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Foto | Paul Sturm In Österreich liegt der Preisanstieg bei Nahrungsmitteln um drei, bei Milch, Käse und Eiern sogar um vier Prozentpunkte über dem Durchschnitt des Euroraums.

Beschleunigte Teuerung

Wirtschaft&Arbeitsmarkt

Warum in Bereichen, in denen die Inflation europaweit zugenommen hat, die heimischen Preise deutlicher gestiegen sind.

Mehr als ein Jahrzehnt lang schien Preisstabilität das Markenzeichen europäischer Wirtschaftspolitik zu sein. Zwischen 1997 und 2007 betrug die durchschnittliche jährliche Inflationsrate im Euroraum fast genau zwei Prozent. Selbst die Währungsumstellung auf den Euro, die in einzelnen Wirtschaftsbereichen zu Beschleunigungen im Preisanstieg führte, änderte nichts daran, dass insgesamt die Verbraucherpreise nur mäßig stiegen. Seit dem Vorjahr ist dieses Bild jedoch getrübt, und die Inflation wieder im Steigen begriffen. Nach den jüngsten Prognosen der Europäischen Zentralbank werden die Verbraucherpreise im Euroraum heuer um 3,5 Prozent steigen, und auch im kommenden Jahr wird die Inflationsrate mit rund 2,6 Prozent deutlich über den aus der jüngeren Vergangenheit gewohnten Werten liegen.

30 Prozent teurer

Die Ursachen dafür liegen auf der Hand bzw. im Wesentlichen in zwei Bereichen: Im europäischen Durchschnitt stiegen in den vergangenen zwölf Monaten die Preise für Nahrungsmittel doppelt, jene für Energie und Treibstoffe viermal so stark wie die Verbraucherpreise insgesamt. Aber auch innerhalb dieser Sektoren gibt es beträchtliche Unterschiede. Bei den Lebensmitteln sind die kräftigsten Preistreiber Brot und Getreideerzeugnisse bzw. Milch, Käse und Eier, bei denen die Teuerung noch weit über der des gesamten Sektors liegt. Im Bereich Energie stechen die flüssigen Brennstoffe hervor, die in den vergangenen 24 Monaten um satte 30 Prozent teurer geworden sind.

Weltweites Wachstum

Nicht alle Erklärungen dafür sind allgemein akzeptiert. Die wohl gängigste beruht auf einer an sich erfreulichen Tatsache: Die Weltwirtschaft hat in jüngster Vergangenheit geboomt. Allein in China und Indien, die zusammen mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung stellen, ist die Wirtschaft in den vergangenen fünf Jahren um fast zehn Prozent jährlich gewachsen. Diese Länder haben aber, da ihre Landwirtschaft nicht sehr produktiv und ihre Wirtschaft noch sehr energieintensiv ist, einen besonders stark zunehmenden Bedarf an Nahrungsmitteln und Primärenergieträgern. Da das Angebot nicht mit der vermehrten Nachfrage mithalten konnte, sind nach den Gesetzen der Marktwirtschaft auch die Preise gestiegen. Da sich daran längerfristig nichts ändern wird, werden wir uns für einen längeren Zeitraum an ein höheres Preisniveau in diesen Bereichen einstellen müssen. Diese Theorie ist schlüssig, wenn man einmal davon absieht, dass sich angesichts der aktuellen Finanzkrise die Annahme einer weiter kräftig wachsenden Weltwirtschaft als zu optimistisch erweisen könnte, und sie wird auch allgemein anerkannt. Sie stellt jedoch nicht die ganze Wahrheit dar. Auch wenn namhafte Ökonomen sich geradezu mit Zähnen und Klauen dagegen wehren, wird man wohl auch nicht darum herumkommen, Spekulation als eine Ursache der Preissteigerungen auf den Weltmärkten zu nennen. Tatsächlich wurde der Handel mit Rohstoff-Futures und anderen modernen Finanzderivaten in den letzten Jahren gewaltig ausgedehnt.
Der Verfall des Dollar-Kurses und vor allem der Ausbruch der Subprime-Krise haben zudem große institutionelle Investoren, allen voran die Pensionsfonds, dazu getrieben, nach anderen lukrativen Anlageformen - im aktuellen Fall die Rohstoffmärkte - zu suchen. Auch wenn auf den Derivatmärkten hauptsächlich »Luftgeschäfte« abgeschlossen werden, also keine realen Werte den Besitzer wechseln, sondern lediglich Erwartungen über zukünftige Kursentwicklungen gehandelt werden, führt auch in diesem Fall gesteigerte Nachfrage zu höheren Preisen. Und es wäre gegen alle bisherigen Erfahrungen mit Finanzmärkten und ihrer Zyklen, würden diese Preisanstiege nicht deutlich über dem liegen, was durch realwirtschaftliche Entwicklungen zu rechtfertigen ist. So ist etwa der weltweite Rohölverbrauch zwischen 2004 und 2007 um weniger als zehn Prozent, der Preis dagegen um fast das Doppelte gestiegen. Schließlich ist auf dem Nahrungsmittelsektor auch noch die Tatsache zu nennen, dass immer mehr landwirtschaftliche Flächen für die Produktion von Agro-Treibstoffen genutzt werden. Die Weltbank bezeichnet diese Tatsache als »einen der Hauptpreistreiber bei Lebensmittel.«1

