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Mehr als -Innen Dass er seinen KollegInnen rüberbringen kann, dass Frauenarbeit und Männerarbeit gleich viel wert ist, dass Frauen keine »besseren Männer« sein müssen, um Führungspositionen zu erreichen - das ist ihm wichtig.

Mehr als -Innen

Schwerpunkt

Immer mehr GewerkschafterInnen begreifen, dass hinter Gender Mainstreaming mehr steckt als leere Phrasen und ein großes I.

»Freiwillig« wurde Arbeiterbetriebsrat Franz Adlbrecht von seinem Gewerkschaftssekretär zum Gender-Mainstreaming-Beauftragten gemacht, und ebenso »freiwillig« saß er auch neben mir im Lehrgang »Doing gender« der ReferentInnenakademie, um sich geschlechtergerechten Arbeitsbedingungen und der Auseinandersetzung mit männlichen und weiblichen Klischeebildern und deren Berechtigung zu widmen. Seine Begeisterung darüber stand ihm ins Gesicht geschrieben.
Als guter Gewerkschafter sei er jetzt da, meinte er, obwohl er nicht genau wüsste, was man - Mann?/Frau? - jetzt eigentlich wieder von ihm wollte. Es gäbe eh schon die Frauenförderung, brummte er, und mit der sei er nicht immer einverstanden. Da würde oft nicht nach der bestqualifizierten Person gesucht, sondern die Hauptsache wäre, dass eine Frau einen Posten bekäme. Und außerdem - wenn er mit Frauen diskutiert hatte, waren sie oft nicht auf den Inhalt seiner Aussagen eingegangen, nein, dass er das »-Innen« vergessen hatte, das hatten sie ihm vorgeworfen. »Haben die keine anderen Sorgen?«, hatte er sich damals doch einigermaßen vergrämt gefragt, der Franz, und der Begriff Gender Mainstreaming war ihm dadurch nicht wirklich sympathischer geworden.

Als Michl-Gradheraus, so lernte ich Franz Adlbrecht gleich zu Beginn unserer gemeinsamen Ausbildung kennen, als einen, der sagte, was ihm nicht passte und was er dachte: Wie zum Beispiel, dass er erwartet hatte ein Rudel Frauen vorzufinden, die über ihn herfallen würden. Aber auch was ihm gut gefiel, sagte er: Dass eine Frau und ein Mann gemeinsam das Seminar leiteten, und dass auch gleich viele Männer und Frauen daran teilnahmen.
Es gefiel dem Franz noch vieles mehr im Laufe des Seminars. War sein Blick anfänglich noch skeptisch und seine Arme fest verschränkt, hörte er immer öfter mit seitlich geneigtem Kopf zu, strich sich nachdenklich durch den Bart, stellte Fragen, polterte hin und wieder und hatte offensichtlich jeden Tag mehr zu Lachen.
Als »doch auch ein Stück Macho« hatte er sich anfänglich selbst beschrieben, als einen Menschen mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, Feingefühl und viel Gespür für Zwischentöne habe ich ihn im Laufe des Lehrganges »Doing Gender« kennengelernt.

Kooperieren statt konkurrieren
Franz Adlbrecht - Michl-Gradheraus - hat er dir was gebracht, der Lehrgang, hat sich was verändert, frage ich ihn jetzt, fast ein Jahr später. Er ist jetzt wirklich freiwillig Gender-Mainstreaming-Beauftragter, sagt er, der Franz, und lacht: »Früher hab ich geglaubt, die Frauen wollen uns Männern was wegnehmen, aber um das gehts überhaupt nicht.« Und dass er schon froh ist, dass er diese Ausbildung gemacht hat, weil er ohne die Übungen »das, was schon immer so war« allein nicht so gut hinterfragen hätte können und vielleicht vieles nicht bemerkt hätte. Gerechtigkeit war ihm schon immer wichtig, Solidarität auch, jetzt ist ihm die konstruktive Zusammenarbeit von Frauen und Männern noch wichtiger geworden, kooperieren statt konkurrieren. Dass er seinen KollegInnen rüberbringen kann, dass Frauenarbeit und Männerarbeit gleich viel wert ist, dass Frauen keine »besseren Männer« sein müssen, um Führungspositionen zu erreichen - das ist ihm wichtig. Er grinst: »Und: Ich muss nicht immer ein Macho sein.«

Was ist für ihn eigentlich die Bedeutung von Gender Mainstreaming? Er streicht sich eine ganze Weile durch den Bart, bevor er mir antwortet: Dass jedem Menschen das Gleiche zusteht, Mann und Frau. Warum sollen seine beiden Töchter in ihrem Job weniger Geld verdienen als ein Mann? Die Löhne für gleichwertige Arbeiten müssen gleich sein, aber auch das Familiengesetz und Sorgerechtsfragen findet er überdenkenswert, politische Entscheidungen für genug Kinderbetreuungsplätze und für die Gesamtschule muss es geben, das bringt uns näher zu gleichen Chancen und Bedingungen. Und in den Berufsschulen, sagt Franz Adlbrecht, da muss Gender Mainstreaming besonders präsent sein, da werden Berufsbilder und Images für morgen geprägt. Wie Frauen und Männer in den Medien dargestellt werden, spielt natürlich auch eine große Rolle, meint er abschließend, da hat sich schon einiges geändert in den vergangenen Jahren, aber trotzdem gäbe es noch genug zu verbessern.

