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Foto | Paul Sturm

Weltwirtschaftskrise?

Schwerpunkt

Die Wirtschaftskrise Anfang der 30er-Jahre des vorigen Jahrhunderts hat letztendlich zum 2. Weltkrieg geführt. So dramatisch wird es diesmal nicht.

Die »Roaring Twenties«, der Wirtschaftsaufschwung der späteren Zwanzigerjahre, fand sein Ende in der Weltwirtschaftskrise, welche die ökonomische Entwicklung der Industriestaaten in einmaliger Weise prägte. Zwar hatten auch frühere Jahrzehnte stets ein zyklisches Schwanken der wirtschaftlichen Aktivität gekannt, aber niemals war es zu einem Rückschlag dieser Intensität gekommen. Es kann daher nicht Wunder nehmen, dass die Krise das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des kapitalistischen Wirtschaftssystems schwer erschütterte, der Diskussion alternativer Wirtschaftsordnungen Auftrieb gab und die sozialen Folgen der Krise politische Umbrüche zumindest begünstigten.

»Schwarzer Freitag« am Donnerstag

Ihr Beginn wird üblicherweise mit dem »Schwarzen Freitag« -in Wirklichkeit ein Donnerstag - am 24. Oktober 1929 an der New Yorker Börse datiert. Dem waren jedoch bereits Entwicklungen vorangegangen, welche die konjunkturelle Aufwärtsentwicklung gefährdeten. So war seit 1925 die Nahrungsmittelknappheit der Nachkriegszeit durch eine weltweite Überproduktion abgelöst worden. Die »Agrarkrise« brachte nicht nur die Agrarstaaten in Zahlungsbilanzschwierigkeiten, sondern schuf durch den Preisverfall landwirtschaftlicher Produkte ein latent deflationäres Klima.
Der kaum unterbrochene Aufschwung der Zwanzigerjahre, mit entsprechenden Auswirkungen auf die Aktienkurse, setzte eine Spekulationswelle in Gang, die immer breitere Kreise erfasste und dazu führte, dass vor allem auf Kreditbasis agiert wurde. Als sich daher auf der Börse erste Einbrüche zeigten, kam es zu einem lawinenartigen Abstoßen der Wertpapiere, was einen Kurssturz herbeiführte.

Am Anfang standen »Faule Kredite«

Dieser sowie die faul gewordenen Kredite führten zu Bankenzusammenbrüchen und Liquiditätsschwierigkeiten für die amerikanischen Unternehmer, umso mehr, als die Federal Reserve Bank die Leitzinsen auf sechs Prozent hinaufgesetzt hatte, um die Spekulanten unter Druck zu setzen. Damit wurde der Lagerzyklus losgetreten, der rasch auf die Produktion durchschlug und auch US-Importe in kurzer Zeit namhaft reduzierte. Aber nicht genug damit erhöhten die USA die Zölle massiv.
In Europa wurden zeitgleich amerikanische Kredite in großem Umfang abgezogen. Die Notenbanken waren gezwungen, die Leitzinsen hinaufzusetzen, um weitere Devisenabflüsse zu verhindern. Auch reagierten die Länder 1930 ihrerseits mit Zollerhöhungen auf die amerikanische Zollpolitik.
Doch zeichnete sich 1929 und 1930 noch nicht der volle Umfang der Weltwirtschaftskrise ab. Vorerst schien es sich um einen der üblichen zyklischen Rückschläge zu handeln. Erst durch die Kumulation vor allem auch politischer Einflüsse wurde er zum schweren Einbruch.

