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Norden alt, Süden jung Die wirtschaftliche Not zwingt Kinder dazu, für ihr Überleben zu kämpfen. Für Schule und Freizeit bleibt kaum Zeit.
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Norden alt, Süden jung

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Während in der westlichen Welt über Überalterung geklagt wird, ist auf dem afrikanischen Kontinenet fast die Hälfte der Bevölkerung unter 14 Jahren.

Während wir in Europa von Überalterung hören und lesen, darüber rätseln, wer in der Zukunft unsere Pensionen bezahlen wird, macht man sich über Altersversorgung andernorts sehr viel weniger Sorgen - junge Menschen sind genügend vorhanden. In den Ländern des Südens, üblicherweise sind damit die meisten Länder der Kontinente Afrika, Asien und Lateinamerika gemeint, besteht das Problem der Überalterung nicht. Auf dem afrikanischen Kontinent ist beinahe die Hälfte der Bevölkerung unter 14 Jahre alt. Wirklich alte Menschen gibt es kaum - bei einer durchschnittlichen kontinentalen Lebenserwartung, die je nach Statistik zwischen 50 und 55 Jahren liegt, kann von wirklichem »Alter« auch wahrlich nicht die Rede sein.

Traditionellerweise übernehmen in Afrika die Kinder die Versorgung der älteren Menschen. Alters- und Gesundheitsvorsorge im europäischen Sinne ist in den meisten Ländern weitgehend unbekannt. Dies sollte nicht weiter verwundern, bedenkt man, dass in den Ländern der sogenannten Dritten Welt, der größte Teil der Bevölkerung im informellen Sektor tätig ist, also keinen fixen Arbeitsplatz hat, sondern sich mit kleinen und kleinsten Dienstleistungen und privatem Miniaturhandel über Wasser hält. Allerdings gibt es heute auch große Veränderungen bei der traditionellen Altersversorgung, denn die jungen Menschen ziehen in die Städte oder verlassen ihre Länder und wandern in die reichen Nationen der Welt aus. Die Alten der Dritten Welt bleiben verlassen und unversorgt zurück. Eine große Herausforderung für die Zukunft.

Erdbevölkerung verdoppelte sich
Sechs Milliarden Menschen leben derzeit auf der Erde. Die Erdbevölkerung verdoppelte sich in den vergangenen Jahrhunderten immer schneller. 2050 werden an die elf Milliarden Menschen auf der Erde leben. In Europa werden es allerdings nur noch etwa 11,5 Prozent der Menschheit sein. Der Rest verteilt sich auf die Länder des Südens. Wir können von zwei, in der Geschichte beispiellosen Prozessen ausgehen: einer immensen Zunahme von alten Menschen im Norden der Erde und einer fast ebenso starken Zunahme von ganz jungen Menschen im Süden. Die UNO bezeichnet diese Jungen und Alten als »die neuen Generationen«.
Traurig stimmt der Gedanke, dass es offenbar zu humanitären Katastrophen kommen muss, um die Bevölkerungsexplosion zu stoppen. Jüngste Studien zeigen, dass sich das Bevölkerungswachstum mittlerweile merkbar verlangsamt. ExpertInnen führen dies darauf zurück, dass einerseits auch in den Entwicklungsländern die Geburtenrate zu sinken beginnt, und auf der anderen Seite - erstmals seit Jahrzehnten - wieder eine höhere Sterblichkeit besteht. Vor allem Aids ist dafür ein wesentlicher Faktor. Botswana erweist sich dabei als Spitzenreiter: In den vergangenen zehn Jahren sank dort die Lebenserwartung von 62 auf nur 44 Jahre. Länder wie Botswana aber auch Simbabwe werden im nächsten Jahrzehnt etwa 25 Prozent ihrer Bevölkerung verlieren - durch Aids.

