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Foto | Paul Sturm Knapp zwei Drittel der Unternehmen jubelten in den vergangenen fünf Jahren über höhere Gewinne, über ein Drittel erzielte zuletzt sogar Rekordumsatzrenditen von über zehn Prozent. Die Beschäftigten können von Einkommenssteigerungen in diesem Ausmaß...

Ohne Grenzen

Schwerpunkt

BetriebsrätInnen der 300 größten österreichischen Unternehmen beurteilen die Auswirkungen der Internationalisierung der heimischen Wirtschaft.

Die Lobeshymnen über das Fortschreiten der Internationalisierung der heimischen Wirtschaft klingen nur zu gut im Ohr: »Unaufhaltsamer Siegeszug österreichischer Banken in Zentral- und Osteuropa« tönt es, oder »Die Exportschallmauer von 100 Milliarden Euro ist durchbrochen«, und »Wo sollen multinationale Unternehmen ihre Headquarters für Zentral- und Osteuropa installieren, wenn nicht am idealen Standort Wien«.

Blick hinter die Kulissen

Dem gewaltigen Medienecho zufolge zählt Österreich unbestritten zu den Internationalisierungsgewinnern, doch wie sieht es in unseren Betrieben tatsächlich aus: Ob und wie profitieren die Beschäftigten von den hohen Unternehmensgewinnen? Wie schwierig ist es für einen Betriebsrat, in einem global vernetzten Großkonzern die Interessen seiner KollegInnen durchzusetzen?
Eine Studie der Arbeiterkammer blickt hinter die Kulissen der viel umjubelten Erfolgsgeschichte »Internationalisierung«: In einer Befragung berichten die BetriebsrätInnen der größten 300 Unternehmen im Land von den Auswirkungen der Internationalisierung auf die Beschäftigungsbedingungen und erzählen von ihren Erfahrungen mit Interessenpolitik in internationalisierten Unternehmen. Die Erhebung wurde von der FORBA durchgeführt und bezieht sich auf den Zeitraum von 2000 bis 2007).

Mehr Arbeitsdruck

Die befragten BetriebsrätInnen beurteilen die Beschäftigungsentwicklung in Österreich zwar bei einem Großteil der Unternehmen als stabil oder positiv, skeptisch stehen sie hingegen den spürbar veränderten Beschäftigungsbedingungen gegenüber. Die ArbeitnehmerInnenvertreter geben zu bedenken, dass ihre KollegInnen bei den Top-300-Unternehmen verstärkt unter zunehmendem Arbeitsdruck leiden, tendenziell mehr Überstunden leisten und mit erweiterten Mobilitätsanforderungen konfrontiert sind.
Die BetriebsrätInnen in internationalisierungsaktiven Unternehmen müssen darüber hinaus signifikant mehr Zugeständnisse bei Arbeitszeitregelungen und Löhnen/Gehältern machen, haben mit Personalabbau zu kämpfen und sorgen sich nicht zuletzt über den steigenden Konkurrenz- und Arbeitsdruck, dem die Belegschaft ausgesetzt ist.
Im Zusammenhang mit Internationalisierungsauswirkungen berichtet außerdem jeder fünfte befragte Betriebsrat von sogenannten »Rückverlagerungen«, d. h. eine Verlagerung ins Ausland ist derart missglückt, dass eine Wiedereingliederung der Betriebseinheit am Standort Österreich erfolgen musste. Bei unverdauten Internationalisierungsprozessen und damit einhergehenden Restrukturierungen beobachten BetriebsrätInnen zudem häufig, dass die Belegschaft mit der Einführung von neuen Techniken genauso zu kämpfen hat wie mit Änderungen bei der Organisationsstruktur, der Einführung neuer Arbeitszeitformen, mehr Wochenend- oder Feiertagsarbeit und der oftmals harten Konkurrenz zwischen konzerninternen Standorten.

Beschäftigte profitieren

Fest steht, dass sich die Internationalisierungsoffensive jedenfalls für die wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen gelohnt hat: Knapp zwei Drittel der Unternehmen jubelten in den vergangenen fünf Jahren über höhere Gewinne, über ein Drittel erzielte zuletzt sogar Rekordumsatzrenditen von über zehn Prozent. Die Beschäftigten können von Einkommenssteigerungen in diesem Ausmaß nur träumen. Der BetriebsrätInnen-Befragung zufolge profitiert nur jeder/jede achte MitarbeiterIn von den Internationalisierungsgewinnen in Form von überproportional mehr Lohn oder Gehalt. Der Löwenanteil der Gewinne dürfte in Form von Dividenden an die Eigentümer fließen.