Österreich: Die CA-Krise

In Österreich hielten sich die Auswirkungen vorerst in Grenzen. 1929 gab es noch ein schwaches Wachstum des BIP von 1,5 Prozent real. Die Arbeitslosigkeit hatte schon 1929 geringfügig zu steigen begonnen, 1930 erreichte die Arbeitslosenrate jedoch bereits 15,4 Prozent.
Die Katastrophe trat erst 1931 mit dem Zusammenbruch der Credit-Anstalt ein. Völlig überraschend eröffnete im Mai 1931 der CA-Vorstand der Bundesregierung, dass 1930 ein Verlust von 130 Millionen Schilling entstanden und die Bank praktisch insolvent sei. Da die Regierung die Auffassung vertrat, dass ein Zusammenbruch des Instituts die heimische Wirtschaft ebenso wie die internationale Position Österreichs allgemein massiv gefährden würde, erstellte sie innerhalb weniger Tage einen Rekonstruktionsplan. Danach übertrug die Bundesregierung der CA 100 Millionen Schilling als Eigenkapital, die Notenbank sowie das Haus Rothschild je 40 Millionen. Um die Liquidität des Instituts sicherzustellen, erklärte sich die OeNB zur praktisch unbeschränkten Kreditgewährung bereit und zwar auch durch Übernahme von Finanzwechseln - was dem Notenbankstatut widersprach.
Die Nachricht vom Zusammenbruch der Credit-Anstalt schlug in der Öffentlichkeit wie eine Bombe ein. Sie führte zu massiven Abhebungen nicht nur bei der CA, sondern abgeschwächt auch bei anderen Geldinstituten Österreichs. Das verstärkte wiederum die internationale Vertrauenskrise, die viele deutsche und italienische Banken direkt berührte. Nach dem Zusammenbruch der Darmstädter  und der Nationalbank schloss die deutsche Regierung kurzfristig alle Banken. Damit wurden die zarten Ansätze einer Erholung im Keim erstickt und die Abwärtsbewegung setzte sich bis 1933 fort.
Die Folgen waren fatal. Österreich war neben den USA und Deutschland durch die Weltwirtschaftskrise besonders stark getroffen. Hier sank das Bruttonationalprodukt vom letzten Hochkonjunkturjahr 1929 bis zu seinem Tiefpunkt im Jahre 1933 real um mehr als 22 Prozent, die Industrieproduktion um 38 Prozent. Bauwirtschaft und Verkehr erlitten Einbußen von 53 Prozent und 29 Prozent. Nur die Land- und Forstwirtschaft sowie die Energieerzeugung vermochten ihr Niveau im Wesentlichen zu halten.

Hilflosigkeit der Wirtschaftspolitik

Die Wirtschaftspolitik stand der katastrophalen Lage weitgehend hilflos gegenüber. Mit manchen Maßnahmen gossen die Regierungen sogar noch Öl ins Feuer. Lohnsenkungen bewirkten nicht nur, dass die private Konsumnachfrage noch weiter zurückging, sondern dass sich der deflationäre Prozess verschärfte. Sinkende Preise führten dazu, dass Unternehmer für ihre Produkte immer weniger bekamen, Schulden wurden immer drückender.
Die Politik der Lohnsenkungen resultierte daraus, dass damals die nationalökonomische Theorie keine Notwendigkeit wirtschaftspolitischer Eingriffe sah. Die sogenannte Neoklassik ging - und geht - davon aus, dass der Wettbewerb Nutzen maximierender Wirtschaftssubjekte über die Preise ständig zum Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage führen müsse. Und wenn es zu Ungleichgewichten auf dem Arbeitsmarkt komme, dann nur, weil die Gewerkschaften die Löhne zu hoch hinauf getrieben hätten. Diese seien zu senken - was manche Länder versuchten. Ansonsten dürfe nicht in den Marktmechanismus eingriffen werden. Er werde automatisch wieder Vollbeschäftigung herbeiführen.

Keynes Durchbruch

Der Ruf nach wirtschaftspolitischen Eingriffen wurde allerdings immer lauter, da die nach 1933 in den meisten Ländern einsetzende Erholungsperiode außerordentlich schwach ausfiel. Oftmals erwiesen sich die daraufhin ergriffenen Maßnahmen als unsystematisch, ja, widersprüchlich. Das galt auch für den berühmten »New Deal« Roosevelts, denn nach einer kurzen Erholung erreichte die Arbeitslosenrate in den USA 1938 wieder 19 Prozent. Lediglich Schweden, das stärker einer nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik folgte, näherte sich den zehn Prozent.
1936 publizierte John Meynard Keynes die »Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes«. Das war der große theoretische Durchbruch. Erst damit wurde klar, dass man die ökonomischen Probleme nicht allein durch die Beobachtung des einzelnen Wirtschaftssubjektes erfassen konnte, sondern auch durch Analyse der gesamtwirtschaftlichen Größen wie Produktion, Konsum, Sparen und Investieren, und dass es keine automatische Tendenz zum Vollbeschäftigungsgleichgewicht gab. Der Staat war folglich gefordert, in den Wirtschaftsablauf einzugreifen und durch Budgetdefizit die fehlende private Nachfrage zu ergänzen. Freilich, die Zeit vor Ausbruch des 2. Weltkrieges blieb zu kurz, als dass sich dieser neue Ansatz hätte vollständig durchsetzen können.

Vorabend des 2. Weltkriegs

Lediglich in Deutschland erzielte man damit Erfolge. Hier gab es schon Anfang der Dreißigerjahre interessante Vorläufer, nicht zuletzt durch den sogenannten WTB-Plan der deutschen Gewerkschaften. Die - verdeckte - Defizitfinanzierung des Staates wurde in der Folge durch Fixierung von Löhnen und Preisen sowie die strikte Regulierung des Außenhandels und des Zahlungsverkehrs abgesichert. Maßnahmen, welche in dieser Form nur in einem totalitären Staat durchgesetzt werden konnten. Die so angeregte Nachfrage ging fließend in die Aufrüstung über. 1938 war das deutsche BIP gegenüber 1933 um fast die Hälfte gewachsen und die Arbeitslosigkeit praktisch beseitigt. Dieser Aufschwung endete freilich im 2. Weltkrieg, der ja damit vorbereitet worden war!