Es tut sich was
So wie bei ihm in der Pensionsversicherungsanstalt, für seine Arbeiterinnen und Arbeiter, da gibt es für ihn auch genug zu tun. Lange Zeit haben am Empfang nur Portiere, nur Männer, gearbeitet, obwohl Frauen auch gern dort arbeiten wollten. Franz mit seinem Gerechtigkeitssinn und einer Portion Hartnäckigkeit hat sich durchgesetzt: Jetzt arbeiten Frauen und Männer am Empfang: gleich gut - gleich bezahlt. Gut so. Aber das ist noch lange nicht bei allen Arbeiterinnen und Arbeitern in der PVA so. Die Technik ist männlich in der PVA, keine einzige Frau, schüttelt Franz verneinend den Kopf. Das hauseigene Reinigungspersonal besteht dafür nur aus Frauen, beim zugekauften Reinigungspersonal gibt es schon Männer, die sind die Vorarbeiter. Beim Küchenpersonal ist es ähnlich, es gibt zwar Frauen und Männer, Küchenchefs sind aber nur Männer. Es tut sich schon was, das sieht er, aber was so lang in den Köpfen war, bringt man halt nicht von heute auf morgen raus.
Dann wird er kurz ein bisserl grantig, was er gar nicht leiden kann ist, wenn die gleichen Personen, die für Frauenförderung zuständig sind, dann gleich Gender Mainstreaming »mitmachen« sollen - quasi in einem Aufwaschen - das wird nix, da ist er sicher.

Jetzt interessiert mich natürlich noch brennend, wie das bei ihm zu Hause eigentlich so ist mit Rollen und Arbeitsverteilung. »Ich kann alles«, lacht Franz, Waschen, Bügeln, Kochen, beim Bundesheer hat er das schon gelernt und in Zeiten, in denen er allein gelebt hat, hat er ja auch alles selbst gemacht. Jetzt ist er in zweiter Ehe verheiratet, seine Frau ist zu Hause und übernimmt deswegen den Großteil der Hausarbeit. Er hilft aber immer mit. Hemden bügelt er besonders gern, nur für den Geschmack seiner Frau nicht immer schön genug. Dafür schlägt er noch die Nägel ein - wie hat er selbst gesagt, so schnell ändern sich alte Gewohnheiten halt nicht. Und seine Töchter? Die Ältere lebt mit 3-fach-Belastung, erzählt Franz, arbeitet in der Firma ihres Mannes mit, macht den Haushalt und versorgt die drei gemeinsamen Kinder, bei der Jüngeren sind auch beide berufstätig, aber bei ihnen wird die Erziehung und Betreuung ihres Kindes und die Arbeit im Haushalt genau Hälfte-Hälfte aufgeteilt.
Es tut sich was. Vielleicht schau ich in einem Jahr wieder vorbei, Franz ...

INFO&NEWS
BESCHLUSS des ÖGB-Bundesvorstandes vom 30. Juni 2004:
Der Bundesvorstand des ÖGB beschließt die verbindliche Umsetzung von Gender Mainstreaming im gesamten Organisationsbereich nach dem vorgelegten Bericht der Projektgruppe »Gender Mainstreaming im ÖGB«.
Unser Geschlecht, Mann oder Frau, ist in unserer Gesellschaft nicht nur ein individuelles Merkmal einer Person. Unser Platz und unsere Möglichkeiten in der Gesellschaft hängen davon ab, ob wir Frau oder Mann sind. Diese Bewertung aufgrund des Geschlechts hat aber keine biologische Begründung, sie ist nur durch die Gesellschaft geprägt. Auch welches Aussehen und welches Benehmen als »männlich« oder »weiblich« gilt, ist zu verschiedenen Zeiten oder in verschiedenen Kulturen unterschiedlich.
Als Gewerkschaft unserer Zeit - als Organisation, deren Essenz Solidarität ist - können wir nur den Weg der gleichen Bedingungen für alle gehen wollen.
Gender Mainstreaming umsetzen = Solidarität leben!

WEBLINKS
10 Tipps:
Gender Mainstreaming richtig falsch gemacht! von Mag. Barbara Korb
www.voegb.at/bildungspolitik/Gendermainstreaming/
Mehr Infos unter:
VÖGB: www.voegb.at/bildungsangebote
ÖGB: www.oegb.at
vida: http://gender.vida.at
GPA-djp: www.gpa-djp.at
GMTN: www.gmtn.at
Chemiegewerkschaft: www1.oegb.or.at/chemie
GÖD: www.goed.at 
AK-Wien: www.akwien.at

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