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EBR-Revision vor Ziel

Schwerpunkt

Nachbesserungen der Kommissionsvorschläge durch die EU-Sozialpartner bringen mehr Rechte für Europäische Betriebsräte. EGB-Forderungen bleiben offen.

Als die Europäische Kommission Anfang Juli den lange erwarteten Entwurf einer neuen Richtlinie zum EBR vorgelegt hat, war dem ein zähes Ringen zwischen dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) und dem Europäischen Verband der Industrie- und Arbeitgeberverbände (Businesseurope) vorausgegangen. Bei letzteren gab es bis zuletzt ein deutliches Nein zu jeder Initiative für mehr Interessenvertretung in europäischen Konzernen. Um eine weitere Verschleppung der seit 1999 überfälligen EBR-Revision zu verhindern, hat sich der EGB kürzlich auch gegen Verhandlungen im Sozialen Dialog ausgesprochen. Umso überraschender daher die Bereitschaft der europäischen ArbeitgeberInnen, nach Vorlage der Kommissionsvorschläge zur Überarbeitung der Richtlinie, mit dem EGB über weitere Nachbesserungen zu verhandeln, die zum Leitfaden für die neue EBR-Richtlinie werden könnten.

Damit gibt es nun eine echte Chance auf Verbesserungen bei den EBR-Rechten. Doch das Zeitfenster für eine positive Verabschiedung ist schmal. Alle Beteiligten sind sich einig: Bis Ende des Jahres, also noch unter französischer Ratspräsidentschaft, muss die Sache spruchreif sein und die Mitgliedsstaaten müssen im Ministerrat wie auch das Europäische Parlament grünes Licht signalisieren. Anderenfalls ist ein rascher Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens wohl kaum zu bewerkstelligen. In Anbetracht der anstehenden Europawahlen und der Neubestellung der Kommission im nächsten Jahr wäre die Tür wieder für längere Zeit geschlossen.

Vorschlag der Kommission
Auch wenn man nur teilweise mit ihren Vorschlägen zufrieden sein kann, so ist doch zu begrüßen, dass die Kommission endlich initiativ geworden ist. Der EGB unterstützt jedenfalls ausdrücklich die Ziele der EBR-Revision: Verbesserung der Rechtssicherheit für alle Beteiligten und Erhöhung der Effizienz in der EBR-Arbeit, bessere Anwendbarkeit der EBR-Richtlinie und Erhöhung der Anzahl an EBR-Gründungen sowie Harmonisierung des EU-Rechts zur Unterrichtung und Anhörung der ArbeitnehmerInnen. Der vorgelegte Kommissionsvorschlag enthält in diesem Sinn einige Klarstellungen und Verbesserungen zum bestehenden Rechtsbestand:

  • Die Situation bei der EBR-Gründung wird verbessert. Konzernleitungen müssen für alle Parteien die für Verhandlungen erforderlichen Angaben zur Struktur des Unternehmens und zur Belegschaft bereitstellen.
  • Den EU-Sozialpartnern wird größere Bedeutung für die Umsetzung der EBR-Richtlinie einräumt: So wird die Verpflichtung neu eingeführt, sie über Beginn von Verhandlungen und Zusammensetzung des Verhandlungsgremiums zu informieren.
  • Die aus der Praxis bekannte positive Rolle der Gewerkschaften bei Verhandlungen wird ausdrücklich anerkannt und deren Beteiligung im EBR erleichtert.
  • Die EBR-Arbeit dürfte effektiver werden durch die standardmäßige Einrichtung eines engeren Ausschusses, durch Qualifizierungen, die den EBR-Mitgliedern zustehen sollen, sowie durch die Anerkennung des EBR als kollektives Gremium zur Interessenvertretung.
  • Bestehende EBR sollen bessere Möglichkeiten erhalten, Neuverhandlungen von EBR-Vereinbarungen insbesondere bei wesentlichen Strukturänderungen verlangen zu können.

Gewerkschaftliche Forderungen
Bei aller Würdigung dieser Fortschritte bleibt aber anzumerken, dass dies alles deutlich hinter den Forderungen der Gewerkschaften zurückbleibt. Unklarheiten verbleiben und die EBR-Rechte werden nur ungenügend verbessert. Die bleibenden Defizite im Kommissionsvorschlag betreffen v. a. folgende Punkte:

  • Die Bestimmungen zur Anhörung bleiben unpräzise, jene zur Abstimmung der Information zwischen nationaler und europäischer Ebene unklar.
  • Die EBR-Kompetenz könnte durch Neudefinition der transnationalen Zuständigkeit sogar eingeschränkt und nicht wie intendiert präzisiert werden.
  • Bestehende Beschränkungen in der Anwendung der Richtlinie werden beibehalten und neue Schwellenwerte für die Beteiligung im EBR eingeführt.
  • Die Verhandlungsfrist bei EBR-Gründungen bleibt unverändert lange; es wurden keine Sanktionen bei Nichteinhaltung der Rechte und keine Möglichkeit zu mehr Sitzungen des EBR geschaffen.

