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Das größte private Unternehmen der USA, die Supermarktkette Wal-Mart, hat seinen Beschäftigten verboten, für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama zu stimmen.

Ein bisschen Politik

Schwerpunkt

Gewerkschaften sind bei US-Konzernen wie der Supermarktkette Wal-Mart alles andere als beliebt. Dokumentation und Begleitforschung zum Projekt im Auftrag der AK Wien, im Februar 2008

Sie möchte über das Unternehmen, über Gewerkschaften und ein kleines bisschen auch über Politik sprechen. So begann die Ansprache einer Wal-Mart-Managerin bei einer Mitarbeiterversammlung im Süden der USA. In ihrem eineinhalbstündigen Vortrag warnte sie vor einer neuen Gesetzesvorlage, dem Employee Free Choice Act, der die gewerkschaftliche Organisierung erleichtern soll und der vom demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama unterstützt wird. In leuchtenden Farben malte sie die herannahenden Gefahren an die Wand: Das neue Gesetz bedrohe die Privatsphäre der ArbeitnehmerInnen. Außerdem wäre es in Zukunft möglich, dass sechs Gewerkschaftsmitglieder über die Zukunft von 350 Beschäftigten eines Betriebes entscheiden. Bedrohlich seien für sie daher das neue Gesetz und Barack Obama.
Dass Konzerne in den USA ganz selbstverständlich über ihre Wahlspenden Politik gestalten, ist längst nichts Neues. Nun hat das größte private Unternehmen der USA, die Supermarktkette Wal-Mart, seinen Beschäftigten unter Androhung von Sanktionen verboten, für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten zu stimmen. Das ist selbst für Union-Busting-geprüfte amerikanische GewerkschafterInnen eine ungeheuerliche Provokation. Mary Beth Maxwell von American Rights at Work bringt es auf den Punkt. Sie sagt, Wal-Mart habe einfach seine Union-Busting-Methoden adaptiert, um statt den Gewerkschaftswahlen nun die Präsidentschaftswahlen zu beeinflussen.
Mit Methoden, die alles andere als neu sind und die nicht nur Wal-Mart für seine Zwecke einsetzt. Im Gegenteil: Mehr als 90 Prozent der US-amerikanischen Unternehmen berufen ihre Beschäftigten regelmäßig während der Arbeitszeit zu Versammlungen ein, bei denen vor allem gegen gewerkschaftliche Interessenvertretung Stimmung gemacht wird. Als sogenannte Captive Audience (= gefangenes Publikum) ist es den Beschäftigten während dieser Versammlungen oft nicht erlaubt, sich zu Wort zu melden oder auch nur Fragen zu stellen. Wer sich nicht daran hält, riskiert diszipliniert oder gar entlassen zu werden.

Union Busting ist Norm

80 Prozent der Unternehmen in den USA engagieren BeraterInnen, deren einzige Aufgabe es ist zu verhindern, dass sich die Beschäftigten gewerkschaftlich engagieren. Von ihren Führungskräften verlangen diese Unternehmen, regelmäßig mit den Beschäftigten Gespräche zu führen, in denen sie auf die Nachteile einer Gewerkschaftsmitgliedschaft hinweisen. In beinahe allen Unternehmen der USA werden gewerkschaftskritische Informationsblätter verteilt. Ein Drittel der Unternehmen entlassen MitarbeiterInnen, die Gewerkschaften unterstützen. Immerhin die Hälfte der Unternehmen drohen den Betrieb zu schließen, sollten sich die MitarbeiterInnen gewerkschaftlich engagieren. Gesetzlich verboten sind nach derzeitiger Gesetzeslage nur die letzten beiden Vorgehensweisen. Strafen, die dafür manchmal verhängt werden, nehmen die Unternehmen bewusst in Kauf.

Arbeitsrecht mit Lücken

Die gewerkschaftliche Organisierung eines Unternehmens beginnt in den USA in der Regel mit einer Unterschriftensammlung. Wenn mehr als 30 Prozent der ArbeitnehmerInnen eines Betriebs diese Petition unterzeichnet haben, kann eine geheime Wahl durchgeführt werden, in der über die Gewerkschaft abgestimmt wird. Unterzeichnen mehr als die Hälfte der Beschäftigten die Petition, kann diese Wahl auch entfallen. Nach derzeitigem Recht kann die Unternehmensführung jedoch auf der Abstimmung bestehen. Erst wenn mehr als 50 Prozent der Beschäftigten in der geheimen Wahl für die Gewerkschaft gestimmt haben, ist der/die ArbeitgeberIn gezwungen mit der Gewerkschaft zu verhandeln. Da die Gewerkschaft davor keinen Zugang zum Betrieb hat, verfügen die Unternehmen über ein Informationsmonopol gegenüber den MitarbeiterInnen, das sie in der Regel auch skrupellos nutzen, um die Beschäftigten einzuschüchtern. Und die Einschüchterung zeigt Wirkung: Der Organisationsgrad in der Privatwirtschaft liegt bei etwa acht Prozent und die einst mächtigen US-Gewerkschaften stehen Konzernen wie Wal-Mart beinahe ohnmächtig gegenüber.
Das neue von Wal-Mart so bekämpfte Gesetz soll nun keinesfalls alles verändern oder gar eine verpflichtende betriebliche Mitbestimmung wie in Österreich einführen. Dennoch könnte das neue Gesetz die gewerkschaftliche Arbeit wesentlich erleichtern. Wenn eine Gewerkschaft nachweisen kann, dass sie mehr als 50 Prozent der ArbeitnehmerInnen eines Betriebes organisiert hat, müsste der/die ArbeitgeberIn in Zukunft die Gewerkschaft auch ohne Wahl als Verhandlungspartner akzeptieren. Für den Fall, dass sich in Gehaltsverhandlungen Unternehmen und Gewerkschaft nicht einigen können, sieht der Gesetzesentwurf ein Mediationsverfahren vor. Außerdem sollen die Strafen verschärft werden, wenn ArbeitgeberInnen Beschäftigte diskriminieren, die bei einer gewerkschaftlichen Kampagne mitarbeiten.

