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Motive der Berufswahl Ein besonders wichtiges Motiv für eine bestimmte Berufswahl ist damit verbundene persönliche Anerkennung.

Motive der Berufswahl

Schwerpunkt

Aus welchem Elternhaus sie kommen, spielt bei der Berufsentscheidung junger Menschen eine nicht unbedeutende Rolle.

In der aktuellen qualitativen Studie über Motive junger Menschen bei der Berufswahl werden vor allem drei Forschungsfragen beantwortet:

  1. Welche Berufsziele streben Jugendliche an?
  2. Welche Motive stecken hinter den Berufszielen?
  3. Wer oder was beeinflusst die Berufswahl?

Um gültige Ergebnisse zu erzielen, habe ich im Rahmen des von der AK österreichweit angebotenen »Bewerbungstrainings« mit über 400 SchülerInnen, vorwiegend aus der 8. und 11. Schulstufe, mit Lehrkräften und Eltern offene Gespräche zu diesen drei Fragen geführt.

Berufsziele Jugendlicher
Ein Blick in die Statistik zeigt, dass zwei Drittel aller Mädchen in vier Lehrberufen konzentriert sind: Einzelhandelskauffrau (25 Prozent), Friseurin und Bürokauffrau (zusammen 25 Prozent) und immerhin noch 16 Prozent lernen einen Beruf im Hotel- und Gastgewerbe.
Bei den Burschen ist die berufliche Streuung viel größer. Nur ein Viertel aller männlichen Lehrlinge findet sich im Kfz-Technikbereich, in der Elektroinstallationstechnik oder sie lernen Einzelhandelskaufmann bzw. Koch. Aufgrund des Zahlenmaterials wäre zu erwarten, dass Jugendliche, die nach ihren Berufswünschen gefragt werden, überwiegend die gängigsten Berufe als Ziel angeben. Die Aussagen der Jugendlichen über ihre berufliche Zukunft sind jedoch, das zeigen die Ergebnisse der Studie deutlich, sehr viel breiter gestreut als die Statistik uns das glauben machen will. Folgende These lässt sich formulieren: Je jünger die Befragten, desto fantastischer ihre Berufswünsche. Erst mit zunehmendem Alter gewinnt das Machbare gegenüber dem Wünschenswerten die Oberhand.

Die Berufswünsche der 14-Jährigen setzen überwiegend den Abschluss einer Matura voraus. So streben in Wien rund zwei Drittel aller HauptschülerInnen eine weiterführende Schule mit Ziel Matura an. Im ländlichen Bereich wollen gleich drei Viertel aller PflichtschülerInnen ihre Schulbildung mit Matura abschließen.
Ein besonders wichtiges Motiv für eine bestimmte Berufswahl ist damit verbundene persönliche Anerkennung. Keine der SchülerInnen nannte das Berufsziel Hilfskraft, LagerarbeiterIn, Reinigungskraft, PaketzustellerIn, TaxifahrerIn, RegalbetreuerIn, Arbeit im Callcenter etc.
Je höher die Ausbildung, so das Kalkül, desto eher wird es gelingen, beruflich erfolgreich zu sein. Eine möglichst erfolgreiche berufliche Tätigkeit wird als Voraussetzung gesehen, um die allgemeinen bürgerlichen Lebensziele wie Partnerschaft, eigenes Haus bzw. eigene Wohnung, Familiengründung erreichen zu können. Diese Ziele wollen die Jugendlichen über eine möglichst anständig bezahlte Arbeit erreichen. Nicht nur persönliche Fähigkeiten und Flexibilität sind für eine Berufswahl maßgebend, sondern ganz besonders äußere Faktoren, wie zum Beispiel Ausbildungsangebote und die soziale Herkunft. Es gibt eine enge Verbindung zwischen Berufswahl und familiärem Hintergrund. 75 Prozent aller Jobs werden über bestehende soziale Netze vermittelt und zum großen Teil deswegen ausgewählt.

Die Kernaussage dieser Studie lautet: Das Eingebettetsein in jeweils unterschiedlich starke soziale Netze muss schlechthin als der entscheidende Einfluss auf die jeweilige Berufswahl und für die anschließende Berufskarriere bezeichnet werden.
Die Auswirkungen des sozialen Hintergrundes auf die Berufswahl lassen sich empirisch anhand folgender Punkte nachweisen:

Berufliche Vorkenntnisse
Praktikumsstellen zu finden, gelingt den meisten SchülerInnen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft recht gut. Wenn die Elternkontakte nicht ausreichen, unterstützen sie die Lehrkräfte bei der Suche nach Praktikumsplätzen.
Aber bereits bei den Ferialjobs geht die soziale Schere auseinander. SchülerInnen aus Familien niedriger sozialer Schichten finden, falls überhaupt, Ferialjobs in Lagern, auf Baustellen, in Geschäften.
SchülerInnen aus Familien höherer sozialer Schichten haben im Bezug auf Ferialjobs kaum Probleme. Sie nutzen die Ferien entweder für Auslandsaufenthalte oder arbeiten in Büros, Banken, Anwalts- und Steuerberatungskanzleien, Behörden, Interessenvertretungen, Investmentsfonds etc.

