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Protegé in der Krise In einer Reihe von Fällen muss leider eingeräumt werden, dass merkbare Einbußen für die Versicherten entstehen können.

Protegé in der Krise

Wirtschaft&Arbeitsmarkt

Die OECD hat in den vergangenen zehn Jahren private Altersvorsorge forciert. Im »Private Pensions Outlook 2008« zieht sie Bilanz.

Im Jahr 1998 hat die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine Publikation mit dem Titel »Wahrung des Wohlstandes in einer alternden Gesellschaft« veröffentlicht. Sie nahm darin den Trend zu einem immer höheren Anteil an PensionistInnen zum Anlass, Zweifel an der künftigen Leistungsfähigkeit des Umlageprinzips im Rahmen staatlicher Altersvorsorge, der tragenden Säule der Pensionssysteme in vielen ihrer Mitgliedsstaaten, zu formulieren, und ein Plädoyer zu mehr privater Vorsorge auf Kapitaldeckungsbasis abzugeben.

Mehr privat
Der Ruf der OECD und anderer Organisationen, der auf einem bestimmten Weltbild (»Mehr privat, weniger Staat«) basierte und sich mit den Geschäftsinteressen der Versicherungs- und Finanzmarktbranche traf, blieb nicht ungehört. Mittlerweile gibt es in praktisch allen Mitgliedsländern Pensionsprogramme der zweiten (betrieblichen) und der dritten (persönlichen) Säule, in fast einem Drittel davon sind diese obligat. In den vergangenen zehn Jahren nahmen nicht zuletzt aufgrund gezielter politischer Förderung in den meisten OECD-Staaten die Einzahlungen in private Pensionsfonds deutlich zu. Deren Guthaben beliefen sich im Jahr 2007 auf drei Viertel ihres BIP; zusammen mit anderen Formen waren sogar mehr als 100 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung in privater Pensionsvorsorge angelegt. Im Höhenflug der Finanzmärkte waren jährliche Erträge der Fonds von fünf Prozent und mehr keine Seltenheit. Seit die aktuelle Finanzkrise im September 2008 mit voller Wucht ausgebrochen ist und auch die Vermögen der Pensionsfonds reduziert hat, stellt sich diese scheinbare Erfolgsgeschichte in einem anderen Licht dar. Grund genug also für die OECD, mit ihrem erstmals erschienen »Private Pensions Outlook« eine Bilanz zu ziehen.

Große Unterschiede
Die Publikation liefert zunächst eine Fülle von Fakten und Vergleichsmaterial zu der Entwicklung der (privaten) Pensionsfonds in den Jahren 2001 bis 2007. So erfährt man etwa, dass zwischen den einzelnen Ländern große Unterschiede sowohl bei Größe der Fondswerte (zwischen 130 Prozent des BIP in den Niederlanden und weniger als fünf Prozent in einer Reihe von anderen EU-Mitgliedsstaaten) als auch in den jährlichen Wachstumsraten  und hier sowohl im Gesamtvolumen als auch bei der Zahl der TeilnehmerInnen  bestehen. Weitgehend unabhängig von der Verbreitung privater Systeme im jeweiligen Land, jedoch verteilungspolitisch interessant, ist die Tatsache, dass private Vorsorgemodelle umso stärker in Anspruch genommen werden, je höher das Einkommen der Pensionsversicherten ist.

Abgesehen davon, dass nur ein Teil der Mitgliedsstaaten über einen solchen verfügt, gibt es auch bei öffentlichen Pensionsfonds große qualitative und quantitative Unterschiede. Diese können entweder durch Sozialversicherungsabgaben von Unternehmern und Beschäftigten oder direkt aus dem staatlichen Budget gespeist werden. Die Veranlagungsformen reichen von 100 Prozent in festverzinslichen Wertpapieren wie in Spanien und den USA bis zu einem Aktienanteil von über 70 Prozent in Irland. Ihr Volumen beträgt etwa ein Viertel von jenem der privaten Fonds. Gemessen am jeweiligen BIP hat Schweden mit 31 Prozent den größten Fonds, gefolgt von Japan und Korea mit jeweils etwa 25 Prozent. Der Bericht der OECD gibt keine Auskunft darüber, welcher Anteil an den Auszahlungen der jeweiligen staatlichen Pensionssysteme durch die Fonds bestritten wird.

