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Qualifiziert für Europa Seit Februar 2008 liegt der Europäische Qualifikationsrahmen offiziell vor. Der EQR ist eine Art »Übersetzungshilfe« für europäische Qualifikationen.
Qualifiziert für Europa

Qualifiziert für Europa

Schwerpunkt

Nationaler und Europäischer Qualifizierungsrahmen nähren nach einem guten Start Hoffnungen auf mehr Transparenz und Durchlässigkeit im Bildungssystem.

Das aktuelle Regierungsprogramm widmet dem NQR, dem Nationalen Qualifikationsrahmen für Österreich, gerade dreieinhalb Zeilen:
»Die Umsetzung des Nationalen Qualifikationsrahmens soll die Transparenz formal und non-formal erworbener Qualifikationen und damit die Durchlässigkeit des gesamten Bildungswesens national und europaweit gemäß den Leitlinien des Europäischen Qualifikationsrahmens fördern.«
Mit dieser kurzen Formulierung hat sich die Politik auf folgendes Verständnis für das österreichische NQR-Projekt geeinigt:

Herstellung von Transparenz
Beim NQR geht es in erster Linie um die Herstellung von Transparenz, und damit um die Vergleichbarkeit von Qualifikationen. Gelingt es, die Vergleichbarkeit zwischen Qualifikationen herzustellen, soll es in der Folge für die Lernenden auch zu Mobilität und Austausch zwischen den Bildungssystemen (»Durchlässigkeit«) kommen. Denn der NQR soll nicht nur auf die Berufsbildung oder einen anderen Bildungssektor beschränkt sein, sondern das »gesamte Bildungswesen« erfassen, also die Berufsbildung, die Allgemeinbildung, den Fachhochschul- bzw. Hochschulbereich sowie den Weiterbildungsbereich.

Wo kein Durchblick, kein Vertrauen
Europas Bildungssysteme, insbesondere die der beruflichen Bildung, sind historisch bedingt sehr unterschiedlich. Sie unterscheiden sich vor allem im Umfang gesetzlicher Regelungen, in der Art des Lernumfeldes (Schule oder Betrieb), im Alter der Zielgruppe, im Niveau (sekundär oder postsekundär) und in der Anerkennung der Abschlüsse. Bildungs- bzw. Ausbildungssysteme gehen in der Regel nicht über nationalstaatliche Grenzen hinaus. Es fehlt daher bei Qualifikationen an Transparenz und Vergleichsmöglichkeiten, wodurch die einzelnen Staaten Europas mangelndes Vertrauen in das jeweils andere (Berufs-)Bildungssystem haben.
Für ArbeitnehmerInnen ist es nicht einfach, einem Arbeitgeber in einem anderen Land die »mitgebrachte« Qualifikation begreiflich zu machen. Umgekehrt haben es Arbeitgeber, staatliche wie private Ausbildungsanbieter schwer, die Qualifikationen oder Kompetenzen eines Bürgers/einer Bürgerin aus einem anderen Staat richtig einzuschätzen. Die Frage nach Verwertbarkeit bzw. Anerkennung eines Bildungs- oder Ausbildungsabschlusses in einem anderen EU-Mitgliedsstaat ist fast immer komplex. Das gilt sowohl für den Arbeitsmarkt als auch für die Systeme der beruflichen Weiterbildung. Schlechte Rahmenbedingungen also für »LLL - Lebenslanges Lernen«, wenn es auch grenzüberschreitend angelegt sein will.
Seit Februar 2008 liegt nun der EQR, der Europäische Qualifikationsrahmen offiziell vor. Als »Übersetzungshilfe« für europäische Qualifikationen soll er das lebenslange Lernen vereinfachen und die grenzüberschreitende Mobilität fördern. Sein Kernstück sind acht »Referenzniveaus«, die von den elementaren Qualifikationen (z. B. Pflichtschulabschluss) bis zu den höchsten (z. B. Doktorat) reichen. Unabhängig davon in welchem Schultyp, in welcher Lernzeit, in welchem Alter die Qualifikation erworben wurde, soll der EQR beschreiben, was die Lernenden wissen, verstehen und tatsächlich können. Was zählt, sind also Lernergebnisse.