Doch auch Hunger erhöht die Sterblichkeit. Gründe dafür sind der Rückgang der Nahrungsmittelproduktion, die Zerstörung und Erosion der Böden, die Übernutzung der Wasserressourcen und das Absinken des Grundwasserspiegels. Dies sind Entwicklungen, die in den Ländern des Südens zwangsläufig zu immer stärkerer »Überjüngung« der Bevölkerung führen werden. Ein Begriff, der eigentlich bisher noch nicht existiert, vielleicht aber geprägt werden muss.
Eine sehr junge Bevölkerung führt dazu, dass Kinderarbeit in dem betroffenen Land sehr viel häufiger auftritt. Im Artikel 32 der Kinderrechtskonvention wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Kinder vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt werden müssen. Tätigkeiten, die die gesundheitliche, geistige, seelische und soziale Entwicklung gefährden, dürfen nicht von Kindern verlangt werden. Das Schicksal der 14-jährigen Nepalesin Mainya spricht da eine andere Sprache. 16 Stunden dauern ihre Schichten, die sie seit vielen Jahren in einer Teppichfabrik tagein, tagaus verrichten muss. Lohn bekommt sie keinen. Es sei eine Schuld abzuarbeiten, hat man Mainya gesagt. Welche Schuld gemeint ist, hat ihr niemand erklärt. »Am Tag bleibt uns ungefähr eine Stunde Pause«, erzählt sie und fügt hinzu »aber manchmal müssen wir auch die ganze Nacht weben.« Von Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung hat Mainya noch nichts gespürt.
Auch Mohammad nicht. Mohammad lebt in Pakistan, und er versteht etwas von Fußball. Spielen ist dabei allerdings nicht gemeint, dazu hat er keine Zeit. Aber mit dem Zusammennähen der Einzelteile, da kennt er sich aus. Drei Fußbälle näht er pro Tag. Ein paar Cents bekommt er dafür - neun Stunden dauert seine Schicht. Mohammad kann nicht lesen oder schreiben, aber er kann eins und eins zusammenzählen: ohne Job kein Überleben für seine Familie. »Die perfekte Kugelform muss der Ball haben«, weiß der 12-Jährige. Geometrie also für Kinder ohne Schule.

Jugend in der »3. Welt«
Die Arbeitsplätze der Kinder sind meist weit weg von den Wohnorten der Eltern. Die Kinder sind isoliert, werden spärlich entlohnt und müssen quasi rund um die Uhr arbeiten. Vor allem Mädchen werden dazu noch häufig Opfer von sexueller Ausbeutung - sogenannte »ArbeitsvermittlerInnen«, die häufig für Zuhälter tätig sind, zwingen die Kinder in die Prostitution. Laut ILO arbeiten weltweit mindestens 250 Millionen Kinder unter 15 Jahren regelmäßig. Kindheit und Jugend in den armen Regionen der Welt ist anders. Die wirtschaftliche Not zwingt Kinder und Jugendliche dazu, für ihr Überleben zu kämpfen. Für Schule und Freizeit bleibt daneben keine Zeit. Ein Teufelskreis der Armut beginnt, denn ohne Ausbildung gibt es auch später im Leben der jungen Menschen kaum eine Chance auf einen besseren Job. Doch als arme Eltern werden auch sie ihre eigenen Kinder wieder arbeiten schicken müssen. Die Spirale dreht sich weiter.
Junge Menschen, die eine Chance auf Bildung und Beruf haben, bekommen später und weniger Kinder. Das heißt, es gäbe auch positive Wege, die Bevölkerungsexplosion aufzuhalten. Vor allem wäre es notwendig, Mädchen und Frauen auszubilden. Wenn Frauen später Mütter werden, dann wird die Erdbevölkerung ebenfalls langsamer wachsen.

Die Lage spitzt sich zu
Die Zunahme der jungen Bevölkerung wird für einige Länder der Welt auch ein großer Vorteil sein: Man wird das »Wunder« zu nutzen wissen; vor allem in Asien, wo man in der Lage ist, den jungen Menschen produktive Arbeitsplätze zu bieten. In Afrika sieht die Lage jedoch düster aus. Schon jetzt drängt eine viel zu große Zahl Arbeitssuchender auf den kaum vorhandenen Arbeitsmarkt. Und die Lage wird sich weiter zuspitzen. Große Gefahren liegen in der daraus möglicherweise resultierenden Verunsicherung, steigender Kriminalität, wachsender Armut, politischer Instabilität, Krieg, Terrorismus und anderen entsetzlichen Auswirkungen. Die Zahl der emigrationswilligen Menschen wird sich vervielfachen, noch viel mehr junge Menschen werden auf dem Weg nach Europa ums Leben kommen, in überladenen Nussschalen dem Tod entgegenrudern, noch viel mehr junge Frauen werden ruchlosen MenschenhändlerInnen in die Hände fallen.

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