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Foto | Paul Sturm Ingeborg Gabriel: »Es herrscht ein Mangel an Fairness. Eigentlich muss man diese Gehälter schon in den Bereich der Korruption einordnen. Die Höhe der Boni ließe sich gesetzlich beschränken.«

Frage der Verantwortung

Schwerpunkt

In Zeiten wie diesen werden allerorten die Forderungen nach einer umfassenden Managerhaftung und mehr Transparenz wieder laut.

In den guten Zeiten haben Manager ihre hohen Gagen mit der hohen Verantwortung, die sie tragen argumentiert. Heute sehen wir: Tragen tun die anderen. Und was ist nun mit der Verantwortung?
Lange war es kein Thema, jetzt ist es plötzlich sogar am Wirtshaustisch Gesprächstoff: die Managerhaftung. Doch was heißt das, wenn wir gerade sehen, dass Banken und Unternehmen - in manchen Fällen sicher aus gutem Grund - mit Milliarden »ausgeholfen« wird und sich so mancher geschasste Manager noch über seine Millionenabfertigung freut. »Das steht so im Vertrag, da kann man nicht eingreifen«, ist die viel zitierte Erklärung für diesen unerfreulichen Brauch. Wilhelm Rasinger, Vertreter der Kleinaktionäre, sieht das Problem in der aktuellen Praxis: »Die Boni sollten im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Geschäftsgebarung erst lange im Nachhinein ausbezahlt werden. Die hohen Gehälter werden ja auch deshalb bezahlt, weil man sich damit eine nachhaltig positive Führung der Unternehmen einkaufen will. Das sollen keine Goodies für Schönwetterkapitäne sein.« Durch die derzeit herrschende Praxis der Bonifizierung haben die Manager primär die kurzfristigen Effekte im Blick, manche arbeiten gar auf bestimmte Stichtage hin, um ihre Prämien kassieren zu können.
»Unternehmer und Topmanager sind aber nicht nur wirtschaftliche, sondern in einem hohen Maße auch gesellschaftspolitische Akteure, weil unternehmerisches Handeln gesellschaftlich nicht neutral ist und Unternehmer die soziale Welt entscheidend mitgestalten«, so Peter Imbusch, der derzeit eine Professur für sozialwissenschaftliche Konfliktforschung innehat. Imbusch weiter: »Wirtschaftsethiker betrachten deshalb Unternehmen ohnehin als quasi öffentliche Institutionen, denen eine hohe Verantwortung zukommt.« Da ist sie wieder. Die viel zitierte Verantwortung!

Haftungsfragen

Was aber versteht man unter der Verantwortung des Managements? Man versteht darunter die Haftung von GeschäftsführerInnen und GesellschafterInnen für sorgfaltswidriges Verhalten, so die Judikatur. Schlagend werden kann die sogenannte Innenhaftung (zivilrechtliche Ansprüche des Unternehmens), die Außenhaftung (gegenüber Gläubigern) und in besonders heftigen Fällen von Versagen auch eine zivilrechtliche Verantwortung bei Vergehen wie Bilanzfälschung und Betrug.
Um sich vor diesen rechtlichen Verantwortlichkeiten zu schützen, ist für hoch bezahlte ManagerInnen nur ein Mindestmaß an kaufmännischer Sorgfaltspflicht nötig: Angemessene Informationen einholen, nachgewiesenermaßen fachkundige BeraterInnen einbeziehen und damit man am Ende nachvollziehen kann, wie es soweit kommen konnte, wird einem die Dokumentation der Entscheidungsfindung angeraten. »Es empfiehlt sich«, raten JuristInnen weiter, »Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung von bestandsgefährdenden Entwicklungen und Vorfällen einzurichten.«
Soweit die juristischen Fakten. Auch wenn man sich fragt, ob wirklich alle ManagerInnen wenigstens diese Eckpunkte abgearbeitet und eingehalten haben, so bleibt am Ende doch die Frage nach der Moral: Denn wie kommt es, dass ManagerInnen sich ihre angebliche Verantwortung mit fetten Prämien abgelten lassen und - im schlimmsten Fall - das gleiche Schicksal erleiden wie Tausende ihrer Angestellten? Nämlich den Jobverlust. Mit dem winzigen Unterschied, dass sie vorher wohl ein bisschen mehr über hatten, um es in den Sparstrumpf zu stecken.