Spitzenreiter Österreich
Österreich, das keinen öffentlichen Pensionsfonds besitzt, weil sein staatliches System zur Gänze auf dem Umlageprinzip beruht, gehört dabei mit einer (idealtypischen) Bruttoersatzrate von 80 Prozent hinter Luxemburg und Spanien zu den Spitzenreitern in der OECD. Beim Anteil der öffentlichen Ausgaben für Pensionen ist Österreich mit 12,1 Prozent des BIP überhaupt Spitzenreiter. Bei den Indikatoren für private Systeme ist es unterschiedlich platziert. Der Anteil der Fondsvermögen am BIP war mit 4,7 Prozent einer der geringsten OECD-weit, bei den Wachstumsraten liegen wir sowohl bei Volumina (20,8 Prozent pro Jahr) als auch bei Mitgliedern (6,7 Prozent jährlich) im Mittelfeld. Durch die geringe Zahl von 20 Fonds ist die durchschnittliche Fondsgröße mit 880 Millionen US$ eine der höchsten unter den 30 OECD-Staaten.
Österreich ist jenes Land, in dem im Berichtszeitraum der Anteil an Aktien am Portfolio der Fonds am deutlichsten gestiegen ist, und zwar um 20 Prozentpunkte auf mehr als ein Drittel, was OECD-weit eine Mittelfeldposition bedeutet. In einigen anderen Ländern wurden dagegen in dieser Zeit Umschichtungen hin zu festverzinslichen Wertpapieren vorgenommen.

Rückgang um 22 Prozent
Der politisch interessanteste Abschnitt des Berichts ist jener, in dem die OECD versucht, auf den »Aufruhr« auf den Finanzmärkten und seine Folgen für die Pensionsfonds einzugehen. Hier muss sie mitteilen, dass zwischen Jänner und Oktober 2008 die Erträge aus Pensionsfonds im OECD-Durchschnitt real um 22 Prozent zurückgegangen sind, am meisten in jenen Ländern wie Irland oder USA, wo Aktien einen besonders hohen Anteil am Vermögen bilden. Sie weist zwar im selben Atemzug auf den langen Zeithorizont hin, der in der Natur von Pensionsvorsorgesystemen liege, und auf die beachtlichen Renditen, die die Fonds über einen längeren Zeitraum hinweg erwirtschaftet haben. In einer Reihe von Fällen, etwa für TeilnehmerInnen an Ansparplänen ohne Leistungsgarantie, die kurz vor der Pensionierung stehen, oder beim Bankrott von Unternehmen, die Beiträge zu betrieblichen Kassen leisten, muss sie jedoch einräumen, dass merkbare Einbußen für die Versicherten entstehen werden. Detaillierte Kalkulationen oder Projektionen über die langfristigen Auswirkungen auf die Auszahlungen der Pensionsfonds liefert der Bericht aber nicht.

Lehren aus der Krise
Man muss der OECD zugute halten, dass sie nie eine völlige Abkehr vom Umlagesystem gefordert und sich auch immer als ein Anwalt ordnungsgemäßer »Governance« sowohl der Finanzmärkte als auch der Pensionsfonds selbst verstanden hat. So versucht sie auch in der vorliegenden Publikation, Lehren aus der Krise zu ziehen, indem sie eine Reihe von Vorschlägen zur Neuregulierung dieses Bereichs, einem verbesserten Fondsmanagement, macht (Wer tut das allerdings im Moment nicht?). Sie anerkennt auch grundsätzlich, dass die kapitalgedeckte Vorsorge Risiken beinhaltet und propagiert einen »Mix aus Quellen der Alterseinkommen«, sowohl die Finanzierungs- als auch die Organisationsform betreffend.
 
Wie allen anderen Proponenten des Kapitaldeckungsverfahrens fällt es der OECD allerdings schwer, die Schwächen von marktbasierten Pensionssystemen in ihrem vollen Ausmaß zur Kenntnis zu nehmen. Die tatsächlich auf uns zukommende Belastung der öffentlichen Pensionssysteme durch die demografische Entwicklung zu einer »enormen« hoch zu stilisieren, ohne die Anpassungsmöglichkeiten in den Umlagesystemen zu erwähnen, und gleichzeitig zu konstatieren, dass die vergangenen zehn Jahre »unglücklicherweise« eine Periode von Turbulenzen auf den Finanzmärkten und in der Weltwirtschaft waren, ohne auf die systeminhärenten Irrationalitäten der sukzessive deregulierten Kapitalmärkte einzugehen, ist ein Indiz dafür, dass man bei der OECD noch immer in den alten Bahnen einer a priori Überlegenheit des Marktes denkt. Das ist angesichts ihrer Geschichte nicht weiter verwunderlich, führt aber dazu, dass Publikationen wie der »Private Pensions Outlook« eine umfangreiche Daten- und Faktensammlung darstellen, aber die notwendige Neubewertung der Perspektiven von kapitalgedeckten Altersvorsorgesystemen im Lichte der jüngsten Erfahrungen vermissen lassen.

Weblinks
OECD
www.oecd.org

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