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Erich Foglar Ich bin überzeugt, dass wir nach dem Kongress ein starkes Programm und ein starkes Team haben, und damit der ÖGB als starker Partner für die ArbeitnehmerInnen in der Arbeitswelt gerüstet ist.

Starker Partner ÖGB

Interview

Erich Foglar zu den Positionen, Forderungen und Vorschlägen des ÖGB für eine gerechtere und sozialere Arbeitswelt.

Zur Person
Erich Foglar

Geboren 19. Oktober 1955
Erlernter Beruf: Werkzeugmacher
1979-1987 Betriebsrat (von 1982-1987 freigestellt), 1985-1987 stv. Vorsitzender des Arbeiterbetriebsrates
1987-1988 Sekretär der Gewerkschaft Metall-Bergbau-Energie (GMBE)
1988-1992 Zentralsekretär-Stv. der GMBE/Finanzreferat
1992 bis 9. Mai 2006 Zentralsekretär der GMBE (15. Gew.Tag), ab 2000 Gewerkschaft Metall-Textil
29. März 2006 bis 16. Mai 2006 Leitender Sekretär des ÖGB für Finanzen
9. Mai 2006 bis 1. Dezember 2008 Vorsitzender der Gewerkschaft Metall-Textil-Nahrung (GMTN)
seit 24. Jänner 2007 Mitglied im Vorstand des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, Arbeitsschwerpunkt »Wirtschaft«
seit 1. Dezember 2008 geschäftsführender Präsident des ÖGB

Arbeit&Wirtschaft: Kollege Foglar, Motto des 17. ÖGB-Bundeskongresses ist stark. sozial. gerecht - drei gerne gebrauchte Begriffe. Wir möchten von dir wissen, was sie für dich bedeuten. Beginnen wir mit stark, wo ist der ÖGB stark, wo könnte er noch stärker sein?

Erich Foglar: Bei der Kurzarbeit waren wir trotz Gegenwind stark, als es darum ging, eine faire Lösung zu vereinbaren. Und auch mit dem zweiten Arbeitsmarktpaket haben wir unsere Stärke in die Verhandlungen eingebracht: Die Gewerkschaften haben über 11.000 Unterschriften für eine Zeitarbeitsstiftung gesammelt - jetzt wird die Jugend- und Zeitarbeitsstiftung Realität. Und wenn wir uns die vergangenen Wochen anschauen, dann haben der ÖGB und die Gewerkschaften durchaus Stärke gezeigt, wie die Lohndemo am 13. Mai mit knapp 20.000 Beteiligten und die in der Folge verhandelten aktuellen Lohn- und Gehaltsabschlüsse beweisen.

Im Leitantrag zum Bundeskongress fordert der ÖGB eine sozial gerechte Politik. Wie könnte die aussehen?

Sozial gerechte Politik unterstützt die Schwachen der Gesellschaft und verlangt von den Starken einen angemessenen Beitrag. Oder, umgekehrt gesagt: Es ist keine sozial gerechte Politik, die die Armen sich selbst überlässt und die Reichen fördert.
Soziale Gerechtigkeit zeichnet sich vor allem durch Verteilungsgerechtigkeit, Chancengleichheit, soziale Sicherheit und Mitbestimmung in Wirtschaft und Gesellschaft aus.

Das betrifft die Lohn- und Gehaltspolitik über die Kollektivverträge, eine faire Verteilung der Steuerlasten zwischen Arbeit und Kapital, die Finanzierung des Gesundheitswesens und der Pensionen und geht über Reformen im Bildungssystem und gleiche Chancen am Arbeitsmarkt für Frauen und Männer, Menschen mit Behinderung, MigrantInnen sowie die Beseitigung der Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern bis hin zu einer Modernisierung des Arbeitsrechts und Arbeitsverfassungsgesetzes.

Drittes Schlagwort: gerecht. Wo ortest du derzeit die größten Ungerechtigkeiten und wie kann die Gewerkschaft dagegen auftreten?

Die größte Ungerechtigkeit derzeit ist sicherlich die ungleiche Verteilung der Lasten der Krisenbewältigung. ArbeitnehmerInnen zahlen schon jetzt mit Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und mit dem Großteil der Steuerlast für diese Krise, die sie nicht verursacht haben. Natürlich haben viele Unternehmen der Realwirtschaft die Krise auch nicht verursacht. Aber im Finanzsystem mit seinem Casinokapitalismus, den sogenannten »innovativen Finanzprodukten«, das in die Katastrophe geführt hat, ist enorm viel Geld verdient worden. Genau diese Finanzwirtschaft muss jetzt weltweit durch enorme Steuermittel gerettet werden und darf daher nicht aus der Verantwortung gelassen werden. Darum brauchen wir dringend einen Systemwechsel, das ist auch ein großer inhaltlicher Schwerpunkt beim ÖGB-Bundeskongress. Es muss doch allen klar sein: Wenn wir so weiter machen wie bisher, rennen wir direkt in die nächste Katastrophe. Deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt, den Systemwechsel anzugehen.

