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Gender Mainstreaming im Kollektivvertrag Gender Mainstreaming (GM) soll auch als Instrument zur Durchsetzung von mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern dienen.

GM im KV

Schwerpunkt

Gender Mainstreaming im Kollektivvertrag heißt, wesentlich mehr als nur das »Binnen-I« zu ergänzen.

Wieder ein Artikel über Gender Mainstreaming. Da geht es doch nur darum, überall in Formulierungen das »Binnen-I« durchzusetzen, jetzt halt auch in Kollektivverträgen - wen interessiert das schon?

Stopp! Gender Mainstreaming lässt sich mitnichten auf geschlechtssensible Verwendung von Sprache reduzieren! Auch wenn es schon oft gesagt wurde, sei es hier noch einmal wiederholt: Gender Mainstreaming (GM) bedeutet, Maßnahmen, Regelungen, Gesetze usw. auf ihre geschlechtsspezifischen Auswirkungen auf Frauen wie auch auf Männer hin zu untersuchen und soll als Instrument zur Durchsetzung von mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern dienen.
Gerade die jüngst von Eurostat veröffentlichten Rohdaten zur Einkommensschere zwischen den Geschlechtern, die Österreich den wenig berauschenden vorletzten Platz in der EU zuweisen, zeigen auf, dass hier nach wie vor großer Handlungsbedarf besteht. Es reicht sicher nicht, auf die hohe Teilzeitquote in Österreich hinzuweisen, wenn in Ländern mit vergleichbarer Quote die Lücke weniger weit auseinanderklafft.
Eines der wichtigsten Instrumente, Entgeltentwicklungen zu gestalten, ist ganz ohne Zweifel der Kollektivvertrag. Österreich hat mit einer kollektivvertraglichen Flächendeckung von ca. 97 Prozent die besten Voraussetzungen, aber auch die größte Verantwortung, auf dieser Ebene nachhaltige Beiträge für mehr Gerechtigkeit in der Entgeltfindung zu leisten. Damit das auch so bleibt, ist es besonders wichtig, die fast durchgehende Erfassung österreichischer ArbeitnehmerInnen durch Kollektivverträge weiter zu sichern und auszubauen.

Mehr als Lohnerhöhung
Kollektivvertragsabschlüsse werden in der öffentlichen Wahrnehmung gerne auf die prozentuelle Anhebung von Gehältern und Löhnen reduziert. Das greift aber, ähnlich wie die Reduzierung von Gender Mainstreaming auf das »Binnen-I«, zu kurz. Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmenrecht, aber auch in den verschiedenen Varianten eines Lohn-/Gehaltsabschlusses sind die eigentlichen Stellschrauben, an denen gedreht werden kann, um dem Ziel von mehr geschlechtsspezifischer Gerechtigkeit näherzukommen. Einige dieser Stellschrauben, an denen in der Vergangenheit in verschiedenen Kollektivverträgen mit Erfolg gedreht wurde, sollen in der Folge kurz vorgestellt werden.

Anrechnung von Karenzzeiten
Die Anrechnung von Karenzzeiten auf Ansprüche, die sich aus der Dauer der Betriebszugehörigkeit ergeben, ist ein ganz zentrales Betätigungsfeld für KV-VerhandlerInnen, wenn es darum geht, Benachteiligungen hintanzustellen. Es geht dabei um Vorrückungen im Gehaltsschema, das Erreichen von Dienstjubiläen, die Dauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubsansprüche, Kündigungsfristen, Abfertigung alt, oder speziellere auf Senioritätsprinzip beruhende Ansprüche die sich nicht in allen Kollektivverträgen finden. Hier gibt es derzeit durchaus verschiedene Regelungen, die von einer teilweisen Anrechnung über die volle Anrechnung aller Zeiten auf alle Ansprüche, bis zu einem völligen Fehlen entsprechender Formulierungen reichen. Karenzzeitanrechnungen wirken sich in erster Linie positiv für Frauen aus, das ist nicht zwingend so, aber eine Folge der gesellschaftlichen Realität, dass das Aufziehen und Betreuen von Kindern zum überwiegenden Teil in den Händen von Frauen liegt. Eine Attraktivierung der Elternkarenz ist auf jeden Fall wünschenswert, auch um sie Männern in vermehrtem Ausmaß schmackhaft zu machen.
Ähnliches gilt für Verbesserungen in der Elternteilzeit, die der Kollektivvertrag gegenüber dem Gesetz für seinen Geltungsbereich festschreiben kann. Hier gibt es positive Beispiele im Sparkassen-, Forschungs- und Industriebereich mit Regelungen, die sich auf Pensionskassenbeitragsleistungen während der Karenzzeit, verkürzte Anwartschaftszeiten, flexiblere Gestaltung von Lage, Ausmaß und Dauer sowie eine Verpflichtung der ArbeitgeberInnen, ArbeitnehmerInnen schriftlich vom Auslaufen der Karenzzeit zu informieren, beziehen. Letztere Regelung ist vor allem insofern von Bedeutung, als es noch immer das verbreitete Missverständnis gibt, die Bezugszeit des Kindergeldes und der Kündigungsschutz während der Karenzzeit seien deckungsgleich, was zu einer veritablen Falle für ArbeitnehmerInnen werden kann, die am Ende des Kindergeldbezugs unter Umständen plötzlich ohne Job dastehen.

