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Der »Hanusch-Cup« Der »Hanusch-Cup«: Die schöne Bronzestatuette eines Maschinenarbeiters war der Siegerpokal bei den Fußballmeisterschaften der Freien Gewerkschaften bis 1933.

Nur soziale Gerechtigkeit …

Historie

Am 12. November 1918 wurde die erste österreichische Republik ausgerufen. Sie war eine erste Chance für den sozialen Fortschritt.

Die erste österreichische Republik hat ein schlechtes Image und wird oft als »Staat, den keiner wollte« bezeichnet. Das ging aus der Propaganda jener, die sie wirklich nicht wollten, in die Geschichtsbücher ein. In Wirklichkeit wollten viele diese Republik als Chance für den sozialen Fortschritt, besonders die sozialdemokratische Bewegung und ihre Freien Gewerkschaften. Dass sie dabei (wie alle anderen politischen Bewegungen und vergeblich) einen Verbund mit der ebenfalls gerade entstehenden deutschen Demokratie anstrebten, steht dazu nicht im Widerspruch.
Die Freien Gewerkschaften hatten Jahrzehnte für mehr Demokratie gekämpft und bis zum Zerbrechen der Habsburgermonarchie schon viel erreicht, zum Beispiel dass Streik wenigstens in Friedenszeiten nicht mehr als Verbrechen galt, den Abschluss von Kollektivverträgen oder ein demokratisches Wahlrecht für Männer. Jetzt aber kam der große Durchbruch: Ein Staat ohne Kaiser, eine Republik, in der das Gesetz für alle galt und ArbeitnehmerInnen erstmals wirklich gleichberechtigt waren, das Frauenwahlrecht und vor allem auch eine fortschrittliche, weltweit bewunderte Sozialpolitik mit einem modernen Arbeitsrecht. Sie ist untrennbar mit dem Namen des Gewerkschafters Ferdinand Hanusch verbunden, der sie als Staatssekretär für Soziales von 1918 bis 1920 koordinierte und vorantrieb - ausgehend von der Überzeugung: »Nur soziale Einsicht und soziale Gerechtigkeit können diesen Staat begründen und ihn zu einer Heimstätte glücklicher Menschen machen.«
Vom achtstündigen Arbeitstag oder ArbeiterInnenurlaub über Arbeitslosenversicherung und Krankenversicherung für alle bis zur Errichtung von Arbeitsämtern, Betriebsräten und Arbeiterkammern, zur rechtlichen Absicherung von Kollektivverträgen und zu einer fortschrittlichen Bundesverfassung reichen die Errungenschaften, die wir dieser Epoche verdanken.
Die Bedingungen waren schwierig, denn viele Konservative und Nationalliberale, die zusammen mit der Sozialdemokratie als Minderheitsfraktion eine Konzentrationsregierung bildeten, stimmten all diesem nicht aus Überzeugung zu, sondern aus Angst vor einer möglichen Revolution. Es war also nicht immer leicht, tragfähige Kompromisse zu finden.
Als Hanusch einmal kritisiert wurde, weil er Forderungen des Gewerkschaftskongresses nicht voll durchgesetzt hatte, antwortete er: »… Ich verkenne … nicht, dass manches der Gesetze … der Kritik nicht ganz standhalten kann. Aber vergessen Sie nicht die Tatsache, dass wir eine Koalition haben. … Nachdem wir (die Mehrheit) nicht haben, müssen wir eben herausschinden, was wir können. Zum Vergnügen sitze ich nicht im Staatsamt; wenn ich nichts für die Arbeiterklasse tun könnte, würde ich noch heute demissionieren.«
Die Epoche des sozialen Fortschritts ging zu Ende, als Konservative und Nationalliberale die Angst vor einer möglichen Revolution verloren, weil die linken Revolutionen in der Umgebung Österreichs blutig niedergeschlagen worden waren. Man sprach jetzt zynisch vom Beseitigen des »revolutionären Schutts«. Aber dieser »revolutionäre Schutt« war die Grundlage, auf der die Zweite Republik aufgebaut werden konnte.
Zusammengestellt und kommentiert von Historikerin Dr. Brigitte Pellar
brigitte.pellar@aon.at

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