Mangel an Fairness

Die Professorin Dr. Ingeborg Gabriel die einen Lehrstuhl für Sozialethik an der Universität Wien innehat, fasst ihre Eindrücke von der Ethik der Manager in sehr bodenständige Worte: »Es herrscht ein Mangel an Fairness. Eigentlich muss man diese Gehälter schon in den Bereich der Korruption einordnen. Die Höhe der Boni ließe sich gesetzlich beschränken.« Darüber hinaus wünscht sie sich für alle Manager ein Pflichtsemester Ethik: »Nicht weil ich glaube, dass man in einem Semester das Gewissen trainieren kann, aber der Einzelne kann Verantwortung übernehmen - und das kann man trainieren.«
Auf die Frage, wie es zu einer solchen Selbstbedienungsmentalität unter den Spitzenmanagern kommen kann, antwortet die Sozialethikerin: » Es gibt in diesem System starke Elemente einerseits von Komplexität, andererseits von Konkurrenz.« Diese Kombination macht es möglich, dass einerseits der Druck auf die ManagerInnen stetig steigt: Man muss besser, schneller, erfolgreicher als die anderen sein, sonst fliegt man aus dem Spiel. Andererseits sinkt die Möglichkeit, die Folgen des Handelns in vollem Umfang abzuschätzen: Das öffnet manche Schleuse und ermöglicht Handlungsweisen für die »man sich früher geschämt hätte«.

Verantwortungslose Manager?

Wilhelm Rasinger ist sich sicher: »Mit eigenem Geld und eigenem Vermögen wären die Manager wesentlich risikobewusster. Ein guter Manager hat meines Erachtens nach in den Seitenblicken nichts verloren.« Wir kennen die Aussagen, dass die Manager immer noch »im Vergleich mit den Gagen, die anderswo gezahlt werden« niedrig bezahlt werden. Dem hält Rasinger, schon hörbar verärgert, entgegen: »Es gibt diesen Managermarkt nicht, von dem da immer berichtet wird. Und meiner Ansicht nach soll einer, dem das Gehalt hier zu wenig ist gerne nach Deutschland gehen, wenn er meint, er kann dort mehr verdienen.« Das Argument, dass die Besten gehen würden, lässt er nicht gelten.
Retrospektiv betrachtet fragt sich so mancher, wie der eine oder andere sogenannte Spitzenmanager zu seinem gut dotierten Vertrag gekommen ist, oder wer ihm wohl den Konsulentenvertrag »für nachher« angedient habe. Dazu Rasinger: »Es gibt schon auch sogenannte Präsentationskaiser, ob die wirklich gut sind, merken Sie erst lange hinterher.«
Auf die Frage, was nach Ansicht des Anlegervertreters gute und wünschenswerte Eigenschaften eines verantwortungsvollen Managers wären, antwortet Rasinger: »Ob er gut mit der Belegschaft umgehen kann und mit den Kunden, das ist wichtig für den Erfolg. Und ein wenig Fortune gehört wohl auch dazu.«
Im New York Harald Tribune bemerkt ein Kommentator an, wie schief das System in der derzeitigen Krise bereits hängt: »Die amerikanischen Banken lassen sich vom Staat und damit vom Steuerzahler großzügig unterstützen. Auf der anderen Seite werden nach wie vor Dividenden an die Anleger ausbezahlt.« Und das gilt leider nicht nur für die amerikanischen Banken, wenn man es sich genau überlegt.
In Zeiten, in denen »smart« zu sein das Ziel war und Redlichkeit, Integrität und ethisches Handeln als vorgestrig verlacht wurden, sind solche Auswüchse allerdings kein Wunder.
Daran sind aber nicht nur die steigende Komplexität und die zunehmende Globalisierung schuld: Schuld an dieser Entwicklung ist auch die Tatsache, dass sich die Politik nahezu ohne Gegenwehr das Ruder aus der Hand nehmen ließ, wenn es auch nur im entferntesten um Wirtschaft ging. Ingeborg Gabriel: »Die rechtliche Ebene hat da schon versagt: gewisse Dinge sollten einfach illegal sein.« Mehr Gestaltungswillen vonseiten der PolitikerInnen, die sich wenigstens alle paar Jahre tatsächlich einer Beurteilung stellen müssen, könnte einiges an Wildwuchs verhindern. Und die Erkenntnis, dass es auch auf dem Markt der ManagerInnen so etwas wie Marktversagen gibt.

Gutes Ende?

Positiv werten Rasinger und Gabriel die Tatsache, dass seit dem Aufbrechen der Bankenkrise in der Öffentlichkeit ein gewisses Bewusstsein entsteht, dass die Entwicklungen, deren Auswüchse wir jetzt beobachten können, gesellschaftlich nicht wünschenswert sind. Rasinger fordert volle Transparenz und sieht, dass »die Zeit günstig ist«, um hier tief greifende Änderungen herbeizuführen. PolitikerInnen, die sich selbst eine sehr transparente Einkommenspyramide verpasst haben, hätten von der Entwicklung hin zu mehr Transparenz profitiert. Und damit eine solche transparente Regelung nicht nur den »Neidkomplex« bedient, wünscht sich Rasinger auch Transparenz in Sachen Steuerleistung: Auch die sollte man öffentlich machen, damit man sieht, wer auf diesem Weg wie viel für die Allgemeinheit leistet.

Weblinks
Institut für Sozialethik
www.univie.ac.at/ktf/content/site/se/home/index.html

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