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Keine Herrenjahre Ein schwacher Zusammenhang lässt sich zwischen der Zufriedenheit mit der Ausbildung und dem Geschlecht erkennen. Im Allgemeinen scheinen bei den Mädchen die Erwartungen an die Ausbildung weniger entsprochen zu haben als bei den Burschen.

Keine Herrenjahre

Schwerpunkt

Das Österreichische Institut für Jugendforschung hat die »Erwartungen und Erfahrungen von Jugendlichen zur beruflichen Ausbildung« erhoben.

Der »Lehrbua«, der um die Wurstsemmel geschickt wird, das »Lehrmadl«, das mehr Zeit mit Putzen verbringt als mit Lernen - gängige Klischees oder bittere Wahrheit? Die österreichische Gewerkschaftsjugend (ÖGJ) wollte genauer wissen, wie es den Jugendlichen in ihren Lehrstellen geht. In ihrem Auftrag hat das Österreichische Institut fürJugendforschung (OIJ) die »Erwartungen und Erfahrungen von Jugendlichen zur beruflichen Ausbildung« erhoben.
Per Fragebogen wurden dafür im Herbst vergangenen Jahres 327 Lehrlinge befragt, ergänzt durch 15 qualitativeInterviews im Februar 2009. Die erhobenen Daten wurden mit bisherigen Erkenntnissen verknüpft und analysiert.
Um mit dem Positiven zu beginnen: 79,1 Prozent der Lehrlinge gaben an, dass ihre derzeitige Ausbildung auch ihrem Berufswunsch entspricht. Was allerdings auch heißt: 20,9 Prozent werden nicht in dem Beruf ausgebildet, den sie sichwünschen, die meisten, weil sie in diesem Beruf keine Lehrstelle finden konnten.
Das ist dramatisch, weil das Interesse am »Nicht-Wunschberuf« während der Ausbildung nicht größer wird: Es »lässt sich schließen, dass die Jugendlichen ihre Interessen im Vorfeld sehr genau zu kennen scheinen, und der Eintritt in eine im Vorfeld nicht favorisierte Profession nur selten Interesse weckt. Das heißt, eine umfassende Berufsinformation, die es den Jugendlichen ermöglicht einen Beruf bzw. eine Ausbildung entsprechend ihrer Interessen zu wählen, würde die Zufriedenheit mit der Ausbildungssituation erhöhen«, erklärt Studienautorin Natalia Wächter.

Frust im Handel?
Die mangelnde Zufriedenheit mit der Ausbildung ist deutlich erkennbar: Nur 76,7 Prozent der Lehrlinge würde noch mal
denselben Beruf erlernen. Davon würden allerdings 17,4 Prozent nicht mehr im selben Betrieb arbeiten wollen. Es fällt auf, dass Lehrlinge im Handel am wenigsten mit ihrem Beruf zufrieden sind: 37,6 Prozent würden dort ihren Beruf nicht noch einmal erlernen wollen. Entsprechend unzufriedener sind weibliche Lehrlinge - weil sie vermehrt imHandel tätig sind.
Demgegenüber geben nur 12,1 Prozent jener, die in der männlich dominierten Industrie tätig sind, und 20 Prozent jener, die im Gewerbe ausgebildet werden, an, dass sie ihren Beruf nicht mehr erlernen möchten. Lehrlinge aus Landwirtschaft und öffentlicher Verwaltung waren in der Stichprobe kaum vertreten, deshalb kann keine sinnvolleAussage über ihre Zufriedenheit gemacht werden.
Belastet fühlen sich die Lehrlinge vor allem durch Stress, Unterforderung, körperliche Belastung, ungerechte Behandlung und Überstunden. 38,2 Prozent geben an, Überstunden zu machen, auch knapp 30 Prozent der 15- bis 17-jährigen Lehrlinge. »Hier wird es wirklich bedenklich, denn laut Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz dürfenLehrlinge unter 18 Jahren gar keine Überstunden machen«, kritisiert ÖGJ-Bundessekretär Florian Zuckerstätter.
Lehrlinge in Klein- und Kleinstbetrieben fühlen sich verstärkt durch Mehrarbeit belastet. In Groß- und Mittelbetrieben ist die Belastung wesentlich geringer, dort sagen 68,2 bzw. 57,9 Prozent, dass sie gar nicht von Mehrarbeit belastet seien. In Klein- und Kleinstbetrieben fühlen sich gerade einmal 17,9 bzw. 29,2 Prozent so unbeschwert.

Stress und körperliche Belastung?
Die Betriebsgröße hat auch einen wesentlichen Einfluss auf die Stressbelastung: So geben nur 10,2 Prozent der
Beschäftigten in Kleinstbetrieben an, sich »gar nicht« durch Stress belastet zu fühlen, während 36 Prozent derLehrlinge, die in Großbetrieben arbeiten, diese Bewertung abgeben.
Ähnliches gilt für die körperliche Belastung: Während 34,3 Prozent der in Großbetrieben arbeitenden Lehrlinge angibt, gar nicht durch körperlich anstrengende Tätigkeiten belastet zu sein, sagen das lediglich 12,5 Prozent derLehrlinge, die in Kleinstbetrieben beschäftigt sind und gar nur 5,3 Prozent jener, die in Kleinbetrieben arbeiten.
Um zum eingangs erwähnten Problem des Wurstsemmelholens und Putzens zurückzukommen: Von den 23,3 Prozent, die nicht mehr denselben Beruf ergreifen würden, gaben 19 Prozent »zu viele ausbildungsfremde Tätigkeiten« als Grund an. Schwerwiegender sind da aber »ich hatte andere Vorstellungen vom Beruf« (34 Prozent), »meine Interessen haben sich geändert« (22 Prozent) und »schlechtes Arbeitsklima« (19 Prozent). Nur elf Prozent schieben die Schuld auf den/die AusbildnerIn.