Gewerkschaftsarbeit in den USA

Aggressive Methoden der Unternehmen verlangen energisches Handeln der Gewerkschaften. Der amerikanische Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO betreibt daher seit Mitte der 80er-Jahre ein Organizing-Institut. Unter dem Eindruck der sinkenden Mitgliederzahlen beschäftigten mittlerweile die meisten amerikanischen Gewerkschaften hauptamtliche OrganizerInnen, die in die Unternehmen geschickt werden, um dort Mitglieder zu werben: Profi-Lobbyisten gegen die Union-Buster, die professionelle GewerkschaftsbekämpferInnen sind. Keine leichte Aufgabe auch für Profis, denn die ständigen Negativ-Kampagnen der Unternehmen bleiben nicht ohne Wirkung. Die amerikanischen Gewerkschaften leiden unter schlechtem Image, und viele Beschäftigte sind durch die permanenten Drohungen ihrer ArbeitgeberInnen entmutigt. Obwohl gerade der Riese Wal-Mart immer wieder Ziel gewerkschaftlicher Kampagnen ist, gelingt es den Gewerkschaften nicht, im Unternehmen nachhaltig Fuß zu fassen.

Es gibt auch Erfolge

Dennoch gibt es auch Erfolge zu verzeichnen. Der amerikanischen Dienstleistungsgewerkschaft SEIU gelang es in den vergangenen Jahren ihre Mitgliederzahlen jährlich um fast 50.000 Mitglieder zu erhöhen. Ein Teil des Mitgliederzuwachses kam durch Fusionen mit anderen Gewerkschaften zustande. Die meisten Mitglieder konnten jedoch durch gezieltes Organizing im Gesundheitsbereich, bei Reinigungsunternehmen und im Sicherheitsbereich gewonnen werden. Erfolgreich im Organizing waren in den vergangenen Jahren auch die Lehrergewerkschaft, die Kommunikationsgewerkschaft, die Elektrogewerkschaft, die Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst und die Textilgewerkschaft.
Tom Woodruff von der Gewerkschaft SEIU schreibt über seine Erfahrungen mit Organizing, eine der zentralen Herausforderungen sei es, die eigene Organisation von der Wichtigkeit zu überzeugen. 50 Prozent aller Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen investiere die SEIU in ihre Organizing-Kampagne. Um diesen enormen Ressourcenaufwand zu ermöglichen, wurde die SEIU komplett reformiert - ein durchaus auch schmerzhafter Prozess. »Man kann nicht Teilzeit oder ohne Geld organisieren«, sagt Woodruff dazu. Die SEIU habe daher neues Personal eingestellt und ausgebildet. Hohe Anforderungen stelle die Ausbildung zu OrganizerInnen, viele schließen sie daher gar nicht erst ab. Wer die Ausbildung jedoch erfolgreich abschließt, könne mit einer fixen Anstellung bei der Gewerkschaft rechnen. Die Mitgliederwerbekampagnen der amerikanischen Gewerkschaften kommen trotz der professionellen OrganizerInnen ohne die Unterstützung von Gewerkschaftsmitgliedern nicht aus. Eine zentrale Aufgabe der OrganizerInnen, so Woodruff, sei es daher, Mitglieder einzubinden und zum Mitmachen zu motivieren. Auch wissenschaftliche Begleitung ist für die meisten Organizing-Kampagnen unverzichtbar. Untersucht wird die gewerkschaftliche Organisation einzelner Branchen genauso wie die Strategien der ArbeitgeberInnen.
Und der Erfolg gibt ihnen Recht. Auch wenn die alte Stärke aus der Zeit vor der Reagan-Ära wohl nicht zurückkommen wird. Die amerikanischen Gewerkschaften geben deutliche Lebenszeichen von sich und lassen sich nicht unterkriegen. Sollte der Employee Free Choice Act nun tatsächlich umgesetzt werden, würde das nicht nur Unternehmen wie Wal-Mart ärgern, sondern könnte auch den amerikanischen ArbeitnehmerInnen weiteren Aufwind geben.

WEBLINKS
Service Employees International Union
www.seiu.us
LabourNet Germany
www.labournet.de/diskussion/gewerkschaft/walmart-gew.html
Artikel über SEIU in »Die Welt«
www.welt.de/wirtschaft/article1229251/Wie_eine_Gewerkschaft_eine_Million_neue_Mitglieder_gewinnen_kann.html

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