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CARE Österreich

Schwerpunkt

Vom Lebensmittelpaket zur Hilfe zur Selbsthilfe - die Entwicklung einer der wichtigsten NPOs aus Sicht eines Insiders.

Die Vorgeschichte: Am 14. Mai 1986 wurde CARE Österreich als 8. Mitglied der internationalen Hilfsorganisation CARE gegründet. Diese entstand im November 1945 in den USA, um der hungernden europäischen Bevölkerung nach Ende des 2. Weltkriegs zu helfen. Zwischen Juli 1946 und 1955 wurden insgesamt 100 Mio. CARE-Pakete verteilt. In dieser Zeit entwickelte sich die Hilfe vom Lebensmittelpaket zur eigentlichen Idee von CARE: Hilfe zur Selbsthilfe.

Zur besseren Abwicklung der Hilfsprojekte, und um lokale Mitsprache zu stärken, wurden in den Aktionsländern sogenannte Country Offices gegründet, welche zumeist von Ausländern geführt werden. In den 80er-Jahren wurden die meisten Mitglieder von CARE International gegründet: 1980 CARE Deutschland und Norwegen, 1983 Frankreich, 1987 Australien. Heute ist CARE International eine der drei weltweit größten, unabhängigen Hilfsorganisationen, mit Aktivitäten für über 65 Mio. Menschen jährlich in 69 Ländern. CARE International ist eine Föderation aus zwölf Mitgliedern, von denen drei (CARE USA, Kanada und Australien) die Verantwortung für ca. 65 Country Offices haben. CARE hat Beraterstatus I bei den Vereinten Nationen.

Als CARE in Österreich gegründet wurde, trug die positive Erinnerung derer, die in der Nachkriegszeit ein CARE-Paket erhalten hatten, dazu bei, dass sich die NPO rasch innerhalb der österreichischen Hilfsorganisationen etablieren konnte. Anfang der 90er-Jahre war die NGO/NPO-Szene in Österreich noch sehr jung und die MitarbeiterInnen waren vorwiegend Generalisten. Jede/r machte alles: Werbung und Fundraising, Kontaktpflege zu Geldgebern und Projektpartnern oder Projektentwicklung. Geschäftsführer waren bevorzugt Diplomaten im Ruhestand. Die Entwicklungsarbeit richtete sich nach den Bedürfnissen der Menschen in Not und sah sich gegenüber den staatlichen und privaten Geldgebern in der Rolle des Bittstellers.

Professionalisierung

Die Zahl der MitarbeiterInnen, das Budget und der gesellschaftliche Einfluss wachsen. Für CARE beginnt eine Phase der oft schmerzhaften Organisationsentwicklung nach professionellen Management- und Effizienz-Kriterien. Innerhalb von CARE Österreich muss der Vorstand unter dem Druck des ebenfalls neu gegründeten Betriebsrates einer Betriebsvereinbarung zustimmen und Verantwortung an professionelle Geschäftsführer aus der NGO-Szene abtreten.

Unter wirtschaftlichen Aspekten werden neue Möglichkeiten der Geldbeschaffung ausgelotet:

  • Neben dem österreichischen Außenamt sind die europäische Auslandshilfe EuropeAid, die humanitäre Hilfe der EU bei Katastrophen (ECHO), die Regierung von Liechtenstein, die OPEC-Foundation sowie holländische und schwedische Fonds die wichtigsten Geldgeber.
  • Mit der Einführung von kofinanzierten Projekten durch staatliche Partner steigt die Relevanz des privaten Fundraisings. Je höher der Prozentanteil an Privatspenden im Gesamtbudget ist, umso unabhängiger ist eine NGO von staatlichen Direktiven und umso mehr Projekte kann eine NGO realisieren.
  • Zur Steigerung des privaten Spendenaufkommens werden neben den klassischen Spenden-Mailings neue, doch selten erfolgreiche Wege wie Straßenwerbung versucht.
  • Innerhalb der CARE-Familie und auch der NPO-Szene ist CARE Österreich einer der ersten Vereine, der sich ins Tender-Geschäft vorwagt, das von kommerziellen Beraterfirmen dominiert ist. Bei diesen Projektausschreibungen sind Ziele, Aktivitäten und Resultate genau definiert, was oft freiheitsliebenden NGOs nicht so zusagt. Für NGOs sind Tender eine »cash cow«, da über die
    hohen Honorare der Experten legitimer Gewinn gemacht wird. Es bildeten sich die ersten Konsortien zwischen Consultingfirmen und NGOs, wobei die unterschiedliche Bezahlung der Experten durch Beraterfirmen und NPOs eklatant sichtbar wird. Für die gute Sache beanspruchen NPOs mehr Profit, riskieren damit aber, gute Experten an besser zahlende Consultingfirmen zu verlieren.

