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Katharina Klee Katharina Klee, Chefredakteurin

Standpunkt | Da ist mehr drInnen!

Meinung

Da bleibt das Auge daran hängen, das tut förmlich weh«, kommentierten vor etwa 15 Jahren meine männlichen Kollegen das gerade vermehrt aufkommende sogenannte »Binnen-I«.

Wenn es mir ein Anliegen sei, stünde es mir frei, Arbeiterinnen und Arbeiter zu schreiben - länger dürfe der Text deswegen allerdings nicht werden, wurde mir erklärt. In keiner anderen Sprache sei so etwas üblich, meinten sie, ein Großbuchstabe im Wort, Bezeichnungen wie Landeshauptfrau und die ganze Gender-Sache. Dabei seien Frauen doch eh immer mitgemeint. Und überhaupt: Hätten die Frauen denn nicht andere Probleme?

Frauenprobleme
Haben sie und hatten sie damals auch, die Frauen, und daher stimmte ich meinen Herrn Kollegen meist zu, schloss mich ihren Scherzen an und verzichtete auf das »schmerzhafte« große I mitten im Wort. Schließlich wollte ich nicht zickig wirken. Stattdessen schrieb ich über die anderen Probleme der Frauen: Über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sexuelle Belästigung, die gläserne Decke, die Einkommensschere und mehr. Meist rund um den 8. März, dann hatten diese Themen Hochkonjunktur. Die übrige Zeit des Jahres liest man so etwas ja nicht so gerne. Da waren die Frauen dann wieder mitgemeint: Als Arbeitnehmer und Arbeitgeber, als Kollegen, als Politiker, Künstler, Bürger. Aber wurden sie auch mitgedacht? Wird tatsächlich immer mitgedacht, was eine Arbeitszeitregelung, ein Betriebsausflug, ein politisches Amt, ein künstlerischer Akt, das Leben im öffentlichen Raum, eine Wirtschaftskrise für Frauen bedeutet? Auch, aber nicht nur in Hinblick auf die »Frauenprobleme« Vereinbarkeit von Beruf und Familie, sexuelle Belästigung, die gläserne Decke, die Einkommensschere und mehr?

Oh, es hat sich eine Menge getan für uns Frauen, seit vor 101 Jahren erstmals am 8. März der Frauentag begangen wurde. Seit 90 Jahren haben Frauen in Österreich das Wahlrecht, seit mehr als 35 Jahren müssen sie ihre Ehemänner nicht mehr um eine »Arbeitserlaubnis« bitten, seit elf Jahren können Frauen zum Bundesheer. Sie dürfen zur Feuerwehr und zu den Philharmonikern, sie können sich ihren Platz erobern in der Männerwelt. Sie sind Pilotinnen, Automechanikerinnen, Boxerinnen und Triathletinnen. In Österreich haben mehr Frauen akademische Abschlüsse als Männer. All das ist für Frauen möglich, wenn sie sich Platz schaffen und darum kämpfen, wenn sie Widerstände überwinden.
Nicht jede kann und will das. Nicht jede schreit laut genug, um wahrgenommen zu werden. Viele verzichten darauf, um nicht zickig zu wirken, wie einst ich. Vielleicht ist das mit ein Grund, warum Österreich im EU-Vergleich der »gender pay gap«, des geschlechtsspezifischen Lohngefälles, an 26. also vorletzter Stelle liegt. Hierzulande verdienen Frauen um 25,5 Prozent weniger als Männer.

Sex und Gender
Der ÖGB-Bundeskongress hat sich 2004 zu Gender Mainstreaming  (GM) bekannt. Gewerkschaften und Arbeiterkammern bieten GM-Schulungen an. Kollektivverträge werden nach GM-Kriterien verhandelt. Da oder dort haben bereits einige begriffen und gelernt, dass man zwischen biologischem Geschlecht (Sex) und sozialem, anerzogenem Geschlecht (Gender) unterscheiden kann. Eine für uns alle gerechtere Welt macht notwendig, dass wir versuchen, jede Maßnahme aus der Sicht beider Geschlechter zu sehen. Das vergessen wir manchmal.
Das Binnen-I setzt sich immer mehr durch. Es signalisiert uns, dass Frauen nicht nur mitgemeint sein wollen, sondern auch ein Recht darauf haben, mitgedacht zu werden. Wenn wir also wieder einmal mit dem Auge daran hängen bleiben, könnte es uns daran erinnern, Frauen- und Männersichtweisen mitzudenken. Das tut gar nicht weh.

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