Mädchen unzufriedener?
Ein schwacher Zusammenhang lässt sich zwischen der Zufriedenheit mit der Ausbildung und dem Geschlecht erkennen. Im
Allgemeinen scheinen bei den Mädchen die Erwartungen an die Ausbildung weniger entsprochen zu haben als bei den Burschen. So geben 17,1 Prozent der weiblichen Lehrlinge an, dass die Ausbildung nicht ihren Erwartungen entspricht gegenüber nur 10,1 Prozent der männlichen Lehrlinge.
Besonders wichtig im Beruf sind den befragten Jugendlichen freundliche ArbeitskollegInnen (88,2 Prozent). Dicht dahinter folgen ein sicherer Arbeitsplatz (83 Prozent) und gute Bezahlung (80,6 Prozent). Das Verhältnis zu den KollegInnen schätzt fast die Hälfte als »sehr solidarisch« ein. Fast die Hälfte (47,5 Prozent) bewerten das Verhältnis zu den KollegInnen mit eins, weitere 29,6 Prozent mit zwei und 15,7 Prozent mit drei. Lediglich 6,3 Prozent geben eine Bewertung von vier bis sechs ab, welche auf ein eher konkurrierendes Verhältnis schließen lässt.

Zwischen Geschlecht und Arbeitsklima besteht kein Zusammenhang, dafür scheint aber die Branche entscheidend: So scheint im Handel und im Gewerbe ein stärkeres Konkurrenz-Verhältnis zu herrschen als in der Industriebranche. Außerdem scheint das konkurrierende Verhältnis im letzten Lehrjahr zuzunehmen. Während 11,9 Prozent der Lehrlinge im letzten Lehrjahr das Verhältnis zu ihren KollegInnen als eher konkurrierend einstufen (Ausprägungen 4 bis 6), geben dies nur 3,7 Prozent der Lehrlinge im ersten Lehrjahr an. 54,7 Prozent der Lehrlinge im ersten Lehrjahr bewerten ihr Verhältnis mit den ArbeitskollegInnen mit »eins«, während diese Bewertung nur 37,3 Prozent der Lehrlinge im letztenLehrjahr abgeben.
Das Verhältnis zu den AusbildnerInnen ist etwas schlechter als das zwischen den Lehrlingen untereinander: Nur noch 39 Prozent bewerten hier mit »eins«, 33,4 Prozent mit »zwei« und 13,4 Prozent stufen das Verhältnis zu ihren AusbildnerInnen als »mittelmäßig bis sehr schlecht« ein. 12,8 Prozent der Lehrlinge fühlen sich im Betrieb »vorwiegend«, »eher« oder »sehr missachtet«. Der Mittelwert der Bewertungen liegt bei 1,2 und zeigt, dass mit 71,3Prozent die meisten der Befragten Einstufungen von »sehr respektiert« und »vorwiegend respektiert« abgegeben haben.
 
Vom Leben lernen?
Echtes Leben - Schule: kein Vergleich. Die Lehrlinge sind sich einig, dass man die wichtigen Dinge eher im Betrieb
lernt als in der Berufsschule. Die Befragten konnten eine Bewertung innerhalb von fünf Ausprägungen von eins (ausreichend Nützliches) bis fünf (zu wenig Nützliches) abgeben. 41,3 Prozent der Lehrlinge bewerten die Frage, ob sie im Betrieb ausreichend Nützliches für den Beruf lernen mit der Schulnote »eins«, während 30,2 Prozent diese Bewertung für die Berufsschule abgeben.

Und nach dem Lehrabschluss?
Für die künftige Berufsausübung fehlen den befragten Jugendlichen in den meisten Fällen Fremdsprachenkenntnisse,
fachliche Kenntnisse und praktische Erfahrungen. Allgemeine Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen vermissendie Lehrlinge am wenigsten.
Überraschend viele Lehrlinge, nämlich 41,6 Prozent, wissen nicht, ob sie nach der Lehre im selben Betrieb weiterarbeiten können oder nicht. 48,3 Prozent der Lehrlinge geben an, im selben Betrieb weiterarbeiten zu können und 10,2 Prozent geben an, dass dies nicht möglich sei. Dementsprechend ist bei den Lehrlingen ein gewisses »Unsicherheitsgefühl« bezüglich der weiteren Berufspraxis erkennbar. Die Mädchen haben im Vergleich zu den Burschen mehr Angst, nach der Lehre keinen Arbeitsplatz zu bekommen.

Weblinks
Österreichisches Institut für Jugendforschung
www.oeij.at

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