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Ernst zu nehmen Die letzte Mindestlohnanpassung vom 1. Jänner 2009 erfolgte ohne vorherigen Konsens der Sozialpartner. Nach einer Novellierung des Mindestlohnsgesetzes verordnete die Regierung eine Mindestlohnhöhe von SKK 8.900 pro Monat (295 EUR).

Ernst zu nehmen

Internationales

In der Slowakischen Republik besteht ein relativ hoher gewerkschaftlicher Organsisationsgrad. Aber auch dort kämpft man gegen Mitgliederverluste.

In der Slowakischen Republik weist der Arbeitsmarkt im Vergleich zu den meisten anderen neuen EU-Staaten eine hohe Regelungsdichte auf. Gewerkschaftlicher Organisationsgrad und Deckungsgrad der Kollektivverträge (KV) sind relativ hoch, das kollektivvertragliche Lohnverhandlungssystem ist zweistufig, es besteht ein gesetzlicher Mindestlohn, der in den Vorjahren deutlich angehoben wurde, und seit 2003 existiert ein duales System der betrieblichen Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen.
Alles in allem bildet die Slowakei gemeinsam mit Ungarn und Slowenien jene Gruppe der neuen EU-Mitgliedsländer, deren Arbeitsbeziehungen in stärkerem Maße westeuropäischen Standards entsprechen.

Gewerkschaften
Wie in der Tschechischen Republik besteht auch in der Slowakei ein hoher Konzentrationsgrad gewerkschaftlicher Organisation. Die »Slowakische Konföderation der Gewerkschaften« (KOZ) repräsentiert in 37 Branchenverbänden rd. 90 Prozent aller Gewerkschaftsmitglieder. Der gesamteuropäische Trend des Mitgliederverlusts, der in Osteuropa besonders ausgeprägt war, erfasste auch die slowakischen Gewerkschaften: Der Organisationsgrad fiel von 57 Prozent im Jahre 1995 auf unter 30 Prozent 2007.

Betriebliche Interessenvertretung
In Vorbereitung des EU-Beitritts am 1. Mai 2004 einigten sich die KOZ und der Arbeitgeberdachverband AZZZ auf das Prinzip einer eingliedrigen Arbeitnehmerinteressenvertretung in Betrieben, entweder durch eine betriebliche Gewerkschaftsorganisation oder, sofern eine solche nicht existiert, durch einen Betriebsrat. Diese Regelung wurde 2002 im neuen Arbeitsgesetzbuch aufgenommen.
Doch da der Betriebsrat mit deutlich geringeren Rechten als die Gewerkschaftsvertretung ausgestattet war und die Gewerkschaften kein Interesse an der Errichtung von Vertretungsgremien hatten, die sie als Konkurrenten betrachteten, erwies sich dieser Ansatz alsbald als Fehlschlag. Mit der Arbeitsgesetznovelle vom 1. Juli 2003 trat ein duales System der betrieblichen Interessenvertretung in Kraft. In Betrieben mit fünfzig Beschäftigten oder mehr ist die Betriebsleitung nun verpflichtet, die Wahl eines Betriebsrats zuzulassen, wenn zehn Prozent der Beschäftigten dies verlangen. Im Hinblick auf Information, Verhandlungen, den Abschluss von Betriebsvereinbarungen und deren Überwachung genießen Betriebsrat und betriebliche Gewerkschaftsvertretung nun vergleichbaren Status. Das Recht, KV zu verhandeln und abzuschließen sowie deren Einhaltung zu kontrollieren, besitzt jedoch weiterhin allein die Gewerkschaftsvertretung. Anfang 2009 existierten erst einige hundert Betriebsräte. Weiterhin stellen die gewerkschaftlichen Betriebsorganisationen die wichtigste betriebliche Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen dar.

Zweistufiges KV-System
Neben Firmen-KV bestehen in der Slowakei zahlreiche Branchen-KV. 2006 wurden 56 derartige Verträge abgeschlossen, 2007 waren es 37. Der Deckungsgrad der Branchen-KV belief sich 2007 auf rd. 40 Prozent aller Beschäftigten.
Die marktordnende Funktion vieler Branchen-KV ist allerdings gering, bleiben ihre Inhalte meist doch vage, enthalten wenige Einzelheiten für die praktische Umsetzung, und wiederholen viele bloß die geltenden arbeitsgesetzlichen Regelungen. Diese Situation spiegelt die Präferenz der meisten ArbeitgeberInnen und ihrer Verbände für dezentralisierte, betriebsbezogene Regelungen wider. Die wenig konkreten Regelungen geben den einzelnen ArbeitgeberInnen somit großen Spielraum bei der Festlegung der betrieblichen Arbeitsbedingungen. Immerhin enthalten wichtige Branchen-KV wie jene in der Metallindustrie, im Maschinenbau und in der elektrotechnischen Industrie Vereinbarungen über den Anstieg der Basiskollektivvertragslöhne bzw. die durchschnittliche Lohnerhöhung.
Der Deckungsgrad der Betriebs- oder Firmen-KV, welche die Lohnhöhe und weitere Arbeitsbedingungen konkret festlegen, beträgt rd. 30 Prozent. Das Zustandekommen eines Firmen-KV setzt freilich die Existenz einer durchsetzungsfähigen betrieblichen Gewerkschaftsorganisation voraus. Während die Gewerkschaften in Großunternehmen gut vertreten sind und oft einen hohen Organisationsgrad aufweisen, ist die gewerkschaftliche Präsenz in den Klein- und Mittelbetrieben eher schwach.