Der Systemwechsel wird ja auch im Leitantrag beim Bundeskongress gefordert. Wie genau soll so ein Systemwechsel aussehen?

Es muss einmal klar sein, dass sich die Finanzwirtschaft wieder an der Realwirtschaft orientieren muss. Die Finanzmärkte müssen reguliert, kontrolliert und viel transparenter werden. Die Kontrolle muss durch internationale und unabhängige Institutionen erfolgen, und es muss Sanktionen geben, wenn die Regeln nicht eingehalten werden. Wir fordern außerdem eine Finanztransaktionssteuer, denn dass bei den Riesengewinnen, die bei Finanztransaktionen gemacht werden, kein Cent in die Allgemeinheit fließt, ist nicht akzeptabel. Und mit Steueroasen muss genauso Schluss gemacht werden wie mit der Doktrin »der freie Markt regelt sich selbst am besten«.

In unserem Interview zum Jahresbeginn hast du dich optimistisch gezeigt. Wir haben ein gutes Blatt in der Hand, hast du damals gesagt - bist du nach wie vor Optimist?

Ich bin und bleibe grundsätzlich ein optimistischer Mensch. Obwohl die Arbeitslosigkeit weiter steigt und wir noch nicht wissen, wann die wirtschaftliche Talsohle erreicht sein wird und uns noch einige schmerzhafte Umstrukturierungen bevorstehen. Ich sehe aber auch, dass die ersten Maßnahmen - Konjunkturpakete, Arbeitsmarktpakete, Kurzarbeit - schön langsam zu greifen beginnen. Das erst vor kurzem beschlossene zweite Arbeitsmarktpaket enthält weitere wichtige Instrumente, um der Krise entgegenzuwirken und den Anstieg der Arbeitslosigkeit einzudämmen. Dennoch müssen wir hart weiter daran arbeiten, die Krise zu bewältigen, da sind alle gefordert: Sozialpartner, Bundesregierung und die Europäische Union, gerade von der EU erwarte ich mir mehr Engagement.

Apropos Sozialpartnerschaft: Seit du das Amt des geschäftsführenden ÖGB-Präsidenten übernommen hast, verlief Sozialpartnerschaft nicht immer so kuschelig wie in den vergangenen Jahren gewohnt. Am 13. Mai haben knapp 20.000 ArbeitnehmerInnen gegen Lohnverzicht demonstriert. Wie sieht aktuell die Stimmung in der Sozialpartnerschaft aus?

Es gab auch in der Vergangenheit immer wieder Konflikte, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist die Lösungsfindung oft problematischer als sonst, die Anforderungen an beide Seiten sind höher.

Trotzdem ist uns einiges gelungen, wir haben die Arbeitsmarktpakete und die Kurzarbeit auf Sozialpartnerebene verhandelt, und auch die Kollektivvertragsverhandlungen, die die Gewerkschaften in den vergangenen Wochen und Monaten geführt haben, sind durchaus positiv abgeschlossen worden. Krisenzeiten sind immer eine Belastungsprobe, aber die Sozialpartnerschaft funktioniert und ist fähig, in der schwierigen Lage stabilisierend zu wirken.

In dieser Ausgabe der Arbeit&Wirtschaft findet sich auch ein Brief an deinen Vorgänger, Sozialminister Rudolf Hundstorfer. Welche Wünsche hättest du an ihn?

Ich wünsche mir, dass er weiter für die Anliegen der ArbeitnehmerInnen kämpft wie bisher. Klar ist, dass er als Minister einer Koalition nicht das vorige ÖGB-Programm, das er noch mitbeschlossen hat, eins zu eins umsetzen kann. Ich wünsche mir aber, dass Rudi Hundstorfer uns auch weiterhin unterstützt und nicht vergisst, dass gerade in der Krise die Sozialpolitik enorm wichtig für das soziale Netz der ArbeitnehmerInnen ist. Einer meiner dringendsten Wünsche, gerade in der Krise und unter dem Aspekt der Armutsbekämpfung, ist die Mindestsicherung und die Erhöhung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld. Wir haben das ja schon beim vorigen Bundeskongress gefordert und die Forderung besteht weiterhin.

Die Arbeitswelt verändert sich und auch die Gewerkschaftsbewegung muss mitgehen - wie siehst du die Zukunft des ÖGB? Welche Grundsteine dafür müssen beim kommenden ÖGB-Kongress gelegt werden?

Ein wichtiger Grundstein dafür ist das Grundsatzprogramm, das wir beschließen werden. Es enthält eine Reihe von Positionen, Forderungen und Vorschlägen, wie die Arbeitswelt gerechter und sozialer gestaltet werden kann. Das geht in viele Bereiche hinein, von Maßnahmen zum Schließen der Einkommensschere zwischen Männern und Frauen, die schon bei jungen Menschen beginnen muss, gute Gesundheitsversorgung, sichere Pensionen, über arbeitsrechtliche Regelungen für Patchworkfamilien oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften bis zur Verbesserung der Mitbestimmung und ein sozial gerechteres Steuersystem. Nicht nur die Arbeitswelt, auch die Gesellschaft ändert sich, und daher muss auch das Arbeitsrecht rasch modernisiert werden.