Freiwillig mitmachen, nach Regeln
Der Rechtsakt zur Errichtung eines Europäischen Qualifikationsrahmens hat den Charakter einer »Empfehlung« und nicht den einer »Richtlinie«, die zwingend in nationales bzw. österreichisches Recht umgesetzt werden muss. Das bedeutet, dass es den Mitgliedgliedsstaaten freisteht, sich am EQR zu orientieren oder nicht.
Jedenfalls sollten die nationalen Qualifikationssysteme mit den Niveaus des EQR »auf transparente Art und Weise« verbunden werden, und die Empfehlung appelliert an die Mitgliedsstaaten, sie mögen dies mit Hilfe eines NQR, eines nationalen Qualifikationsrahmens tun. Österreich hat sich, wie viele andere EU-Staaten auch, dafür entschieden, einen solchen zu entwickeln. Die Niveaus von verschiedenen nationalen Qualifikationsrahmen werden dann miteinander vergleichbar, wenn man sie mit den Niveaustufen des EQR verbindet (siehe Abbildung).
Die Empfehlung sieht darüber hinaus vor, dass nationale Zeugnisse oder Diplome bis 2012 einen EQR-Verweis erhalten. Das bedeutet, dass in Zukunft aus österreichischen Zeugnissen eindeutig hervorgehen soll, welcher Niveaustufe des EQR (1 bis 8) die mit dem Zeugnis verbundene Qualifikation entspricht.

Die Erwartungen der AK
Stichwort Durchlässigkeit: Das berufliche Bildungssystem in Österreich ist vielfältig. Jedoch bei einem Wechsel von z. B. einer Berufsbildenden Mittleren Schule (BMS) in eine Lehre oder umgekehrt ist die gegenseitige Anrechnung von bereits Erlerntem vielfach mit Schwierigkeiten verbunden. Ähnlich ist es beim Übergang von einer HTL (Höhere Technische Lehranstalt) in eine FH (Fachhochschule). Auch in diesem Fall führt die fachlich einschlägige Vorbildung auf hohem Niveau der HTL nicht zu einer normierten Studienzeitverkürzung in der FH.
Die Ausrichtung des NQR auf Lernergebnisse verspricht, diese Übergänge bzw. den Wechsel von einem System in das andere in Zukunft zu erleichtern.
EQR und NQR sollen nicht nur formale, sondern auch non-formal und informell erworbene Qualifikationen umfassen. Es geht daher nicht nur um das gesetzliche Schul- und Studiensystem, sondern auch um die Weiter- bzw. Erwachsenenbildung (non-formal) und schließlich auch um Lernergebnisse, die z. B. aus der beruflichen Praxis erwachsen (informell). Der NQR wäre dadurch eine große Chance, das »patchwork« der Weiterbildung und Erwachsenenbildung in Österreich in eine nationale Struktur zu bringen, wodurch sie insgesamt gegenüber der Domäne des formalen Systems an Boden und »Anerkennung« im weitesten Sinn gewinnen könnten. Vielleicht gelingt es auch dadurch, die Weiterbildung ein Stück wegzubringen von ihrem vorherrschenden individualistischen Ansatz der Kosten- und der Verantwortungslage.
Es zeichnet sich ab, dass die konsequente Herangehensweise an den NQR mehrere bildungspolitisch nicht unbekannte Themen massiv beanspruchen wird: Validierung, Anerkennung, Durchlässigkeit, Qualitätssicherung etc. Die Erwartungen, dass der NQR in diese Themen Bewegung bringt, sind nicht unberechtigterweise hoch. Dennoch kann und soll der NQR weder eine aktive Bildungspolitik noch die Gesetzgebung ersetzen. Es ist aber anzunehmen, dass Transparenz und Vergleichbarkeit, die der NQR ja bringen soll, für die Politik Legitimations- und Handlungsdruck erzeugen werden.

WEBLINKS
Broschüre der EU-Kommission zum EQR:
ec.europa.eu/dgs/education_culture/publ/pdf/eqf/broch_de.pdf

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bernhard.horak@akwien.at
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aw@oegb.at

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