Schwere Aufgaben
Der insbesondere bei der 2004 gegründeten »Nationalen Union der Arbeitgeber« (RUZ), dem mittlerweile größten Arbeitgeberdachverband, feststellbare Kurswechsel zu einem Konfrontationskurs, welcher der dezentral-betrieblichen, flexiblen Lohnfindung den Vorrang einräumt, und die scharfe Rezession erschweren die Aufgaben der Gewerkschaften.
Alles in allem ist die lohnpolitische Steuerungsfähigkeit des slowakischen KV-Systems als eher gering einzuschätzen. Ihre organisatorische Stärke in Großunternehmen und in Schlüsselbranchen der Industrie sowie die Existenz von Branchen-KV bzw. detaillierten Firmen-KV in eben diesen Wirtschaftsbereichen versetzen die Gewerkschaften freilich in die Lage, auf die betreffenden Lohnbedingungen Einfluss auszuüben - und damit auch auf die gesamtwirtschaftliche Lohnentwicklung. Dies wiederum macht sie für Arbeitgeberdachverbände und Regierung zu ernst zu nehmenden Akteurinnen.
Vor den vorgezogenen Parlamentswahlen, die im Juni 2006 stattfinden sollten, suchte die in Opposition befindliche Partei »Richtung - Sozialdemokratie« (Smer-SD) von Robert Fico die Unterstützung der KOZ im Wahlkampf und erhielt diese auch. Im Gegenzug sagte der Parteivorsitzende Fico zu, im Falle eines Wahlsieges wichtige Forderungen der Gewerkschaften in das Regierungsprogramm aufzunehmen.
Tatsächlich gewann die Smer-SD die Wahlen und einigte sich in der Folge mit Vladimir Meiars populistischer HZDS und der nationalistischen SNS auf einen Koalitionsvertrag.
Auf dem Gebiet der Arbeitsbeziehungen beinhaltete das Regierungsprogramm u. a. folgende Punkte: die Aufwertung des gesamtwirtschaftlichen sozialen Dialogs durch eine gesetzliche Grundlage und Kompetenzen für den Abschluss von verbindlichen arbeitspolitischen Generalabkommen; die Stärkung der Position der Gewerkschaften im sozialen Dialog; den Beginn bzw. die Wiederbelebung des sozialen Dialogs auf Branchen- und Regionsebene; die Beseitigung von gesetzlichen Hindernissen für effektive Kollektivvertragsverhandlungen und die weitere Anhebung des nationalen Mindestlohns.

Nationaler Mindestlohn
1996 wurde per Gesetz ein einheitlicher nationaler Mindestlohn eingeführt. Alljährlich sollte der »Rat für wirtschaftliche und soziale Vereinbarungen« (RHSD), dem je sieben VertreterInnen der Regierung, der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände angehörten, über die Höhe des Mindestlohns verhandeln. Kam keine sozialpartnerschaftliche Einigung zustande, hatte die Regierung den Mindestlohn per Dekret festlegen. 2005 und 2006 betrug der gesetzliche Mindestlohn jeweils 44 Prozent des durchschnittlichen Brutto-Monatslohns; 2007: 43 Prozent. Für die Kollektivvertragsverhandlungen auf Branchen- bzw. Betriebsebene bildet die Mindestlohnerhöhung einen wichtigen Orientierungspunkt. Zahlreiche Sozialleistungen sind an das Mindestlohnniveau gekoppelt.
Im Rahmen der erwähnten Absprache zwischen der Smer-SD und der KOZ sagte Robert Fico zu, den Mindestlohn binnen fünf Jahren stufenweise auf das von den Gewerkschaften geforderte Niveau von 60 Prozent des Durchschnittslohns anzuheben.
Die letzte Mindestlohnanpassung vom 1. Jänner 2009 erfolgte ohne vorherigen Konsens der Sozialpartner. Nach einer Novellierung des Mindestlohngesetzes verordnete die Regierung eine Mindestlohnhöhe von SKK 8.900 pro Monat (295 ). Durch die deutlichen Anhebungen der vorangegangenen Jahre fiel der Anteil jener unselbstständig Beschäftigten, die lediglich mit dem nationalen Mindestlohn auskommen müssen, auf rd. zwei Prozent.

Weblinks
Mehr Infos unter:
de.wikipedia.org/wiki/Slowakei

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