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Foto | Paul Sturm Ich glaube, man arbeitet motiviert bis zum Schluss und geht dann leicht in die Pension, wenn man selbst die Arbeit, die man leistet, auch in den letzten Jahren geschätzt wird.
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Froher Un-Ruhestand

Schwerpunkt

Den einen ist es das Ziel aller Ziele, den anderen ein immer näher kommender Alptraum: die Pension. Ein Grund zur Freude?

Wer im Internet eingibt «ich freu mich auf die Pension« findet gerade einmal zwei Treffer im gesamten deutschen Sprachraum. Einer ist die Geschichte eines 62-jährigen Standesbeamten der 45 Jahre gearbeitet hat und nun knapp vor der Pensionierung steht. Es können doch nicht nur so wenige Menschen Vorfreude empfinden, beim Gedanken an die Pension? Die Sache ist allerdings offensichtlich wirklich kompliziert.
Deshalb bereiten sich zunehmend mehr ältere ArbeitnehmerInnen auf die Pension vor. Anstatt überrascht am letzten Tag mit einem Glas Sekt in der einen und einem Brötchen in der anderen Hand und einem schalen Nachgeschmack im Mund dazustehen und sich zu fragen: »Was, heute ist der letzte Tag?« arbeiten sie bewusst auf den Tag X hin.

Mit 35 die Pension im Visier
Es gibt aber auch ganz andere, bestätigt Helene Pumm, Personalentwicklung und Recruiting der Erste Bank: »Es gibt die Sorte Menschen, die ab 35 die Pension im Visier haben, und die anderen, die glauben sie bleiben ewig jung und nicht daran denken, dass es irgendwann einmal in der Pension enden wird.« Um die Pension weder als Schreckgespenst noch als Elysium, sondern gut vorbereitet zu erreichen, bietet die Erste Bank Seminare für jene MitarbeiterInnen an, die einige Jahre vor dem Erreichen der Pension stehen. Dabei geht es sowohl um die eigene Gesundheit und Leistungsfähigkeit, aber auch um das Unternehmen als lernende Organisation und um Wissensmanagement innerhalb der Mitarbeitergenerationen. Das Seminar soll »Handlungsspielräume der älteren MitarbeiterInnen erkennen und erweitern« helfen, soll auf einen neuen Lebensabschnitt vorbereiten und die Fähigkeiten zur Weitergabe des eigenen Wissens stärken.

Generation mit hohem Potenzial
»Das Programm der Erste Bank ›Lifetime‹ hat sich zum Ziel gesetzt, altersadäquate Arbeits- und Entwicklungsbedingungen für alle MitarbeiterInnen zu sichern«, so Helene Pumm zu dem bereits zweimal mit dem Nestor-Preis ausgezeichneten Projekt. Dort wird gemeinsam geplant, wie erworbenes Wissen weitergegeben werden kann, wie »Loslassen« wirklich glücken kann, und wie das persönliche Wohlbefinden in den letzten Arbeitsjahren erhalten werden kann.
Die Erste hat, wie einige andere Unternehmen mit ihr, erkannt, dass sich die Altersstruktur der Bevölkerung zugunsten der Generation 50plus entwickelt. Und dass diese Generation eine Menge Potenzial hat: Die junge Disziplin der Altersforschung liefert die Beweise, dass viele Bereiche der Intelligenz und Lernfähigkeit sich unabhängig vom Lebensalter entwickeln lassen, dass vieles, was mit Intelligenz und Kompetenz als Wissen zu tun hat, bis ins hohe Alter gut funktionieren kann. Mit den Jahren wachsen auch emotionale und soziale Reife. Dieses Kapital sollten Unternehmen nutzen und MitarbeiterInnen fördern.

Abschied ohne Trauer
Doch nicht jeder Arbeitgeber weiß diese Kompetenzen zu schätzen: Klaus T., langjährig in der Textilbranche tätig, kann ein Lied davon singen: «Obwohl mein Vis-a-vis in den Geschäften ebenfalls nicht mehr die Jüngsten waren und sich durch jahrelange Betreuung ein starkes Vertrauensverhältnis aufgebaut hatte, wurde das Arbeitsklima im Unternehmen immer schlechter. Meine Leistungen wurden, auch wenn sie deutlich über denen mancher Junger lagen, heruntergemacht. Willkürliche Schikanen wurden häufiger.« Das machte es Klaus T. leicht, nach einer Erkrankung in die Frühpension zu gehen, statt noch zwei weitere Jahre zu arbeiten: «Ich habe mich auf die Pension schon eine ganze Weile gefreut. Wissen Sie, ich habe mit 14 begonnen zu arbeiten, und seitdem war ich keinen Tag arbeitslos. Die Idee zu reisen, Freunde zu treffen und mich in meinem Garten zu beschäftigen hatte schon etwas Verlockendes.« Während der aktiven Zeit blieb unter der Woche kaum Zeit für die sogenannten schönen Dinge des Lebens. Das war nach der Pensionierung anders: »Meine Frau und ich haben Konzertabonnements gekauft. Ich genieße es, mich erstmals in meinem Leben regelmäßiger mit Kunst auseinandersetzen zu können. Das ist eine neue Welt für mich.« Ein Wermutstropfen war schon dabei: »Es war eine lange Zeit in ein und demselben Unternehmen. Auch meine Kunden kannte ich jahrelang. Zu einigen habe ich eine richtige Freundschaft aufgebaut, aber man hat sich immer nur in der Arbeit gesehen. Jetzt besuch ich sie halt privat.« Dem Unternehmen selbst weint er allerdings keine Träne nach.