Weitere Schritte notwendig
Deshalb sollte vor allem bei folgenden Punkten nachgebessert werden:

  • Präzisierungen der Begriffe Unterrichtung und Anhörung: Hier muss klargestellt werden, dass die Meinung des EBR bereits vor der Entscheidung und nicht erst vor der Umsetzung einer Unternehmensentscheidung gefragt ist.
  • Keine Einschränkung bei länderübergreifender Zuständigkeit: Als »grenzüberschreitend« sollen auch Entscheidungen gelten, die nur in einem EU-Mitgliedsstaat wirken, aber nicht in diesem getroffen werden.
  • Gleichzeitigkeit der Information auf europäischer wie nationaler Ebene: Es muss sichergestellt werden, dass der EBR »zur gleichen Zeit« und in gleichem Umfang über geplante Entscheidungen informiert wird wie die Arbeitnehmervertretungen auf nationaler Ebene.
  • Mehr Verbindlichkeit für Unternehmen: Kein Unternehmen soll sich aus der Verantwortung ziehen können, wenn ArbeitnehmerInnen einen EBR gründen wollen und Rechte zur Information und Konsultation nicht eingehalten werden. Hier braucht es effektive Maßnahmen bei Verstößen gegen die Richtlinie.
  • Verkürzung der Verhandlungsdauer bei EBR-Gründungen auf 18 Monate: Die dreijährige Verhandlungsperiode zum Abschluss einer Vereinbarung bleibt unverändert. Die meisten Verhandlungen wurden jedoch in kürzerer Zeit abgeschlossen.
  • Mehr Sitzungen des EBR: Die Dichte möglicher Kommunikation unter den EBR-Mitgliedern entscheidet mit über seine Arbeitsfähigkeit. Es fehlt das Signal, dass der EBR mehr als einmal pro Jahr zusammenkommen kann.
  • Erweiterter Themenkatalog: Die praktische Erfahrung aus der EBR-Arbeit legt nahe, das Themenspektrum seiner Anhörung auszudehnen. Dem EBR sollte auch ein Vorschlagsrecht für Themen über den gesetzlichen Rahmen hinaus eingeräumt werden.
  • Bezahlte Bildungsfreistellung: Das nun direkt aus dem EBR-Mandat erwachsende Recht zur Schulung ohne Gehaltsverlust wird zur Verbesserung beitragen. Konsequenterweise sollte auch fixiert werden, dass die Kosten vom Unternehmen übernommen werden.

Überall hier ist der europäische Gesetzgeber gefordert, die EBR-Rechte weiter zu präzisieren und bestehende Schwächen der Richtlinie im Zuge des weiteren Gesetzgebungsverfahrens zu beseitigen.

Folgen der Einigung
In einigen Kernpunkten einigten sich die EU-Sozialpartner weiter zu gehen, als die Kommission. Insbesondere bei der Definition von Information und Anhörung hat der EGB seine Vorstellung weitgehend durchsetzen können. Die Unterrichtung muss so gestaltet werden, dass der EBR eine gründliche Prüfung der Auswirkungen einer geplanten Maßnahme vornehmen und gegebenenfalls Konsultationen darüber mit dem Management vorbereiten kann. Auch bei der Anerkennung der Rolle der Gewerkschaften, beim Umgang mit bestehenden Vereinbarungen sowie beim Anspruch für Fortbildungsmaßnahmen gab es weiterführende Klarstellungen. Damit sind zwar nicht alle Forderungen aus Gewerkschaftssicht erfüllt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass eine baldige Neufassung der EBR-Richtlinie bis vor kurzem noch als wenig realistisch eingeschätzt werden musste.

Die europäischen ArbeitgeberInnen haben jedenfalls ihre Blockadepolitik aufgegeben und den Gewerkschaften einige Zugeständnisse gemacht. Ein besseres Ergebnis wäre auch im formellen Sozialen Dialog nicht zu erwarten gewesen. Der nun vorliegende Kompromiss würde immerhin einige Fortschritte für Euro-Betriebsräte bringen. Nun liegt es am Europäischen Parlament, diesen Etappensieg im Ringen um mehr Mitwirkungsrechte in multinationalen Konzernen eventuell noch weiter aufzupolieren.

INFO&NEWS
Daten und Fakten zum Europäischen Betriebsrat in Europa und Österreich
  • Nach Schätzungen des Europäischen Gewerkschaftsinstituts fallen ca. 2.300 Unternehmen unter den Geltungsbereich der EBR-Richtlinie.
  • In mehr als 800 und somit knapp 35 Prozent dieser Konzerne wurde bislang ein EBR etabliert. Jedes Jahr kommen ca. 30-40 neue EBR dazu.
  • Zählt man die Anzahl aktiver Mitglieder in diesen EBR zusammen, so kommt man europaweit auf eine Anzahl von knapp 12.000 Personen.
  • In Österreich wurden bis heute in knapp 20 Unternehmen mit Sitz der zentralen Leitung in Österreich ein EBR gegründet.
  • Für Österreich liegt die Bedeutung in einer ungleich höheren Anzahl österreichischer Betriebsräte, die in Tochterunternehmen internationaler Konzerne tätig sind, deren Stammsitz außerhalb Österreichs liegt.
  • Aktuelle Schätzungen gehen von etwa 200 ausländischen Konzernen mit mehr als 350 Tochterunternehmen in Österreich aus, in denen ein EBR errichtet werden kann.
  • In mehr als 150 davon sind österreichische Betriebsräte in einem bestehenden EBR tätig.
  • Insgesamt gibt es in Österreich etwa 230.000 Beschäftigte in multinationalen Konzernen in ausländischem Besitz, mehr als 160.000 davon in solchen mit eingerichtetem EBR.

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