Betriebsrat unter Druck

Die große Mehrheit der BetriebsrätInnen stellt fest, dass sich die Internationalisierungstendenzen gravierend auf die Durchsetzbarkeit von Interessen der Beschäftigten auswirken. Für zwei Drittel der Befragten ist das derzeitige Instrumentarium des Betriebsrats nicht ausreichend, um auf die veränderten Prozesse, besonders im Hinblick auf die Vernetzung zwischen den internationalen Standorten, zu reagieren.
Ebenso kritisiert wird die hohe Geschwindigkeit, mit der Unternehmen weit reichende Entscheidungen wie z.B. Umstrukturierungen fällen, ohne dem Betriebsrat Raum und Zeit zur Mit-arbeit an Lösungen zu geben. Häufig ist es auch so, dass wesentliche Beschlüsse ohnehin außerhalb des Betriebs (in einer Konzernzentrale im Ausland) gefasst werden. Bereits jeder zweite befragte Betriebsrat fühlt sich durch die Androhung von Verlagerungen unter Druck gesetzt.
Erfahrungen mit oftmals subtilen und schwer nachzuweisenden Drohungen vonseiten der UnternehmerInnen haben vor allem jene BetriebsrätInnen, die bereits mit Verlagerungen an ausländische Standorte konfrontiert waren oder knapp davor gestanden sind.
Mehr als ein Drittel der Befragten gesteht ein, angesichts der Reichweite von Internationalisierungsprozessen und der ihrer Meinung nach begrenzten Mitbestimmungsrechte überfordert zu sein.
Resignation und das Gefühl »wir sitzen sowieso am kürzeren Ast« trägt zur Überforderung bei. Abhängig dürfte eine erfolgreiche Mitbestimmung von den Unternehmensmerkmalen sein: In börsennotierten Unternehmen (trotz Aufsichtsrat) und bei Tochtergesellschaften internationaler Konzerne gestaltet sich Interessenvertretung schwieriger, wo hingegen Betriebsratsarbeit in Unternehmen mit Konzernzentralen in Österreich als wirkungsvoller eingeschätzt wird.

Internationale Kooperation

Bei vielen aktuellen Fragen der Interessenvertretung würde eine verstärkte internationale Kooperation Abhilfe schaffen, meinen die befragten BetriebsrätInnen. Deshalb fordern sie eine Verbesserung der Zusammenarbeit der ArbeitnehmerInnenvertretungen auf internationaler Ebene sowie Neuerungen bei der Gesetzeslage vor allem auf europäischer Ebene.
Derzeit haben nur 38 der befragten Unternehmen mit Betriebsstandorten im Ausland eine gemeinsame, internationale Konzernbelegschaftsvertretung (in der Regel einen Eurobetriebsrat). Diese finden sich wiederum großteils in börsennotierten Unternehmen, während Unternehmen ohne Börsennotierung und österreichische Konzerne durchwegs Aufholbedarf haben, wenn es um die Installierung internationaler Vertretungsorgane geht.

Gut vernetzt

Ist allerdings eine Eurobetriebsrätin oder ein Eurobetriebsrat im Amt, wird die reibungslose, länderübergreifende Zusammenarbeit gelobt. In Zukunft erwarten BetriebsrätInnen einen weiteren Ausbau sowie eine Intensivierung der internationalen Kooperation, denn nur eine möglichst gut vernetzte, grenzüberschreitende ArbeitnehmerInnenvertretung kann auf längere Frist global agierende Großkonzerne in die Schranken weisen.

INFO&NEWS
Die Studie der Arbeiterkammer Wien »Was haben die ArbeitnehmerInnen davon? Auswirkungen der Internationalisierung auf Beschäftigungsbedingungen bei Top-300-Unternehmen in Österreich« wurde von der FORBA (Hubert Eichmann, Jörg Flecker, unter Mitarbeit von Alfons Bauernfeind) durchgeführt.

WEBLINKS
Eine Kurzfassung finden Sie auf:
ifam.wien.arbeiterkammer.at
Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt FORBA:
www.forba.at


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