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Katharina Klee Katharina Klee, Chefredakteurin

Standpunkt | Maß für Maß

Meinung

Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? Was ist die Ermordung eines Mannes gegen die Anstellung eines Mannes?

Diese Fragen stellt Brecht 1931 in der Dreigroschenoper. Er hat sie von seiner Elisabeth Hauptmann übernommen. Die formulierte sie - unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise 1929 - im Stück »Happy Times«. Da kann man nur zustimmen. Las man doch, dass Richard Fuld, Chef von Lehman Brothers ein Jahresgehalt von 41 Mio. Dollar kassiert. Josef Ackermann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bank AG, brachte es 2007 immerhin auf knapp 14 Mio. Euro, Erste-Bank-Boss Andreas Treichl als heimischer Spitzenverdiener auf etwa drei Mio. Euro. Jahreseinkommen mit denen die meisten von uns ein paar Jährchen auskommen würden. Immerhin lag das Durchschnittsjahreseinkommen der Österreicher 2007 bei 29.680 Euro, das der Österreicherinnen gar bei 19.880 Euro.

Handel mit Träumen

Da könnte einen glatt der Neid fressen. Denn es ist unser Geld. Nicht viele von uns konnten in den vergangenen Jahren der Versuchung widerstehen, beim großen Börsenspiel mitzumischen. Warum sollten denn auch immer nur die anderen groß abkassieren, während wir uns ebenso redlich wie mühsam nähren, als eiserne Reserve ein Sparbuch, einen Bausparvertrag, das Sozialsystem? Dabei liegt das Geld auf der Straße, lesen und hören wir seit Jahren: kleine blaue Pillen stärken auch die finanzielle Potenz, so man Aktien vom entsprechenden Pharmakonzern zeichnet; das Eigenheim lässt sich mit Fremdwährungskrediten einfacher finanzieren; Versicherungen geben Sicherheit. Gesehen haben wir es aber nie das Geld auf der Straße, aufgehoben haben es die anderen, und nicht wenigen von uns ist noch ein hübsches Sümmchen in den Gully der Krise gerutscht.
Unsere Träume sind zerplatzt und wir sind jenen böse, die sie uns verkauft haben. Denn nur beim Handel mit Träumen lässt sich so viel Geld verdienen, wie die Herren Fuld, Ackermann und Treichl kassiert haben. Sie haben unser Geld nicht mit vorgehaltener Waffe verlangt, wir haben es ihnen freiwillig gegeben. »Freiheit« ist ein schönes Wort, da kann die »Freiheit des Marktes« nicht so schlecht sein. Und steht es nicht uns allen frei, so viel zu verdienen, wie man bereit ist, uns zu bezahlen? Steht es nicht uns allen frei, unser Glück an der Börse zu versuchen?
»Der Freiheit anderer Name heißt Verantwortung«, dieses Zitat von Thomas Mann liest man derzeit auf Wiener Plakatwänden. Und mit letzterer nimmt es der Neoliberalismus nicht so genau. Sicher, auf die Eigenverantwortung in Gesundheits- wie in Finanzfragen wird gerne verwiesen, die soziale Verantwortung bleibt aber auf der Strecke. Wenn etwas schief geht, verzichtet man halt auf die Bonuszahlungen oder ruft letztendlich doch den verteufelten Staat zu Hilfe.
Und der Staat hilft: So bieten die USA ein Rettungspaket von 700 Milliarden. Eine Summe, die reichen würde, um die UNO-Anforderungen im Kampf gegen Hunger und Armut in Afrika zehn Jahre lang zu bezahlen. Statt Saatgut für Afrika also Saatgut für den Markt der Träume.

Ein »angemessenes Maß«

Ob der Staat, die Staaten als Gegenleistung nun aber die »Freiheitskämpfer des Marktes« wirklich in die Verantwortung nehmen werden, ist noch offen. Denn auf die Maßlosigkeit des Finanzmarktes reagieren sie bei den Bedingungen für ihre Hilfsmaßnahmen maßvoll. Gewinnausschüttungen und Vorstandsgehälter sollen »auf ein angemessenes Maß beschränkt« werden, steht im Pflichtenheft der österreichischen Hilfsempfänger. »Angemessene finanzpolitische Schritte zur Stimulierung der Binnennachfrage« empfiehlt der Weltfinanzgipfel Mitte November und verspricht eine Finanzmarktreform. »Woran gemessen?« ist die Frage. Um mit Brecht zu schließen: »Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen/Den Vorhang zu und alle Fragen offen.«

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