Konkretisierungsgrad
Die Berufswahl von SchülerInnen ist umso klarer, je besser einzelne SchülerInnen in ein starkes soziales Netz eingebunden sind. In Schulen, die zum großen Teil von SchülerInnen besucht werden, deren Eltern zum Großteil höhere soziale Positionen einnehmen, überwiegen Aussagen zu ganz konkreten beruflichen Zielen. Die SchülerInnen sagen zum Beispiel klipp und klar: »Nach dem Zivildienst studiere ich Wirtschaft, Medizin, Biochemie etc.«
SchülerInnen, deren Eltern eher niedrige soziale Positionen einnehmen, reagieren meist unsicher, sie sagen: »Was ich nach der Matura machen werde, weiß ich noch nicht.« Falls in dieser Gruppe ein konkreter Berufswunsch geäußert wird, gibt es fast immer einen Plan B: »Nach der Matura werde ich Stewardess, wenn ich das nicht schaffe, studiere ich Sprachen.«
Alle Eltern, aus welchen sozialen Schichten sie auch kommen mögen, sind grundsätzlich an einer möglichst erfolgreichen Schulkarriere ihrer Kinder interessiert. Eltern aus niedrigeren sozialen Schichten sagen überwiegend: »Die Kinder sollen es einmal besser haben als wir. Die Kinder haben unsere volle Unterstützung, aber lernen müssen sie selbst.«
In dieser typischen Aussage liegt der entscheidende Unterschied zu Eltern aus »gutem Haus«. Zwar gibt es auch unter den sozial benachteiligten Haushalten immer mehr Eltern, die für ihre Kinder Nachhilfestunden organisieren, sie in Privatschulen schicken und Schulgeld bezahlen, aber darüber hinaus können sie kaum Hilfestellungen anbieten. Eltern mit hohem Einkommen haben mehr Möglichkeiten. Sie schicken zum Beispiel ihre Kinder ins Ausland, um auf diese Weise Sprachprobleme zu beheben, sie leisten sich kostspieligere und meist auch erfolgreichere Nachhilfen, sie treten in den Schulen bei Elternsprechtagen selbstbewusster auf und fördern so indirekt das schulische Fortkommen ihrer oft nicht minder selbstbewussten Sprösslinge.

Persönliches Auftreten
SchülerInnen aus bürgerlichen Haushalten übernehmen weitgehend die Kommunikationskultur ihrer Eltern, sie drücken sich oft gewählter aus als KollegInnen aus niedrigeren sozialen Schichten. Letztere haben oft bereits bei Vorstellungsgesprächen die schlechteren Karten, weil sie es nicht verstehen, sich »gut zu verkaufen«. Pierre Bourdieu spricht in diesem Zusammenhang vom »inkorporierten Kapital«. Das bezieht sich auf die klassenspezfische Sprache und die damit verbundenen Umgangsformen. Je weiter entfernt das »inkorporierte Kapital« vom allgemein anerkannten Verhaltenskodex liegt, desto niedriger werden TrägerInnen dieses »Kapitals« bewertet.
Die Berufswahl ist in der Regel ein sich ständig verändernder Prozess. Um beruflichen Erfolg zu haben, ist eine starke soziale Vernetzung äußerst günstig. Ohne Einbettung in ein gut funktionierendes Netz wird es schwierig, ein gewünschtes Berufsziel zu erreichen. Mit einer guten Ausbildung und besonderen persönlichen Fähigkeiten kann das fehlende soziale Netz jedoch weitgehend kompensiert werden.
Die Berufswahl folgt bestimmten Mustern, sie wird primär vom familiären Umfeld beeinflusst. Wenn jedoch Eltern niedrig bewertete Berufspositionen einnehmen, fehlt die Vorbildwirkung und ihre Kinder sind in hohem Maße auf eigene oft fantastisch anmutende Berufsziele angewiesen. SchülerInnen aus niedrigen sozialen Schichten müssen oft früher als ihnen lieb ist erkennen, dass sie ihre Berufsziele nicht erreichen können, weil das gegenwärtige Schulsystem zu wenig auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet ist.
Den SchülerInnen aus sozial benachteiligten Haushalten fällt besonders das ausgeprägte Halbtagsschulsystem auf den Kopf, da viele Erziehungsberechtigte im Gegensatz zu Eltern aus »gutem Haus« bei der Betreuung der Hausübungen überfordert sind.

Weblinks
Institut für qualitative Arbeits- und Lebensforschung
iqual.rokell.com

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konrad_hofer@utanet.at
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