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Anfang Oktober, als die weltweite Finanzkrise außer Kontrolle zu geraten drohte, spitzte sich in Island die Lage dramatisch zu.

Islands Absturz

Internationales

Wie eines der reichsten Länder der Welt in kürzester Zeit vom Senkrechtstarter zum Sozialfall wurde.

Vor etwas mehr als einem Jahr, im November 2007, hielt der Jahresbericht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) fest, dass Island den höchsten Entwicklungsstand der Welt habe. Damit hatte es Norwegen überholt, das in den vergangenen sechs Jahren die Rangliste angeführt hatte. Österreich lag im Ranking auf Platz 15, die USA auf Platz 12.
Island war bis vor kurzem auch eines der wohlhabendsten Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der dreißig Staaten angehören. In den vergangenen Jahren war die Wirtschaft pro Jahr um durchschnittlich vier Prozent gewachsen. Mit einem Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 40.400 Dollar war der Wohlstand der Isländer mit jenem in Österreich (39.300) vergleichbar.
Wertverlust der Krone
Ein beachtenswerter Erfolg für die Volkswirtschaft der knapp 320.000 EinwohnerInnen zählenden Insel. Doch bereits im April vergangenen Jahres kamen die isländischen Banken wegen der internationalen Finanzkrise unter Druck. Die isländische Regierung gestand ein, dass die Banken massiven Angriffen von aggressiv spekulierenden US-Hedge-Fonds ausgesetzt waren. Die isländische Krone - als kleinste selbstständige Währung der Welt - verlor immer stärker gegenüber dem Euro, die Inflationsrate kletterte in die Höhe, die Auslandsverschuldung wuchs bedrohlich.
Zu Beginn der Finanzkrise im Frühjahr 2008 wurde Islands politische Spitze nicht müde, die kerngesunden Grundstrukturen der isländischen Wirtschaft als Garant gegen einen Finanz- und Bankencrash hervorzuheben. Arbeitslosigkeit war auf Island zudem ein Fremdwort, die Fischerei florierte als wichtigste Einnahmequelle, von der Sicherheit des Rentensystems konnten andere nur träumen, der Staat hatte gut gefüllte Kassen.
Doch in der Bevölkerung machte sich Unruhe breit. Auch viele NormalbürgerInnen haben in den Boomjahren bei rasch ansteigendem Lebensstandard und explodierenden Immobilienpreisen sehr optimistisch konsumiert und Kredite aufgenommen. Die IsländerInnen lebten auf Pump und eigentlich über ihre Verhältnisse.
Banken in Bedrängnis
Ebenfalls bereits im Frühjahr 2008 warnte die isländische Zentralbank vor dem schwer kalkulierbaren Risiko des zu großen Finanzsektors für die Wirtschaft. Weil die Kreditinstitute den größten Teil ihrer Geschäfte im Ausland machten, hatte die Notenbank hier kaum einen Einfluss. Offenbar hatten weitere Spekulationen der Hedge-Fonds die Krone ins Visier genommen, um auf einen Verfall der Währung zu wetten.
Die gesamten Vermögenswerte der isländischen Banken betrugen etwa das Zehnfache der isländischen Wirtschaftsleistung. Zum Vergleich: Dieses Verhältnis betrug im Euro-Raum 3,5. Damit waren die isländischen Banken im Verhältnis zum Rest der Wirtschaft des Landes zu groß.
Die drei größten Banken Kaupthing, Glitnir und Landsbanki hatten ihre Kreditgeschäfte auf der Basis der lange sehr niedrigen Zinsen im Ausland betont wagemutig ausgeweitet. Nach dem Anstieg der Zinsen, der Degradierung durch Rating-Agenturen und der extremen Verteuerung eigener Kreditkosten kam dieses lange erfolgreiche Geschäftsmodell plötzlich ins Wanken.
Anfang Oktober, als die weltweite Finanzkrise außer Kontrolle zu geraten drohte, spitzte sich in Island die Lage dramatisch zu. Die Regierung gab zunächst eine Garantieerklärung für alle Spareinlagen ab und war bald danach gezwungen, alle drei großen Banken zu verstaatlichen. Regierungschef Geir Haarde warnte vor einem Staatsbankrott.
EU-Beitritt als Ausweg
Angesichts der dramatischen Lage im Spätherbst befürworteten immer mehr IsländerInnen nun den EU-Beitritt. In der regierenden großen Koalition war die konservative Unabhängigkeitspartei von Ministerpräsident Geir Haarde auf der Bremse gestanden und hatte die EU-Mitgliedschaft abgelehnt, die SozialdemokratInnen hatten diese hingegen zu ihrem Ziel erklärt. Mittlerweile findet der Beitritt nicht nur in der Bevölkerung mehr und mehr Zuspruch, selbst konservative PolitikerInnen fordern nun eine Änderung der Parteilinie.
Knapp vorbei am Staatsbankrott
Selbst der Fischereisektor, der für fast 30 Prozent der Ausfuhren und fünf Prozent der Wirtschaftsleistung steht und stets der erbittertste Gegner eines Beitritts gewesen war, gab klein bei. Als EU-Mitglied wird Island seine Fischereipolitik den EU-Vorgaben anpassen müssen.
Signale kamen gleichzeitig auch direkt aus Brüssel: EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn stellte rasche Verhandlungen in Aussicht. Ministerpräsident Haarde will die IsländerInnen noch in diesem Frühjahr über den Beitritt abstimmen lassen.
Haarde hatte den Schuldenberg seines Landes, den die Banken hinterlassen haben, auf 19 Mrd. Dollar beziffert, das entspricht zweimal dem jährlichen Bruttoinlandsprodukt. Durch die Verstaatlichung der Banken und vor allem mit Hilfe ausländischer Darlehen konnte der Staatsbankrott nur mit Mühe verhindert werden. Insgesamt mehr als zehn Mrd. Dollar erhielt Island nach langen und mühsamen Verhandlungen vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und von mehreren europäischen Ländern.
Die isländische Krone hatte Ende 2008 binnen eines Jahres knapp drei Viertel ihres Wertes gegenüber dem Euro verloren. Die Inflationsrate kletterte auf über 17 Prozent, die Arbeitslosenquote ist von 0,8 Prozent zu Jahresbeginn auf 5,4 Prozent im Dezember gestiegen.
Rezession
Angesichts der Lage wird für das kommende Jahr mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um zehn Prozent und noch mehr Arbeitslosen gerechnet. Zugleich wächst auch der Druck auf die Regierung. Im Dezember kam es bereits wiederholt zu Protesten seitens der Bevölkerung. Vom Zusammenbruch des Finanzmarktes besonders schnell und stark betroffen ist das Baugewerbe. Ein erheblicher Teil der isländischen Bauingenieure ist nun mit Arbeitssuche im Ausland beschäftigt, der größte Teil der in Island beschäftigten ausländischen Bauarbeiter hat das Land bereits verlassen.
Natur oder Wechselkurs?
Ein Lichtblick ist dafür der Fremdenverkehr - der Währungsverfall der Krone hat zahlreiche Touristen ins neue »Billig-Reiseland« gelockt, Urlaub in Island ist plötzlich günstig wie noch nie. Und so machen die IsländerInnen aus ihrer Not eine Tugend und am Flughafen Reykjavik fragt eine Werbetafel: »Sind Sie wegen der Natur oder wegen des Wechselkurses hier?«


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Mehr Infos unter:
de.wikipedia.org/wiki/Portal:Island
www.iceland.de

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