Globale Verantwortung

Die MitarbeiterInnen werden zusehends zu Profis. Bei Stellenausschreibungen werden die Anforderungen zum Teil unrealistisch hoch geschraubt: Man sucht »Wunderwuzzis«, z. B. Sozialwissenschafter mit Uni-Abschluss, mindestens drei Sprachen plus Erfahrung in Projektarbeit.

Innerhalb der CARE-Familie spezialisiert sich Österreich auf die Sektoren humanitäre Hilfe, Landwirtschaft und Soziales. Ein bezeichnender Wandel im Selbstverständnis der nördlichen NPOs geschieht mit der Einführung des «rights-based approach«, das Menschen in Not nicht mehr als BittstellerInnen sieht, die an Mitleid appellieren, sondern als EinfordererInnen von Menschenrechten.

Lobbying, Advocacy, Networking und Nutzung von Synergien werden zum Gebot der Stunde. Die österreichischen NPOs gründeten zur besseren Vertretung ihrer Interessen die Plattform AGEZ sowie die EU-Plattform (seit 2008 verbunden zur Dachorganisation »Globale Verantwortung«).

CARE-Österreich hat eine Vorreiterrolle in Ost- und Südosteuropa, Country Offices in Bulgarien und im Nordkaukasus wurden gegründet, deren nachhaltige Führung aber die organisatorischen und finanziellen Möglichkeiten übersteigt. Der Nordkaukasus wurde deshalb in die Verantwortung von CARE Canada übergeben und Bulgarien wurde eine selbständige lokale NGO.

CARE gehört nach Jahresumsatz und Bedeutung zu den wichtigsten Hilfsorganisationen in Österreich, gemeinsam mit der Caritas, dem Roten Kreuz, MSF, »Licht für die Welt« und Horizont 3000.

In der Midlife-Krise?

Unter dem Druck der internationalen NGOs formierte sich in den vergangenen zehn Jahren eine neue globale Hilfsarchitektur mit den Eckpfeilern: UN-Milleniums-Entwicklungsziele (Herbst 2000), Paris-Erklärung (2005) und Forum in Accra (2008). Gleichzeitig haben sich NGOs wie Save the Children, World Vision, Oxfam und CARE zu einer Art NGO-Multis entwickelt. Das Hilfsbudget von World Vision International z. B. übersteigt das Italiens, das Hilfsbudget von CARE USA übersteigt das von Österreich, und mit 14.500 MitarbeiterInnen verfügt CARE International über mehr als der Internationale Währungsfonds und die Weltbank zusammen. Zu den wichtigsten Problemen zählen nun:

  • Die großen NGOs treten in vielen Fällen wie Geldgeber auf, ohne jedoch selbst die Prinzipien der Pariser Erklärung zu befolgen. Hilfe wie auch die Präsenz in den Ländern ist sehr ungleichmäßig verteilt. In relativ kleinen Ländern wie Guatemala, Sri Lanka und Simbabwe sind mehr als 40 der 60 größten internationalen NGOs vertreten. Im Jemen oder der Zentralafrikanischen Republik hingegen nur eine Handvoll.
  • Die NGOs kämpften jahrelang für partizipative Ansätze und verstehen sich als Advokaten der Rechte und Interessen der Ärmsten; in den Entscheidungsgremien und Vorständen von 55 der größten Entwicklungshilfe-NGOs sind jedoch von den insgesamt 693 Vorstandsmitgliedern nur sechs Prozent aus Entwicklungsländern. Feedback- und Rückkoppelungs-Mechanismen müssen verstärkt entwickelt werden. Die nördlichen NGOs müssen von Führern zu echten Partnern werden.
  • Mit zunehmender Budgethilfe der Staaten an die Empfängerländer ändert sich auch die Funktion der nördlichen NGOs als DienstleisterInnen. Am wahrscheinlichsten ist eine Neudefinition als »watchdog«. Sie müssen gewährleisten, dass die Zivilgesellschaft in den Empfängerländern involviert ist und die staatlichen Geldgeber über die Budgethilfe nicht zu reinen Marktwirtschafts- und Demokratie-Missionaren werden. In diesem Zusammenhang könnten die nördlichen NGOs mehr auf den Markt der Projektevaluation drängen, der zu Unrecht den Consultingfirmen überlassen wird.

Gut gerüstet

CARE Österreich muss wie alle anderen NGOs auf diese Themen befriedigende Antworten finden, kann sich jedoch im Unterschied zu vielen anderen zugute halten, in den vergangenen Jahren bereits große Schritte Richtung verbesserter Abstimmung, Koordination und Rechenschaftspflicht unternommen zu haben.

Dazu gehört z. B. das SPHERE-Projekt zur Etablierung von Mindeststandards in der Katastrophenhilfe. In diesem Licht scheint CARE Österreich für die Herausforderungen der Zukunft gut gerüstet.

Weblinks
CARE Österreich
www.care.at

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