehrgänge belegen«, erklärt Wiederschwinger, »aber man kann sich in Gesprächen mit GewerkschaftskollegInnen Hilfe holen.«

Nicht freigestellt, sondern vogelfrei
Wer nicht angestellt ist und trotzdem für die Rechte von freien und angestellten Künstlerinnen reitet, verdoppelt die Selbstausbeutung. »Freie Kunstschaffende müssen ihr geringes Einkommen, das sie aus der Kunst erwirtschaften, in die Interessenvertretung investieren«, vermerkt Skrepek, der vor zwanzig Jahren mit der »Musikergilde« auch eine private Initiative auf Vereinsbasis gestartet hat, und schließt zynisch: »Wer als Freischaffender Tausende KünstlerInnen vertritt, die freischaffend sind, wird nicht freigestellt - der ist ja schon frei.«


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