Made in Austria

Damit sind wir auch bei jenem Bereich, der den hausgemachten Anteil am Preisanstieg betrifft. Auffallend an der Entwicklung in Österreich ist nämlich, dass der Anstieg der Verbraucherpreise insgesamt in den vergangenen 24 Monaten nicht über jener im Euroraum liegt.
Gleichzeitig sind gerade in jenen Bereichen, in denen die Inflation europaweit zugenommen hat, die heimischen Preise noch deutlicher gestiegen. So liegt etwa der Anstieg bei Nahrungsmittel um drei, bei Milch, Käse und Eiern sogar um vier Prozentpunkte über dem Durchschnitt des Euroraums. Dies zusätzlich zu der Tatsache, dass Lebensmittel generell in Österreich um mehr als 20 Prozent teurer sind als in Deutschland, wie jüngst die AK in einer Erhebung nachgewiesen hat.
Besonders interessant ist die Entwicklung auf dem Energiesektor. Hier ist Heizenergie insgesamt (also Strom, Gas, feste und flüssige Brennstoffe sowie Fernwärme) in Österreich sogar im europäischen Vergleich unterdurchschnittlich teurer geworden. Die flüssigen Brennstoffe zählen zwar zu den größten Preistreibern überhaupt, ihre Preise sind aber in Österreich kaum stärker als im Rest der Währungsunion gestiegen. Dagegen ist der Anstieg bei Kfz-Treibstoffen - ebenfalls Mineralölprodukte - zwar moderater gewesen, aber dafür in Österreich gleich um zehn Prozentpunkte oder um das Doppelte kräftiger als im europäischen Durchschnitt ausgefallen. Davon können die Erhöhung der Mineralölsteuer und die Beimengungspflicht für biogene Treibstoffe im letzten Jahr nur einen Teil erklären.2
Diese Tatsachen waren Gegenstand einer Reihe von Studien, die die Wettbewerbskommission (WBK) zu Beginn des Jahres in Auftrag gegeben hat, und sie hat auf deren Basis ein Gutachten erstellt. Neben den bereits genannten Produktgruppen werden darin Mineralwasser, Limonade und Saft, Wohnungsinstandhaltung3, Wasser, Gas und Elektrizität sowie Medikamente als solche mit einem »besonders hohen Österreich-spezifischem Inflationsbeitrag« identifiziert.
Wenig Wettbewerb
Die Methoden, überdurchschnittliche Preiserhöhungen durchzusetzen, sind von Branche zu Branche unterschiedlich. Schon länger in Diskussion und nun durch eine Analyse der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) erhärtet ist die Vermutung, dass die Mineralölfirmen Preiserhöhungen bei Rohöl deutlich schneller als Senkungen an die KonsumentInnen weitergeben. Im Lebensmittelhandel kalkuliert man bei kleineren Preiserhöhungen stillschweigend damit, dass die KonsumentInnen nicht sofort auf ihr Schnitzel verzichten, wenn Fleisch teurer geworden ist.

Das wirksamste Mittel

Theoretisch sollte eigentlich der Markt solches Verhalten bestrafen. Da aber in den betroffenen Branchen in Österreich mangelnder Wettbewerb herrscht, können solche Praktiken erfolgreich sein. Unter solchen Umständen können auch leicht im Windschatten eines allgemeinen Preisauftriebs noch zusätzliche Aufschläge untergebracht werden.
Ein Gegengewicht zu solchen Strukturen wäre eine wirksame Wettbewerbskontrolle. Die bestehenden Institutionen, allen voran die Bundeswettbewerbsbehörde, haben aber weder ausreichend Ressourcen noch Kompetenzen. Die WBK weist darauf in ihrem Gutachten hin macht auch Verbesserungsvorschläge. Dazu gehören die Stärkung der Ermittlungsbefugnisse der BWB, Erleichterungen bei der Beweisführung betreffend den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung oder der Aufbau eines »systematischen, transparenten und ökonomisch fundierten Wettbewerbsmonitorings«. Im Unterschied zur geplanten und letztlich nicht realisierten Senkung der Mehrwertsteuer wurden diese Maßnahmen im Wahlkampf nicht diskutiert. Ihre Realisierung sollte dennoch ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Denn: In einer Marktwirtschaft ist funktionierender Wettbewerb nach wie vor das wirksamste Mittel gegen außergewöhnlichen Preisauftrieb.

1 Auf die Konsequenzen für die ärmeren Länder und auf die zweifelhafte ökologische Bilanz der (ersten Generation der) Agro-Treibstoffe sei hier nur am Rande hingewiesen.
2 Keinen preistreibenden Effekt hatten auch Löhne und Gehälter in Österreich, die selbst in den vergangenen Jahren der Hochkonjunktur real nicht stärker als die Produktivität wuchsen.
3 Nebenbei sei erwähnt, dass die Wohnungsmieten in Österreich zwar in den vorigen Monaten keine auffallenden Sprünge nach oben gemacht haben, dafür aber schon seit Jahren deutlich über dem europäischen Durchschnitt steigen.


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