Bessere Vereinbarkeit
Generell sind Regelungen, die zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf führen, frauenfördernd. Sei es die Verpflichtung von ArbeitgeberInnen für adäquate Kinderbetreuungsangebote zu sorgen oder die Anrechnung von Kindererziehungszeiten als Vordienstzeiten, die sich in einigen Kollektivverträgen findet. Zwar kann trefflich darüber gestritten werden, ob familienfördernde Maßnahmen tatsächlich mit frauenfördernden gleichzusetzen sind, allerdings bleibt diese Diskussion eine akademische, so lange sich in unserer Gesellschaft tradierte Rollenbilder nicht grundlegend ändern.
Teilzeitarbeit, ob freiwillig oder unfreiwillig geleistet, ist ein sich immer weiter verbreiterndes Phänomen, und auch hier ist der Großteil der Betroffenen weiblich. Verbesserungen in diesem Bereich sind also auch ein probates Mittel, die Einkommensschere zwischen den Geschlechtern ein Stück weit zuzudrücken. Die gesetzliche Einführung des Mehrarbeitszuschlags für Teilzeitkräfte war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, trotzdem kann auch auf kollektivvertraglicher Ebene noch einiges getan werden. Die Berücksichtigung von Mehrarbeitsstunden beim 13. und 14. Gehalt oder ein verbesserter Normalstundenteiler, der zu effektiv höheren Stundenlöhnen bei Teilzeitbeschäftigten führt, sind gute Beispiele für existierende KV-Regelungen.

Höhere Qualifikation
Aus- und Weiterbildung zu fördern, um ArbeitnehmerInnen die Chance zu höherer Qualifikation zu geben, hat ebenso verteilungspolitisch günstige Auswirkungen, nicht zuletzt deshalb, weil Frauen oft eher gewillt sind, entsprechende Angebote zu nutzen. In einigen Kollektivverträgen sind Bildungsfreistellungen vorgesehen, die den ArbeitnehmerInnen eine Woche Weiterbildung pro Jahr bei voller Entgeltfortzahlung zugestehen.
Frauen werden gerne schlechter im Gehaltsschema eingestuft als Männer, wobei diese Diskriminierung seltener unmittelbar, dafür häufig mittelbar passiert. »Typische« Frauenarbeitsplätze werden generell schlechter bezahlt bzw. werden frauentypische Ausbildungsabschlüsse geringer bewertet als männertypische. In den Industriekollektivverträgen ist aus diesem Grund ein Mitspracherecht des Betriebsrats bei Einstufungen festgeschrieben, um derartige Praktiken innerbetrieblich besser unterbinden zu können. Ganz allgemein zahlt es sich aus, Einstufungskriterien genau unter die Lupe zu nehmen und auf Genderkriterien abzuklopfen.

Abschlussvarianten
Last, but not least sei noch der Genderaspekt von verschiedenen Abschlussvarianten erwähnt. Leider muss generell gesagt werden, dass Abschlüsse von denen BezieherInnen niedriger Einkommen relativ stärker profitieren, vor allem Frauen zugute kommen. Leider deshalb, weil Frauen in den unteren Einkommensgruppen die Mehrheit bilden und dieser Effekt der eingangs kritisierten gesellschaftlichen Realität Rechnung trägt.
Solche Abschlussvarianten sind z. B. Verteiloptionen, in denen eine prozentuelle Erhöhung der gesamten Gehaltssumme in der individuellen Verteilung dazu genutzt werden kann, Geschlechterdiskriminierung zu verhindern. Abschlüsse mit Mindestbeträgen, Sockelbeträge auf die eine prozentuelle Erhöhung aufgesetzt wird oder die unterschiedlich starke Anhebung von kollektivvertraglichen Mindestgehältern und Überzahlungen (»Ist«-Gehälter) können ebenfalls mithelfen, Österreichs Ranking in der nächsten Statistik zur Einkommensschere ein Stück weit zu verbessern.

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