Erst kam der Aufschwung

Nach 1945 erlebten die westlichen Industriestaaten, auch dank amerikanischer Wirtschaftshilfe, einen nie gesehenen Aufschwung. Dessen Dauer ging nicht zuletzt auf den erfolgreichen Einsatz von Keynes Instrumentarium der Wirtschaftspolitik zurück. Dieses erwies sich allerdings wegen seiner Asymmetrie wirkungslos, als es galt, neue Probleme zu lösen. Gerade Stärke und Dauer des Aufschwunges hatten zu einer Inflation geführt. Der Keynesianismus schien nur geeignet, die Nachfrage anzuregen, nicht aber - zumindest in seiner Anwendung - diese zu dämpfen. Und damit erlebte die Neoklassik eine umfassende Renaissance in verschiedensten Ausprägungen.
Der jüngste Einbruch der Weltwirtschaft resultiert im Wesentlichen aus zwei Elementen: Da war zunächst ein, insbesonders in den USA, lang andauernder Wirtschaftsaufschwung sowie eine große Menge ersparter Gelder, welche Anlagemöglichkeiten suchten. Das führte zu der schließlich zerplatzten Immobilienblase und daraus resultierend auch zu einem Kurssturz der Aktien an der New Yorker Börse. Die dadurch ausgelöste Unsicherheit hatte zur Folge, dass sich Banken gegenseitig keine Kredite mehr gewährten, sodass damit eine allgemeine Geldknappheit entstand und Geldinstitute insolvent wurden. Und diese Entwicklung übertrug sich auch auf Europa, weil auch dort viele Banken die hochverzinslichen amerikanischen Schuldverschreibungen erworben hatten.
Die Finanzkrise schlug - zuerst in den USA, dann in Europa - auch auf die Realwirtschaft durch. Immerhin hatte sich bereits eine konjunkturelle Abkühlung abgezeichnet. Im Gegensatz zu den Dreißigerjahren reagierte diesmal die Wirtschaftspolitik sofort. Die Staaten taten im Wesentlichen das, was die österreichische Bundesregierung im Falle der CA-Krise 1931 getan hatte: sie stärkten das Eigenkapital der Banken, sie sicherten deren Geldversorgung und deren Existenz.

Blick in die Zukunft

25 Jahre wurde uns von den meisten Nationalökonomen gepredigt, der Markt sei unfehlbar, daher dürfe der Staat in keiner Weise dessen Mechanismus stören, schon gar nicht durch keynesianische Defizitpolitik. Bemerkenswerterweise gibt es heute kaum Regierungen, die zögern würden, die Konjunkturschwäche eben durch ein Budgetdefizit zu bekämpfen. Dieses Bestreben wird dadurch erleichtert, dass die hoch entwickelten europäischen Sozialsysteme mit ihren gleichmäßigen Zahlungen als Konjunkturstabilisatoren wirken. In die gleiche Richtung gehen der, gegenüber den Dreißigerjahren, viel höhere Dienstleistungsanteil sowie jener der öffentlichen Hand.
Können wir daher beruhigt in die Zukunft blicken? Gründe für einen eher positiven Ausblick sind dadurch gegeben, dass die Krise eine weitaus stabilere Weltwirtschaft trifft, als jene des Jahres 1929 - ein Jahrzehnt nach dem 1. Weltkrieg. Weiters aber scheinen die meisten Regierungen entschlossen, rasch und nachhaltig wirtschaftspolitisch zu intervenieren. Freilich wäre es verfehlt, der Legende vom unfehlbaren Markt, eine solche der unfehlbaren Nachfragesteuerung über das Budget gegenüberzustellen. Denn die Haushaltsmittel müssen sich in Konsumausgaben oder Investitionen niederschlagen und dürfen nicht gespart werden. Und manche Ausgaben fließen in einem Land mit so hoher Außenhandelsquote wie Österreich ins Ausland ab.
Dennoch sind alle die beschriebenen Maßnahmen wichtig, nicht nur, weil ihre positiven Wirkungen wahrscheinlich sind, sondern auch, weil es gilt, das Vertrauen, nicht nur auf dem Finanzmarkt, sondern in der ganzen Wirtschaft wiederherzustellen. Gewiss haben wir im nächsten Jahr mit einem konjunkturellen Einbruch zu rechnen, und es ist noch nicht abzusehen, wann ein neuer Aufschwung einsetzen könnte, aber eine dramatische Entwicklung, wie zwischen 1929 und 1933 bzw.1937 zeichnet sich nicht ab.

Weblinks
Institut für Wirtschaftsforschung
www.wifo.at  

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