Dazu passt der Bestandteil des Mottos »Dein Partner in der Arbeitswelt«. Wie will der ÖGB Partner für die vielen ArbeitnehmerInnen sein, die nicht in einem Großbetrieb leicht zu erreichen sind?

Es ist ja jetzt schon so, dass die Mehrheit unserer Mitglieder in kleinen und mittleren Betrieben arbeitet, und es ist ja zum Glück nicht so, dass wir dort nicht präsent sind. Aber eben nicht in zufriedenstellendem Ausmaß. Es gibt Bereiche wie die ZeitarbeiterInnen, im Gewerbe und bestimmten Dienstleistungsbereichen, bei freien DienstnehmerInnen, wo wir Aufholbedarf haben. Das ist eine große Herausforderung, wir haben dazu einige Projekte gestartet, müssen aber noch viel mehr tun, das ist unbestritten. Wir brauchen dafür andere Formen der gewerkschaftlichen Strukturen, Präsenz und Kommunikation als noch vor 20 Jahren, die fast ausschließlich auf großbetriebliche Strukturen ausgerichtet war. Wir haben zum Beispiel einen sehr guten KV im Arbeitskräfteüberlassungsbereich um im Vorjahr vollen Sozialversicherungsschutz für freie DienstnehmerInnen durchgesetzt - mit solchen Beispielen müssen wir mehr ArbeitnehmerInnen in diesen Bereichen vom Vorteil einer Mitgliedschaft überzeugen.

Knapp vor dem Kongress haben Medien berichtet, der ÖGB hätte sich von der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich verabschiedet. Ist das so?

Nein, wir haben die Forderung nach einer Arbeitszeitverkürzung nicht über Bord geworfen. Wir haben aber eine neue Formulierung gewählt, die den geänderten Bedingungen Rechnung trägt. Schauen wir zurück: Der ÖGB hat diese Forderung erstmals beim Bundeskongress im Oktober 1983 erhoben. Die Arbeitswelt ist seither eine völlig neue, Stichworte Automatisierung, neue Produktionsprozesse, neue Technologien und vieles mehr.

Wir fordern natürlich weiterhin eine Arbeitszeitverkürzung, denn Arbeitszeit ist und bleibt ein wichtiger Faktor der Beschäftigungspolitik - und im Übrigen auch der Gesundheitspolitik und des ArbeitnehmerInnenschutzes. Vor allem aber können in wirtschaftlich schlechten Zeiten durch bessere Verteilung der Arbeit Arbeitsplätze erhalten werden, zum Beispiel mit dem Solidaritätsprämienmodell, das jetzt mit dem Arbeitsmarktpaket 2 neu geregelt wird.
Andererseits gibt es schon so viele Möglichkeiten der Arbeitszeitgestaltung, wo wir, zum Beispiel im Schichtbetrieb, auch schon unter die 35 Stunden kommen. Was wir wollen sind Arbeitszeitregelungen, die keine Einbahnstraße sind, die nicht dem reinen Abbau von Überstundenzuschlägen dienen. Wir brauchen Arbeitszeitverkürzung, die den Lebensstandard und die Kaufkraft erhalten und den Arbeitsplatz sichern.

Zum Abschluss: Was möchtest du als erstes nach dem Kongress tun?

Wir werden weiter an den Schwerpunktthemen, die sich der ÖGB für 2009 vorgenommen hat, arbeiten. Dazu gehören die Bewältigung der Folgen der Weltwirtschaftskrise, vor allem die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und Maßnahmen für die Jugendbeschäftigung ebenso wie ein neues, modernes Arbeitsrecht und Arbeitsverfassungsgesetz und die Themen Chancengleichheit für Frauen und Männer am Arbeitsmarkt, Migration und Integration. Dem ÖGB ist auch ganz wichtig, dass die Mindestsicherung umgesetzt und das Arbeitslosengeld angehoben wird, das ist gerade in der Krise wichtig, weil es die Kaufkraft stärkt und verhindert, dass die Menschen in die Armut abrutschen. Dazu gehört auch die steuerliche Entlastung der Arbeit und ein höherer Beitrag vermögensbezogener Steuern zum Gesamtsteueraufkommen.
Wir werden außerdem konsequent den Weg der Erneuerung des ÖGB, der mit dem vorigen Bundeskongress im Jänner 2007 begonnen hat, weiter gehen. Ich bin überzeugt, dass wir nach dem Kongress ein starkes Programm und ein starkes Team haben, und damit der ÖGB als starker Partner für die ArbeitnehmerInnen in der Arbeitswelt gerüstet ist.

Wir danken für das Gespräch.

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