Start in ein neues Leben
Michael H. war leitender Angestellter in der Elektroindustrie und in den letzten Jahren im Beruf voll gefordert. Er war erfolgreich und alle glaubten, dass ihn nach seiner leitenden Tätigkeit die Pensionierung wie ein Schock treffen müsste. Doch er hatte keinen Pensionsschock: Er erfüllte sich einen Bubentraum und kaufte sich ein Motorrad und seiner Frau einen zweiten Helm. »Ich bin im Februar in Pension gegangen und schon die ersten warmen Tage haben wir für lange Ausfahrten genützt. Mittlerweile fahre ich zwar mehr allein, weil meine Frau die Zeit, die sie für sich hat, auch sehr genießt.«
Überhaupt verändern sich Partnerschaften in der Pension, auch wenn nicht jede Pensionierung in einer Katastrophe wie im legendären deutschen Film «Papa ante Portas« des Komikers Loriot mündet. Für Michael H. änderte die Pension viel, denn er nahm ab seinem ersten Tag im Un-Ruhestand (wie er diese Zeit selbst bezeichnet) teil an der Erziehung seiner drei Enkelkinder. Gemeinsam mit seiner Frau betreut er die Kinder nachmittags und bei Bedarf und genießt die Zeit mit den Kleinen sichtbar: »Meine eigenen Kinder habe ich ja nicht wirklich sehr intensiv beim Aufwachsen erlebt, weil der Job doch sehr zeitintensiv war. Über ihre Entwicklungsfortschritte wurde ich oft erst im Nachhinein informiert. Jetzt bin ich es, der meinen Kindern erzählen kann, dass das Enkelkind schon ohne Stützräder Fahrrad fahren kann.«
Doch neben diesen sehr persönlichen Veränderungen, gibt es Umstellungen, die alle treffen: Wer sich »professionell« auf die Pension vorbereiten will, der hat mehr zu tun, als den Enkelkindern am Fahrrad hinterherzulaufen: Die Wohnsituation sollte im Idealfall jetzt dem kommenden Lebensabschnitt angepasst werden. Das Bad sanieren, eventuell von der Badewanne auf eine barrierefreie Dusche umsteigen, all das können sinnvolle Vorbereitungen auf das Leben »danach« sein. Wer es sich leisten kann, sucht jetzt noch eine Wohnung in einem Haus mit Aufzug. Auch finanzielle Angelegenheiten sollten ein paar Jahre vor der Pension in die richtigen Bahnen gelenkt werden.

Positives Klima
Wer all das geregelt hat, kann sich in den letzten Jahren vor der Pension im Job auch darauf konzentrieren, sein gewachsenes Wissen weiterzugeben. Denn viele Dinge sind nirgendwo verschriftlicht und für Nachfolgende nicht zu erfahren, es sei denn, diese haben Zeit und Ressourcen dieses gewachsene Wissen weiter zu erhalten. TeilnehmerInnen am Seminar Lifetime sehen das genauso: »Ich freue mich jetzt darauf, mein Wissen und meine Erfahrungen an Junge weiterzugeben. Ich werde meiner Führungskraft Vorschläge für die Umsetzung machen.« »Ich glaube, man arbeitet motiviert bis zum Schluss und geht dann leicht in die Pension, wenn man selbst und die Arbeit, die man leistet, auch in den letzten Jahren geschätzt wird. Dann kann man mit großer Zufriedenheit gehen und etwas anderes anfangen«, resümiert Michael H. seine letzten Jahre im Beruf und den Start der Pension.

Mit Selbstvertrauen in Pension
Wer allerdings in den letzten Jahren im Beruf drangsaliert wird und merkt »ich bin nichts mehr wert«, leistet weniger und geht trotzdem oftmals schwerer in Pension. Selbstvertrauen und eine positive Einschätzung der eigenen Fähigkeiten sind sowohl im Job als auch beim Gang in die Pension gute Voraussetzungen. Die Unternehmen können hier - auch zum eigenen Nutzen - positiv unterstützen.

Weblinks
Projekt LIFETIME
www.www.erste-bank.at/GB2007/DE/GB2007_DE_Lage_017.html  

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